Die privaten Wiesenflächen in Ober St. Veit
Offener Brief von Dipl.-Ing. agr. Werner Pevetz
25.03.2015
Der Ortsteil Ober St. Veit besitzt (abgesehen vom Lainzer Tiergarten) die ausgedehntesten Grünland- bzw. Wiesenflächen des Bezirks Hietzing, die wesentlich zur hohen Lebensqualität dieses Bezirksteils beitragen . Sämtliche Wiesen Ober St. Veits sind Teil des Wald- und Wiesengürtels, überdies Landschaftsschutzgebiet und somit (wenigstens vorläufig!) vor weiterer Verbauung geschützt, auch wenn die fortschreitende Umwandlung früherer Schrebergartenhütten in oft pompöse Hauptwohnsitze optisch leider einen anderen Eindruck vermittelt.
Die Ober St. Veiter Wiesenflächen befinden sich überwiegend (zu etwa zwei Dritteln) in Privatbesitz der Besitzergemeinschaft Wimpissinger, die hier über rund 16 ha Fläche verfügt, verteilt auf den Roten Berg, die Matraswiesen und sie sog. „Schinaweis“ gegen den Lainzer Tiergarten zu. Diese Wimpissinger-Besitzungen gelten als Landwirtschaftlicher Betrieb, wir bezahlen Kammerumlage und die für landwirtschaftliche Flächen verminderte Grundsteuer. Es handelt sich hiebei um den einzigen(!) privaten „Grünlandbetrieb“ auf Wiener Boden; auf die sich daraus ergebenden Nachteile und Probleme für die Eigentümer komme ich später zurück.
Bis 1963 wurden alle Flächen von der Familie Wimpissinger selbst bewirtschaftet, worüber im „Ober St. Veiter Blatt’l“ bereits berichtet worden ist. Am Roten Berg fand damals auch ein Anbau von Erdäpfeln, Rüben und Futtergerste statt, welch letztere stark unter der Spatzenplage zu leiden hatte – damals gab es ja noch Spatzen in Menge. In der Folge wurden die Flächen an das Kloster St. Josef verpachtet, das in den 1960er-Jahren noch eine eigene Landwirtschaft betrieb. Später pachtete ein Bauer aus der Gegend hinter dem Riederberg unsere Flächen; ihm folgte ein Wienerwaldbauer, der unser Heu u.a. nach Tschechien verkaufte. Vorübergehend versuchte man die Flächen sogar mit Schafen zu pflegen, was sich jedoch gar nicht bewährte, da die zahlreichen Hunde die Schafe in Panik versetzten; auch unser Garten wurde damals von geflüchteten Schafen heimgesucht und ratzekahl gefressen, wobei „zum Dank“ im hintersten Winkel ein Lamperl das Licht der Welt erblickte. Heute werden die gesamten Flächen von einem großen, technisch schlagkräftigen Landauffangbetrieb aus Laab im Walde gepachtet, wobei die Pachtleistung im westlichen aus der einmaligen Mahd besteht, damit das Grünland nicht verwildert (was ja Kritik seitens der Öffentlichkeit auslösen würde!), also der Familie höchstens einen ideellen Vorteil bringt. Der Pächter hält Milchvieh, Fleischrinder und Pferde und verkauft wohl auch Heu im Rahmen der „Heubörse Wienerwald“; er kann daher auch minderwertiges Futter verwerten, das für Milchvieh unbrauchbar wäre. Da die Mahd erst nach Mitte Juni erfolgt, erhält der Pächter außerdem die ÖPUL-Prämie für spätes Mähen, wodurch die Pacht für ihn wirtschaftlich interessanter wird. Unabhängig davon erfolgt seit einigen Jahren die Verpachtung eines Flächenteils als Selbsterntefläche, der einzige geringfügige finanzielle Ertrag der Besitzerfamilie aus der gesamten Grünlandfläche, die ja durchwegs mit einem absoluten Bauverbot belegt ist und von der Bevölkerung samt den dazugehörigen Hunden mit Selbstverständlichkeit als öffentlicher Erholungsraum in Anspruch genommen wird. (Eine informelle Umfrage ergab, dass die meisten Wiesenbenützer meinten, es handele sich sowieso um Gemeindegrund.)
Diese unentgeltliche, von den Besitzern praktisch nicht zu verhindernde Erholungsnutzung (obwohl es sich rechtlich um eine ständige Besitzstörung handelt) hat für die Eigentümer zahlreiche Nachteile und Belastungen zur Folge. Bereits vor Jahrzehnten interessierte sich der damalige Direktor des Tiergartens Schönbrunn für eine Pacht als Futtergrundlage für seinen heufressenden Wildtierbestand; als er jedoch mehrere Hunde (damals wesentlich weniger als heute) auf der Wiese erblickte, musste er verzichten, mit dem Argument, das von Hunden beschmutzte Futter fräßen seine Wildtiere nicht… Der massenhafte Auftrieb von Hunden und deren Exkremente haben inzwischen am Roten Berg zu einer deutlichen Verschlechterung und Monotonisierung des Pflanzenbestandes geführt; insbesondere hat sich der Gemeine Beifuß (Arthemisia vulgaris), eine als Futter minderwertige Pflanze, stark ausgebreitet. Von der vielfältigen Wiesenblumenpracht, die noch in den 1960er-Jahren am Roten Berg zu bewundern war, ist inzwischen nur der Wiesenstorchschnabel übrig geblieben. Das schwarze „Sackerl für das Gackerl“ erweist sich für uns keineswegs als günstige Lösung, da die Sackerln nicht entsprechend entsorgt werden und nun überall in der Wiese herumliegen! Überdies finden Festivitäten wie das Neujahrs-, Oster- und Sonnwendfeuer, Raketen abfeuern, Saufgelage unter Hinterlassung zahlloser Blechdosen usw. regelmäßig auf unserer Wiesenfläche statt, wobei der dabei entstehende Abfall nur teilweise von den Festteilnehmern (Verursachern) oder der Gemeinde entsorgt wird, während die Nachlese den Besitzern überlassen bleibt. Weitere Schäden ergeben sich durch verschiedene Brandstellen sowie das Zertrampeln der Wiese, zumal bei feuchtem Wetter. Hier wird demnach privater Grund und Boden von hohem, die Stadtlandschaft prägendem Wert durch die Öffentlichkeit praktisch entschädigungslos, ja sogar auf Kosten der Eigentümer, im materiellen Sinne enteignet. Außerdem – und dies trifft auch die allgemeine Öffentlichkeit – wird dadurch die ökologische Wertigkeit der betroffenen Flächen ständig verschlechtert. Somit möchte dieser Beitrag auf ein weder von der Allgemeinheit noch von der Bezirksverwaltung entsprechend wahrgenommenes Problem aufmerksam machen.