Heilung und Pflege
Eine kurze Darstellung über die Entwicklung in unserer Region
01.10.2011
Heilung und Pflege betrifft mehrere Berufsarten, die in ihrer Entwicklung unterschiedlich stark verflochten waren, heute aber völlig getrennt zu sehen sind. Vorangestellt wird eine Tabelle mit allen für den Sanitätsbereich relevanten Branchen. Sie zeigt die lokale Versorgung im Vergleich von 1820, 1880 und 1936. Für 1936 wird der schon recht breite und teilweise spezialisierte medizinische Bereich ausgeklammert.
Beruf/Jahr |
Familienname |
Adresse |
Anmerkung |
1820 |
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Wundarzt |
Linner, Lorenz |
Auhofstraße 142 |
Baustelle |
Wundarzt |
Schmidt, Benedikt |
Hietzinger Hauptstraße 146 |
Wohn- und Wirtschaftsgebäude samt Hofraum |
1880 |
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Glaserin und Rasiergeschäft |
Novakovicz, Franziska |
Hietzinger Hauptstraße 170 |
im Beruf tätig |
Friseur |
Boutschek, Friedrich |
Firmiangasse 47 |
im Beruf tätig |
Hebamme (gepr.) |
Kreutzer, Clara |
Auhofstraße 150 |
im Beruf tätig |
Hebamme (gepr.) |
Kreutzer, Anna |
Auhofstraße 150 |
im Beruf tätig |
Hebamme (gepr.) |
Nowak, Anna |
Auhofstraße 118, 118a, 118b |
im Beruf tätig |
Hebamme (gepr.) |
Rabel, Cordula |
Auhofstraße 134 |
im Beruf tätig |
Magister der Chirurgie, Geburtshilfe, prakt. Arzt |
Kopetzky, Franz |
Glasauergasse 10 |
im Beruf tätig, Hausbesitzer |
Seifenfabrikant |
Schmieger, Franz |
Auhofstraße 164 |
im Gewerbsbetrieb tätig, Hausbesitzer |
1936 |
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Apotheke |
Redtenbacher, Paul |
Auhofstraße 141 |
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Drogisten |
Adolf, Wilhelm |
Hietzinger Hauptstraße 147 |
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Drogisten |
Schneller, E. |
Auhofstraße 171 |
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Friseure und Raseure |
Bednar, L. |
Auhofstraße 167 |
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Friseure und Raseure |
Brennig, Johann |
Tuersgasse 3 |
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Friseure und Raseure |
Jelinek, A. |
Amalienstraße 1 |
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Friseure und Raseure |
Macha |
Amalienstraße 25–31 |
im St. Veiter Hof, lt. Hrn. Ribisch |
Friseure und Raseure |
Macha, J. |
Auhofstraße 168 |
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Friseure und Raseure |
Pecha, J. |
Hietzinger Hauptstraße 145 |
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Friseure und Raseure |
Petersil |
Amalienstraße |
Franz-Boos-Gasse, lt. Hrn. Ribisch |
Friseure und Raseure |
Taschlmeyer, L. |
Schweizertalstraße 10 |
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Friseure und Raseure |
Zehndorfer, R. |
Auhofstraße 155 |
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Parksanatorium Hietzing |
Dr. Freiler & Co |
Vinzenz-Heß-Gasse 29 |
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Sanatorium Himmelhof |
Mautner |
Himmelhofgasse 35 |
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Seifen, Kerzen |
Strobel, Marie |
Hietzinger Hauptstraße 106 |
Das Bestreben des Menschen, dem Kranken die Gesundheit wiederzugeben, reicht wohl weit in seine Geschichte zurück. Angewendet wurden Magie, Gebet, Zuwendung, Ruhe und Diät und schließlich auch chirurgische und medikamentöse Maßnahmen.
