Kommentar zur "Festschrift 100 Jahre Krankenhaus Hietzing"
Ein dünnes Heftl, zu spät in Auftrag gegeben, zu spät verteilt, Anspruch statt Wirklichkeit im Inneren: das schriftliche Kondensat eines bedeutenden Wiener Zentenariums.
01.02.2014
Zwei Zeilen stechen hervor: „Dank unseren Vätern! Wir wollen ihnen nacheifern, damit dereinst unsere Söhne unsere Arbeiten und Bemühungen anerkennen!“ Vor 50 Jahren schrieb sie der sozialdemokratische Bürgermeister ins Goldene Buch des Krankenhauses. Wäre der heutige Bürgermeister gekommen, hätte er moderner formuliert und vermutlich weniger Gutes über seine „Väter“ gesagt.
Der während der Feier und in der Broschüre zu Wort gebetene Medizinhistoriker präzisiert das: Cliquen, Nazis und Wendehälse überall, die Guten sind die Ausnahme von der Regel. Das mag stimmen, aber darf es uns „befremden“ ohne uns selbst fremd zu werden? Wir sind heute genetisch dieselben und sollten wissen: Unter den historischen Umständen, die wir uns freilich nicht vorstellen können, würden wir genauso handeln. Eigentlich handeln wir bereits in vergleichbarer Weise, denn unseren Kindern vererben wir vor allem den vorhersehbaren Kampf um die letzten Ressourcen.
Jawohl, wir sollten das segensreiche Erbe unserer Vorfahren ehren und es bestmöglich bewahren und weitergeben. Das gilt vor allem für ein derart monumentales und einzigartiges Denkmal der Zweiten Wiener Medizinischen Schule und der Wiener Spitalsgeschichte wie dem heutigen Krankenhaus Hietzing. Das hätte die Kernbotschaft der Broschüre sein müssen! Doch dafür hätte der maßgebliche Autor unter anderem auch erkennen müssen, dass der Jubiläumsbau mit seiner großen, geschlossenen Gartenanlage eine bewusste Abkehr vom bis dahin üblichen Pavillonsystem war (auch wenn die Gebäudesektoren fälschlicherweise Pavillons bezeichnet werden) und die sichtbaren Ziegel keine architektonischen Merkmale sind, wie etwa beim benachbarten ehem. Versorgungsheim, sondern eine Folge der Verwahrlosung. Es hätte auch ein führender Arzt dieses Spitals zu Wort kommen sollen, um die hier gelebte Interdisziplinarität der vielen Fachgebiete gebührend hervorzuheben.
Dieser Grundhaltung zugetan wäre es nicht möglich gewesen, unter „Ausblick und Ziele“ den Abbruch und teuren Neubau dieses Kulturerbes und die Verringerung dessen medizinischen Spektrums als „Innovativ“ zu bezeichnen.