Das Erzbischöfliche Schloss Ober St. Veit
Beschreibung in Gerhard Weissenbachers "In Hietzing gebaut" mit Fotos von hojos
Baugeschichte
Die Vorgängerbauten des Erzbischöflichen Schlosses gehen bis in das 12. Jahrhundert zurück. Die Grundzüge der heutigen Anlage stammen aus den Jahren 1650–54, als Bischof Philipp Friedrich Graf Breuner das Schloss neu aufbaute und um drei Trakte erweiterte.
Der Beginn der Renovierungs- und Adaptierungsarbeiten, welche Sigismund Graf Kollonitsch durchführen ließ, ist aufgrund der Stilkritik, die Wandmalereien im zweiten Obergeschoß betreffend, bereits um 1725 anzusetzen und nicht, wie in der Literatur meist angegeben, im Jahr 1742. Sie dauerten möglicherweise bis 1745 und bestanden u. a. in der bis heute erhaltenen Fassadengestaltung; in diesem Jahr wurde auch der barocke Umbau der Pfarrkirche abgeschlossen.
Die Erneuerung führte mit großer Wahrscheinlichkeit Matthias Gerl d. J. durch, der den Neubau der Kirche plante, und betraf auch eine Teilung diverser bestehender Räume. Dies ist aus einem Vergleich der Inventarlisten vor und nach dem Umbau zu schließen. Für 1761 werden im Erdgeschoß in den Inventaren u. a. ein "Laquey-Zimmer, Kuchel, Orangerie, Zuckerbäckerey (...)" angegeben.
Wahrscheinlich erst im Zuge dieser Bauveränderungen wurde der noch auf dem Vischer-Stich von 1672 erkennbare Schlossturm abgetragen.
Das Schloss diente den Bischöfen und Erzbischöfen als Sommeraufenthalt. Von 1762 bis 1779 war es im Besitz von Maria Theresia, die v. a. im Inneren umfangreiche Adaptierungen vornehmen ließ. In diese Zeit fällt die von ihr angelegte direkte Straßenverbindung des St. Veiter Schlosses mit Schönbrunn, die h. Hietzinger Hauptstraße.
Kardinal Gustav Piffl (1913–32) stellte den Bau als Alumnat zur Verfügung; 1928 wurde der erste Jahrgang eröffnet. 1937 richtete man im Schloss ein Caritas-Altersheim ein, von 1964 bis 2013 war das Seminar für kirchliche Berufe darin untergebracht, heute ist es das diözesane Missionskolleg Redemtoris Mater.
Baubeschreibung
Außenansicht
Der dreigeschoßige Bau besteht aus vier annähernd gleich langen Flügel, die einen nahezu quadratischen Hof umschließen. In der nach Osten gerichteten Hauptfront sitzen zwei mächtige, mit Quadern gefasste Rundbogentore und dazwischen eine kleine, rechteckige, ebenfalls mit Quadern eingefasste Türe mit dreiteiligem Keilstein und ausladendem Sturzbalken.
Das Sockelgeschoß ist durch rau verputzte Wandquader gegliedert. Die Geschoßtrennung erfolgt durch Wandstreifen und schmale, vertiefte Felder.
Auch alle anderen Außenfassaden sind mit Ausnahme der Sockelzone in dieser Weise gegliedert. An Stelle der Haupteingänge befinden sich an der Nord- und Westseite Gartentüren, an der Südseite Fenster. In der Mitte der Westfront führt ein Segmentbogentor mit schmiedeeisernem Gitter in den Hof. Es ist von je zwei Wandpfeilern, die auf Volutenkonsolen einen Balkon mit schmiedeeisernem Gitter tragen, flankiert. Die Fenster der Hauptgeschoße sind einfach gerahmt und mit ausladender Sohlbank und Sturzbalken versehen.