Die magische Komponente war in den Anfängen, z. B. bei den Priesterärzten der Pharaonen, stark und ist bis heute nicht ganz überwunden. Demgegenüber stieg das Wissen um nützliche Behandlungsformen und wurde in unterschiedlichster Weise weitergegeben, manchmal auch wieder vergessen. Einer dieser Rückschritte passierte in unserem Raum, als mit dem Untergang des Römischen Reiches und der Völkerwanderung die Medizin fast gänzlich verschwand. Sie wurde durch Geheimwissenschaften, Astrologie und Aberglauben ersetzt.
Im Früh- und Hochmittelalter lagen Überlieferung und Ausübung des medizinischen Wissens – wie so vieler anderer Fertigkeiten auch – fest in Klosterhand; die Basis war antikes Wissen. Ab 1215 wurde den Klerikern jedoch die Befassung mit der operativen Medizin durch das zweite Lateranische Konzil verboten. Damit verblieb den Klöstern die Krankenpflege unter Verwendung von heilenden Kräutern und Tinkturen, die chirurgische Behandlung wanderte in die Hand von Laien.
Dem damals niedrigen medizinischen Kenntnisstand entsprechend, standen handwerkliche Fähigkeiten und praktische Erfahrungen im Vordergrund. Wundschmerz, Infektion und Eiterung waren selbstverständliche Folgeerscheinungen und der Tod des Patienten selbst bei kleinen chirurgischen Eingriffen das häufige Resultat.
Ab dem 13. Jahrhundert gab es Chirurgenschulen, zuerst in Frankreich, später auch in anderen europäischen Ländern. An den Universitäten wurden Doktoren der Medizin ausgebildet.
Für die breite Bevölkerung, vor allem auf dem Lande, hatte das aber keine Bedeutung. Für sie waren die Bader zuständig, die sich über ihre ursprüngliche Betreuung der Badstuben hinaus auch der chirurgischen Betreuung der Menschen annahmen. Im Laufe der Zeit entstand eine große Kluft zwischen den universitär ausgebildeten Doktoren der Medizin, die fast nur über theoretisches Wissen verfügten, und den die niedere Chirurgie ausübenden Badern (später auch Wundärzten und Chirurgen), die fast ausschließlich handwerkliche Berufserfahrung hatten.
Auch Schullehrer, alte Frauen, Juden, Schäfer, Scharfrichter, Abdecker und umherziehende Quacksalber nahmen sich des Geschäftes des „Kurierens“ an. Die bescheidenen Kenntnisse aller Gruppen ließen dem Aberglauben breiten Raum, und viele Kranke vertrauten sich den überall auftauchenden Scharlatanen an. Behördlich war nichts geregelt, erlassene Verordnungen waren dem Katastrophenfall und Epidemien gewidmet. Ausweglose Situationen waren als Strafe Gottes zu interpretieren.
Natürlich entbrannte, wie in allen Bereichen mit beginnender Strukturierung, ein Kampf zwischen autorisierten und nicht autorisierten Gruppen. Behörden, medizinische Fakultäten, Apotheken etc. traten mit unterschiedlichsten Motivationen und Koalitionen gegen Krankenheiler, Quacksalber und Kurpfuscher auf. Deren gute Verankerung in der Bevölkerung, Uneinigkeit, Missgunst und Querelen sowie mannigfache wirtschaftliche Beziehungen ließen es zu einem langen Kampf werden.
Zurück zu den Badstuben: In Niederösterreich sind sie ab dem späten 13. Jahrhundert nachweisbar. Die Bader, oft Meister betitelt, betrieben neben dem eigentlichen Badegeschäft („Schrubben und Zwagen“) die sogenannte niedere Chirurgie. Sie rasierten und schnitten die Haare, scherten den Bart, schröpften, ließen zur Ader, setzten Blutegel, rissen Zähne und halfen Kranken nach den Gepflogenheiten überlieferter Volksheilkunde. Früher blieben die Badstuben im Eigentum der geistigen oder weltlichen Grundherren, und die Bader mussten Pacht zahlen. Später wurden die Bader gegen Zahlung eines Kaufpreises mit der Badstube belehnt, waren damit Eigentümer und hatten die üblichen Abgaben des Belehnten zu leisten. Allmählich legten sich über die Badstuben die bekannten Gewerbestrukturen, sie konnten sich zu Zünften zusammenschließen, erreichten eine höhere soziale Stellung, und Bader konnte nur werden, wer auch eine Badstube besaß. Die damit einhergehenden Zunftordnungen führten sukzessive zu einer Vereinheitlichung der Ausbildung.
