Die Geschichte (Ober) St. Veits
Eine Zusammenfassung
Wer in die Vergangenheit St. Veits blickt, erkennt bald ein ausgesprochen wechselhaftes Schicksal. Als eine der ältesten Ansiedlungen der Region weit vor den schützenden Mauern Wiens gelegen, war es allen kriegerischen Einfällen und gegen die Hauptstadt anstürmenden Heerscharen schutzlos ausgeliefert. Seuchen und Naturkatastrophen taten ihr Übriges, sodass der Ort wiederholt in Trümmer gelegt, seine Einwohner dezimiert und er in seiner Entwicklung weit zurückgeworfen wurde. Vorteile aus der Nähe zu Wien und aus dem Sommersitz der Habsburger in Schönbrunn, die schöne Lage des Ortes, der nahe Wienflusses und nicht zuletzt die über Jahrhunderte währende prominente Grundherrschaft begünstigen den mehrmaligen Wiederaufbau.
Als erster schriftlicher Nachweis der Besiedelung Hietzinger Bodens gilt eine Schenkungsurkunde aus den Jahren 1014/15, die „Godtinesfeld-Urkunde“. Die Ebene zwischen den Ortszentren von Hietzing und Ober St. Veit, das spätere „Veitinger Feld“ wird zumindest als wesentlicher Teil dieser Schenkung betrachtet. Hauptsächliches Indiz für diese Annahme ist die Mühle im Gottesfeld, die spätere Feldmühle, an die heute noch die Feldmühlgasse erinnert.
Auf den Hügeln am westlichen Rande des Veitinger Feldes wurde eine Feste gebaut und eine dem Heiligen Veit (wegen der damals in den Urkunden vorherrschenden lateinischen Sprache auch "Sancto Vito") geweihte Kirche. Wegen der Sicherheit dieses Platzes gegenüber den Überschwemmungen des Wienflusses und anderen Gefahren dürften dort auch der Ort entstanden sein. Er bekam den Namen des Schutzheiligen und bald wurden lokale Begebenheiten nur mehr damit in Zusammenhang gebracht.
Das tatsächliche Alter St. Veits ist allerdings nicht bestimmbar. Der erste bekannte schriftliche Hinweis auf den Ort St. Veit an der Wien ist die Folge eines im Jahr 1195 beendeten Rechtsstreites um einen Weingarten in Baumgarten. Zwei der in der Niederschrift angeführten Zeugen ("Albertus et Ernst de Sancto Vito") stammten aus Sankt Veit. Der Bezug auf das richtige St. Veit wird durch die benachbarte Herkunft anderer Beteiligter bestätigt. Ab dem 13. Jahrhundert werden Urkunden mit Hinweisen auf St. Veit häufiger. Ab dem 14. Jahrhundert geben sie auch Hinweise auf Flurnamen, die sich bis heute – teilweise in Straßenbezeichnungen – erhalten haben: Zum Beispiel am "stockigen Weg" oder in den "Linsäckern" oder eben das ausgedehnte "Veitingerfeld".
Als Besitzer der Feste und Herrschaft St. Veit wurden ab 1315 die Herren von Topel genannt und von diesen erwarb Herzog Rudolf IV., der Stifter, 1361 Schloss und Herrschaft um sie 1365 der Domprobstei zu St. Stephan als Stiftungsausstattung zu übertragen. In seine Zeit fällt – neuesten Erkenntnissen zufolge – die Erweiterung der Kirche um Krypta und Altarraum. Von den heute noch bestehenden Bauteilen reicht nur der untere Teil des Kirchturmes als ehemaliger, möglicherweise gleichzeitig mit der ältesten romanischen Kirche erbauter Wehrturm noch weiter zurück.
1433 gab Domprobst Wilhelm Tuers der Kirche vor allem durch Versetzen der Seitenwände ein wesentlich größeres Haupthaus. Davon berichtet noch heute die an der Außenwand angebrachte, rote Marmortafel. Ein Stich von G.M. Vischer aus dem Jahre 1672 zeigt diese spätgotische, noch wehrhaft angelegte Landkirche.
1468 wurde aus der Domprobstei St. Stephan das Bistum Wien. Die Bischöfe und ab 1722 die Erzbischöfe behielten bis 1985 (!) das seit den Herren von Topel bestehende Patronat. Im Rahmen dieses Patronates stand dem Vorschlagsrecht zur Besetzung der Pfarrerstellen die Pflicht zur baulichen Erhaltung der Kirche gegenüber. Dem verdankt wohl Ober St. Veit seine prächtige Kirche.
