Muss Ober St. Veit hässlich werden?
Gedanken zur Entwicklung in unserem historischen Ortskern
14.12.2014
Die Menschen fühlen sich wohl in Ober St. Veit, dem „Dorf in der Stadt". Das liegt nicht zuletzt an der historischen Bausubstanz des Ortskernes. Freilich, eine bäuerliche Ansiedlung, wie sie das Wort „Dorf" eigentlich meint, ist Ober St. Veit längst nicht mehr. Die ursprünglich frei stehenden Bauernhäuser mit ihren zur Gasse weisenden Giebelseiten und den abgewalmten Satteldächern sind bis auf wenige Ausnahmen längst verschwunden oder total überformt. Doch viele der an ihre Stelle getretenen Wohn- und Geschäftshäuser fügen sich harmonisch in das gewachsene Ensemble. Der Schaden durch die Gründerzeitkolosse und durch den neuzeitlichen Verdichtungsdruck blieb dank des gesetzlich verankerten Schutzgedankens und des verantwortungsvollen Handelns einzelner Hauseigentümer soweit beschränkt, dass sich Ober St. Veit immer noch mit anderen historischen Ortskernen messen kann.
Doch die „Einschläge" werden immer dichter. Jüngste Beispiele sind das abbruchbedrohte Haus Schweizertalstraße 16 und das längst abgebrochene Haus Firmiangasse 43, beide in Schutzzonen gelegen. Das erste Haus ist ein Beispiel für den zu vermutenden Missbrauch der „technischen Abbruchreife". Das Engagement der Bezirksvertretung gibt hier Hoffnung auf den Erhalt. Das zweite Haus mag (nach langjähriger Vernachlässigung) abbruchreif gewesen sein, doch der entstehende Neubau ist ein Paradebeispiel für die Wirkungslosigkeit sogar einer „Bestandswidmung" in der Schutzzone. Was hier entsteht, hat mit dem Vorgängerbau – von der niederen Traufenhöhe abgesehen – nichts mehr zu tun und zeigt, wie moderne Nutzenmaximierung den Ensembleschutz ad absurdum führen kann, selbst bei Einbindung der MA 19 (Stadtgestaltung). Darüber hinaus führt der Verfasser dieser Zeilen die Unförmigkeit des Neubaus auf eine nicht widmungskonforme Bauweise zurück. Diesbezügliche Hinweise an den Bezirk, der hier sogar in die Bauverhandlung eingebunden war, führen seit über zwei Jahren zu keiner Klärung dieser Vermutung.
Jede Rettung eines Hauses durch bedachte Renovierung ist vorläufig, jeder Abbruch endgültig. Gemeinsam mit dem ständig zunehmenden Siedlungsdruck ergibt das langfristig schlechte Karten für alte Häuser in lockerer Verbauung. Angesichts der Hässlichkeit heutiger Zweckbauten ist deren Eindämmung durch Schutz des Bestehenden einleuchtend und notwendig, doch langfristig ist das unzureichend und verordneter Stillstand unnatürlich. Insofern ist es auch unzureichend, wenn die Wiener Bauordnung im Schutzzonen-Paragrafen 7 von erhaltungswürdigen Gebieten spricht, aber eine eventuelle Weiterentwicklung nicht regelt. Allerdings wird die sehr wohl festgehaltene Forderung nach umfassender Katalogisierung des Wesentlichen einer Schutzzone praktisch nicht exekutiert, statt dessen werden die solcherart sehr vagen Schutzzonen laufend erweitert. Darüber hinaus ist es keinesfalls nur die Bausubstanz, die eine attraktive Atmosphäre in den Gassen schafft, sondern auch die Nutzungsform der Gebäude, deren Zugänglichkeit, der ruhende und fließende Verkehr und vieles andere auch.
Optimaler Schutz unseres „Dorfes in der Stadt" könnte demnach nur aus der Anwendung eines verbesserten Schutzzonengedankens erhofft werden: Das ganze historische Ortszentrum muss aufgenommen und bis ins Detail festgelegt werden, was erhalten werden kann (letztendlich auch finanziell) und soll, wie moderne Bauphysik einfließen kann (Stichwort Wärmedämmung) und welche Veränderungen den Ort begünstigen. Jawohl, Ober St. Veit ist in der Bebauung sehr uneinheitlich, und so manches könnte angepasst werden. Statt der unnatürlichen Dachform des Neubaus Firmiangasse 43 hätte ein Stockhaus mit ähnlicher Fassadengestaltung wie die Nummer 47 das Ensemble weniger gestört, sondern aufgewertet, vor allem bei Einrichtung von Geschäftslokalen. Eine diesbezügliche Widmung hätte der ganzen Häuserzeile eine bessere Perspektive gegeben als die gegenwärtige.