Von großer Bedeutung für das Gesundheitswesen Niederösterreichs war die Intervention der Niederösterreichischen Landstände im Jahr 1577. Sie führte 1584 zu den sogenannten „Viertelärzten“. Ein Viertelarzt, z. B. der des „Viertels unter dem Wienerwald“, hatte die Aufsicht über die dort praktizierenden „Medizi“ (Doktoren der Medizin), Bader bzw. Wundärzte, Hebammen und Apotheker. Auch über die Einhaltung der Seuchenverordnungen und aller anderen Sanitätsmaßnahmen einschließlich aller tierärztlichen Belange (die ebenfalls in das Aufgabengebiet der Bader und Wundärzte fielen) wachte der Viertelarzt. Ebenso waren die Trinkwasserversorgung und die Beseitigung von Abwässern, Unrat und Abfällen bei Schlachtungen Gegenstand von Maßnahmen.
Aus rein medizinischer Sicht konnten im 16. Jahrhundert durch Experimente und Beobachtungen bemerkenswerte Erkenntnisse gewonnen werden; der Paracelsus genannte Arzt ist dafür wohl das bekannteste Beispiel.
Zu einer wirksamen medizinischen Versorgung führte das allerdings noch lange nicht. Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts lag fast die gesamte medizinische Versorgung der niederösterreichischen Bevölkerung in den Händen der Bader. Nur innere Krankheiten durften sie nicht behandeln; dafür waren die wenigen Doktoren der Medizin zuständig. Wie viele andere Bereiche hinkte damit auch der Standard des Medizinalwesens in der Habsburgermonarchie Ländern wie Frankreich, England und Italien hinterher. Es fehlte an Ärzten aller Kategorien und an Ausbildungsmöglichkeiten.
Wieder einmal war es Maria Theresia, die Reformen durchsetzte, auf diesem Gebiet mithilfe ihres Leibarztes Gerard van Swieten. Während ihrer Regentschaft wurde durch Maßnahmen und Bestimmungen (Stichwort „Sanitätshauptnormativ“) in alle sanitätsrelevanten Bereiche eingegriffen. Strukturen und Vorgangsweisen in der Vorsorge, bei Seuchen und normalen Todesfällen wurden verändert und alle Aspekte von der Ausbildung über Zulassung, Zuständigkeit, Handelsberechtigung, Entlohnung, Verhaltensnormen, Militärbefreiung bis zur Lebensweise der Medici, Chirurgen, Wundärzte, Bader, Barbiere, Hebammen und Apotheker neu definiert. Josef II und im 19. Jahrhundert Franz Josef I (Stichwort „Reichssanitätsgesetz“) führten die Reformen weiter. Das Tempo war ob der gravierenden politischen Veränderungen bis hin zur niedergeschlagenen Revolution und der Auflösung der Grundherrschaften natürlich sehr schwankend.
Die unter Maria Theresia zu einem Gremium zusammengefassten Wundärzte, Barbiere und Bader führten einen Rückzugskampf; allmählich bildeten sich die Gemeindeärzte heraus, die für alle medizinischen, hygienischen und sanitätspolizeilichen Belange zuständig waren und in weiterer Folge den Doktorgrad einer Universität haben mussten. Wundarztdiplome durften nur mehr bis 1875 ausgestellt werden, Inhaber von Wundarztdiplomen konnten aber durch ein zusätzliches Studium den Doktorgrad erwerben. Die verbliebenen Wundärzte durften sich „praktische Ärzte“ nennen und wirkten bis ins erste Viertel des 20. Jahrhunderts. Der mühsame Weg der Ärzte zu einer eigenen Standesvertretung endete 1891 mit dem Gesetz zur Errichtung der Ärztekammern. Das Verhältnis von Ärzten und Krankenkassen und der Kampf für eine standesgemäße Besoldung insbesondere in den Landgemeinden war von Beginn an ein wesentliches Aufgabengebiet.