Doch bis dahin erlebte der Ort wechselhafte und oft sehr schlimme Zeiten. Dazu gehörten die Plünderungen der Söldnerheere des Königs Matthias von Ungarn bald nach 1480, vor allem aber die Türkenzüge 1529 und 1683. Völlig ungeschützt weit außerhalb der Stadtmauern waren Blutzoll und Zerstörungen für Menschen und Gebäude Ober St. Veits unermesslich. Durch Zuwanderung gestärkt erholte sich der Ort immer wieder, die Schäden an der Kirche dürften allerdings bis zu ihrem Neubau 1742 immer nur notdürftig behoben worden sein. 1742 wurde der gotische Altbau abgerissen (bis auf Unterkirche, Altarraum und unterer Turmhälfte) und durch Erzbischof Sigismund Graf Kollonitsch die heute noch bestehende barocke Kirche errichtet. Matthias Franz Gerl war der Baumeister.
Haupterwerbszweige der St. Veiter waren von Anfang an der Ackerbau, die Milchwirtschaft und in besonderem Maße der Weinbau. Den intensiven Weinbau für die gesamte Klippenzone des Wienerwaldes bestätigt unter anderem die Wienkarte von Georg Matthäus Vischer aus dem Jahr 1670. Als nennenswerter Exporteur landwirtschaftlicher Produkte ist St. Veit an der Wien allerdings – mit Ausnahme der später besonders florierenden Milchproduktion – niemals aufgefallen. Ein Teil der Weingärten, der Äcker und des Waldes war schon in frühesten Zeiten in auswärtigem Besitz, Eigentümer waren die Kartause Mauerbach, Wiener Spitäler, Kirchen, Bürger etc. Für die lokale Wirtschaft förderlich erwiesen sich die Wiener Bischöfe, die nicht nur die Grundherren waren und Kirche und Schloss erhielten, sondern das St. Veiter Schloss auch zu ihrem Sommersitz erkoren hatten.
Im 19. Jahrhundert verschaffte die steigende Milchnachfrage aus Wien der lokalen Milchwirtschaft einen Höhenflug, der vor allem zulasten des mit Qualitätsproblemen kämpfenden Weinbaus (siehe auch unter "Weinseliges Ober St. Veit") ging, bis dieser wegen anhaltender Trockenheit und des Befalls mit der Reblaus endgültig zusammenbrach. Die malerische Landschaft, die gute Luft und die nachziehende Gastronomie lockten mithilfe der im selben Jahrhundert verbesserten Verkehrsverbindungen zahlreiche Sommergäste und Ausflügler nach Ober St. Veit, und die freien Flächen wurden – wie Jahrzehnte zuvor in Hietzing – zunehmend mit Villen und Landhäusern verbaut.
Dadurch grenzte sich Ober St. Veit, wie es zu diesem Zeitpunkt schon hieß, von dem Ortsteil ab, der Ende des 18. Jahrhunderts nahe der Feldmühle entstand. Zunächst hieß er "Neudörfl", später Unter St. Veit. In ihm, aber auch den Wienfluss aufwärts in die nördlich der Auhofstraße gelegenen Teile Ober St. Veits, siedelten sich vorwiegend Handwerker und Industriebetriebe an. Sie zogen ein Heer von Zuwanderern an, die als arme, in kleinen Mietwohnungen lebende Arbeiterschicht einen deutlichen Kontrast zu den vornehmen Villengegenden schufen.
1867, wirksam erst ab 1870, kam es zur Trennung der beiden Ortsteile, um schon 22 Jahre später mit der Gründung des 13. Wiener Gemeindebezirkes in diesem wieder zusammengeführt zu werden (Gesetz vom 19. Dezember 1890, in Kraft getreten mit 1. Jänner 1892).
Die Reste der landwirtschaftlichen Tätigkeit hielten sich bis in die jüngste Vergangenheit, der überwiegende Teil der weitläufigen Grünflächen mit seinen zahlreichen Aussichtspunkten ist aber zunehmend der regen Bautätigkeit und auch der Verwaldung zum Opfer gefallen. Trotzdem machen die verbliebenen Grünflächen und der historische Dorfkern frühere Beschreibungen wie die folgende aus der Biedermeierzeit nachvollziehbar: "Ober St. Veit hat offenbar von allen Dörfern um Schönbrunn die schönste Lage und ist ein stattliches Dorf von 141 Häusern, 1600 Einwohnern, meistens Weinbauern und Milchmeier (der Ort hat bei 150 Kühe)". (Adolf A. Schmidl: Umgebungen Wiens, 1835–1839).