Eduard Diem

Großer Festsaal des Amtshauses Hietzing
Begrüßung: BV Mag. Silke Kobald
Eröffnungsrede: Dr. Waltraud Schwarzhappel
Laudatio per Video: Prof. Gerhard Habarta
Am Klavier: Inge Prause

Eduard Diem ist kein Mensch für allerhöchste Ehrungen. Dafür ist er bei weitem zu bescheiden. Angesichts seiner zurückhaltenden Lebensart muss man es sogar für ausgeschlossen halten, dass er von seiner Kunst leben konnte, noch dazu als moderner Künstler mit surrealen, also realitätsfernen Bildern und Plastiken. In diesem Metier verkauft sich doch eher die Prominenz des Künstlers und weniger sein Produkt: Wer ist schon imstande, in der abstrakten oder phantastischen Kunst Gutes von Schlechtem zu unterscheiden. Und die Kommentare der Experten, die moderne Kunst zu vermitteln trachten, erschließen sich auch nur wenigen. Dem fachlich Unkundigen beweist man die Kunstfertigkeit am Besten durch perfekte gegenständliche Darstellungen, nach wie vor. Und wenn der Künstler das bewiesen hat, meist in seinen frühen Jahren wie Pablo Picasso oder William Turner, dann darf er abstrahieren, manipulieren, überformen, ja sogar Tabus brechen, so viel er will, wir sind begeistert. Ich zumindest.

Nun, Eduard Diem hat sich, wie fast alle jungen Künstler der Nachkriegszeit, und das sehr zum Ärger mancher Kunstwächter, nie für Gegenständliches interessiert, das „Gestalten war ihm immer wichtiger als das Nachmachen“. Trotzdem: Er konnte davon mit seiner fünfköpfigen Familie leben, ab den frühen 1980er-Jahren sogar hauptberuflich und komfortabel. Allerdings war sein Schaffensdrang stets höher als sein Verkaufstalent, und er verfügte schon immer und jetzt besonders über ein großes Kunstlager. Wer dieses Lager durchschreitet, wird erstaunt sein über die Diversität der künstlerischen Ansätze des Meisters in seinen Zeichnungen, Bildern, Collagen, Plastiken und sonstigen Objekten. Das Eine wird ihm gefallen, das Andere nicht. Doch vieles vermittelt hohe Kunstfertigkeit und eine gutes Auge für besondere Momente, typische Bewegungen und „Hidden Faces“. Ein zweiter Blick ist also angeraten, oft aber gar nicht notwendig, etwa beim Betrachten seiner kubistisch veränderten Menschen- und Tierplastiken. Die Darstellung der typischen Haltung oder Bewegung mithilfe ungelenker Kuben beeindruckt sofort.

Eduard Diem empfing die heutige Ehrung freudig und gut gelaunt; doch vielleicht machte er bloß gute Mine zum Unabwendbaren. Der 90. Geburtstag ist kaum zu übergehen. Am nächsten Tage noch spürte er wahrscheinlich die Hände, die innig ergriffen nach seiner Schulter griffen. Hätte man sich Fritz Wotruba oder Alfred Hrdlicka, wenn sie 90 Jahre alt geworden wären, ähnlich vertraut, ja fast respektlos genähert? Eine wirkliche Nähe auf künstlerischer und freundschaftlicher Ebene hat Eduard Diem vor allem zum Autor, Galeristen und Verleger Gerhard Habarta und zum Musiker, Ausstellungskurator, Publizisten und „Kunstmultiplikator“ (Herausgeber der BravDa) Professor Gotthard Fellerer. Beides sind „Urgesteine“ der österreichischen Kunstszene und beide setzten sich fast die ganze Zweite Republik hindurch intensiv mit Kunst und deren Grenzgebieten auseinander. Diesmal war Professor Habarta als Laudator an der Reihe, aus Altersgründen konnte dies jedoch nur per Videobotschaft geschehen. Professor Fellerers Würdigung aus gleichem Anlass kann hier nachgelesen werden.

Und am Ende war dann wieder Eduard Diems Zurückhaltung zu verspüren: Nein er lasse lieber seine Werke sprechen. Wer ihn kennt, der weiß, dass er sehr wohl kurzweilig über sich uns seine Erlebnisse sprechen kann, und wird gespannt zuhören. Es gibt nur mehr wenige Zeitzeugen, die aus eigenem Erleben so weit in den Wiener Kunstbetrieb zurückblicken können, in eine Zeit, als die Gründer der Wiener Schule des Phantastischen Realismus meist noch knapp bei Kasse waren und sich die angehenden Künstler und Schauspieler zu einem Grießkoch bei der WÖK trafen. Eduard Diem organisierte auch Ausstellungen zu Henry Moore, Pablo Picasso oder Salvador Dali, als diese noch lebten. Er kann auch Anekdoten erzählen, wie diese: „Einmal, als wir die Galerie in der Blutgasse gerade schließen wollten, kam noch der Charly Blecha, trat auf eine leere Bierdose, und wir kickten ein bisschen. Auf dem Balkon über dem Durchgang zur Grünangergasse erschien eine Gestalt in hellem Nachthemd oder Bademantel und brüllte: 'Rotzbuben, elendige, schauts dass verschwindts!' Der Geist war Fritz Wotruba.“

Zum Abschluss eine Bemerkung am Rande: Heutige Ehrungen erfordern die penible Prüfung auf „Belastungen“ spezieller Art. Schon der bloße, oft nur konstruierte Anschein einer Belastung selbst in der Zeit der Unmündigkeit führt zur Aberkennung jeglicher Ehrungswürdigkeit. Nun, Eduard Diem ist schon wegen seiner Prägung aus frühester Kinderzeit und seiner scharfen Beobachtungsgabe unanfällig für autoritäres Gehabe und bindet sich nur selten an Organisationen und Einrichtungen jeder Art, auch im Kunstbetrieb. Selbst Fotos der zahlreichen Zusammenkünfte mit prominenten Perönlichkeiten wollte er nie verwenden und besitzt kaum welche. Zusammen mit seiner eingangs dieses Beitrages genannten Bescheidenheit erklärt dies aber auch seinen geringen Bekanntheitsgrad im breiten Publikum, obwohl sich kaum ein zeitgenössischer Künstler so intensiv mit der klassischen Moderne und ihrem Spannungsfeld zwischen der abstrakten, ungegenständlichen Form und einer überscharfen Erfassung der Realität befasste und nach wie vor befasst, so wie er.