Für das alte St. Veit dokumentieren die Grundbücher schon im späten Mittelalter eine Badstube:
1420 wurden „im Wynnkchel“ (heutige Vitusgasse) 10 Häuser mit „ain padstubn“ gezählt, auf die Badstube war ein Merht von Egenburg „in Gewer geschrieben“.
1537 kauften Ludwig und Anna Weichsel die Badstube im Winkl um 150 Pfund Pfennige. Vorbesitzer waren „Pader“ Rudolf Hamperl und Anna. Diese hatten das Türkenjahr 1529 offensichtlich nicht überlebt.
1551 übernahmen Meister Paul Strobl und Barbara Weichsl, die er heiratete, die Badstube im Winckl von Ludwig und Anna Weichsl (die Schreibweisen der Namen und Ortsbezeichnungen variieren beträchtlich).
Offensichtlich war das Haus im „Winkl“ für lange Zeit die traditionelle Badstube des Dorfes und kann in den Grundbüchern bis ins 18. Jahrhundert verfolgt werden. Als genauere Adresse wird die CNr. 22 (Vitusgasse 7) genannt. 1780 betreibt der „Chyrurg“ Eugen Schmid mit einem Gesellen diese Badstube. Er könnte derjenige gewesen sein, dem Vinzenz Jerabek mit seiner Geschichte über den Bader Schmidt ein Denkmal gesetzt hat (es könnte aber auch der spätere Wundarzt Benedickt Schmidt auf CNr. 61 gewesen sein, siehe weiter unten). Möglicherweise war Eugen Schmid der letzte Bader St. Veits, denn die Grundbücher des 19. Jahrhunderts und das Protokoll zum Franziszeischen Katasterplan kennen diese Berufsart nicht mehr.
Das Protokoll zum Franziszeischen Katasterplan und das Dienstbuch B Häuserbuch 1845–1880 dokumentieren allerdings einen zweiten, vermutlich auf das 18. Jahrhundert zurückgehenden Standort medizinischer Versorgung in Ober St. Veit: das Haus Konskriptionsnummer 61, heute Hietzinger Hauptstraße 146. Im Häuserbuch war es bis 1880 als „ein Haus samt darauf radiziertem chirurgischem Gewerbe und dazugehörigem Garten“ eingetragen. 1820 wohnte und arbeitete in diesem, ihm gehörenden Haus der Wundarzt Benedickt Schmidt. Um die gleiche Zeit könnte er einen Konkurrenten bekommen haben, denn der Wundarzt Lorenz Linner aus Wien erwarb eine Baustelle im Ort (möglicherweise aber nur zu Wohnzwecken).
Benedickt Schmidt lebte lange im Haus CNr. 61, erst 1857 beerbte ihn seine Witwe Anna Schmidt. 1862 verkaufte sie die Liegenschaft an die Bauernfamilie Leopold und Theresia Döltl. Das radizierte chirurgische Gewerbe erlosch und wurde in das neue Grundbuch nicht mehr aufgenommen.
Neuer, oft genannter Gemeindearzt wurde der 1827 in Böhmen geborene Mag. Franz Kopetzky auf CNr. 78 (heute Glasauergasse 10). In der Volkszählung 1880 steht „Magister der Chirurgie, Geburtshilfe, prakt. Arzt“ als Berufsbezeichnung eingetragen. Außerdem dokumentiert diese Volkszählung auch vier geprüfte Hebammen in Ober St. Veit (siehe Tabelle oben).
Mit der zunehmenden Bevölkerung verbreiterte sich bald auch die ärztliche Versorgung. 1936 gab es mehrere, teilweise schon spezialisierte Ärzte.