Auch an den Hoffassaden ist die relativ einfache, aber klare Gliederung durchgehalten. Das Untergeschoß des Ostflügels besteht aus einer gratgewölbten Arkade mit fünf Pfeilern und zwei Halbpfeilern. Sie ist heute teils vermauert und teils verglast. An ihrer Südseite beginnt die Hauptstiege, an der Nordseite führt eine Türe in die Gartenzimmer. An der Wand des Westtraktes ist eine gemalte Sonnenuhr mit Boreas und Oreithyia, dem griechischen Gott des Nordwindes und seiner Gefährtin zu sehen.
Über einem gering profilierten Kranzgesims sitzt das Ziegelwalmdach mit interessant geformten Schornsteinen.
Inneres
Einen bis heute sichtbaren Umbau des Schloßinneren führte Nikolaus Pacassi in der Zeit des Besitzes durch Maria Theresia durch. 1762/63 wurden die Galerie erweitert und die sechs im Nord- und teilweise Westtrakt des Erdgeschoßes gelegenen Gartenzimmer mit bemalten und auf Holzrosten aufgespannten Leinwänden von Johann Nepomuk Bergl (1718–89) ausgestattet. Die Wände und teilweise auch die Decken sind mit exotischen Landschaften bemalt, in denen sich Menschen verschiedener Rassen bewegen. Die leicht und fröhlich anmutenden, phantasiereichen Szenen sind als freie Durchblicke aufgefasst, die durch verschiedene Gewächse gegliedert werden. Im Hintergrund ist eine Meereslandschaft mit Schiffen zu sehen. Im letzten Zimmer befanden sich Tierdarstellungen; diese Ausstattung ist nicht mehr erhalten. Die Wahl der Themen in den durch Fenstertüren mit dem Park verbundenen Gartenzimmern ist zum Teil auf Gobelinvorlagen in der Hofburg zurückzuführen.
Die Räume des ersten und zweiten Stockes öffnen sich gegen Norden, Süden und Westen auf Korridore, die den Hof umlaufen.
Im ersten Stock befand sich ein rotmarmorner Kamin mit skulptiertem Ornament, der zweite Stock hatte weißglasierte Tonöfen mit Rocaille.
Der Ostflügel hat im zweiten Stock eine Galerie. Ihre flache Decke ist mit Fresken eines unbekannten Meisters aus dem 18. Jahrhundert bemalt; die vier allegorischen Szenen zeigen die Verherrlichung des Hauses Habsburg, Bacchus mit Gefolge (Herbst), Apoll mit Putten und zwei Frauen (Sommer) und einen weiblichen Genius (Frühling). Die 1945 stark beschädigte Malerei wurde 1966 durch das Bundesdenkmalamt restauriert. Nach einem Brand im Mai 1996 war eine Generalsanierung notwendig, die fast ein Jahr in Anspruch nahm. Sie wurde vom Bundesdenkmalamt zusätzlich zur Versicherung, die nur die Reinigung finanziert hätte, mitgetragen. Die Schmalseiten der Galerie zieren Büsten von Maria Theresia und Franz I.
Die kostbare Inneneinrichtung der nicht mehr bestehenden Kapelle im ersten Stock befindet sich im Dom- und Diözesanmuseum. Sie umfasste u. a. den 1508 gemalten Flügelaltar (auch Ober-St. Veiter Altar genannt) des Nürnberger Dürer-Schülers Hans Schäufelein (1480/85–1539 oder 1540). Das Altarwerk war ein Auftrag des Kurfürsten Friedrichs des Weisen von Sachsen.
Die h. Kapelle liegt in einem Raum im Erdgeschoß, der ehemals Küche war.
Durch Kardinal Kollonitsch wie auch durch Bischof Johann Josef Graf Trautson (1751–57) kamen zahlreiche bedeutende Kunstschätze in das Schloss. 1761 werden im Inventar 207 Bilder verzeichnet. Darunter befanden sich auch zwei Gruppen kreuzförmig angeordneter, auf Holz gemalter, kleiner Temperabilder von hoher Qualität, die von zwei verschiedenen Altarwerken aus dem Ende des 15. Jahrhunderts stammen. "Die hl. Familie auf der Flucht nach Ägypten" und "Der Engel erscheint dem hl. Petrus im Kerker" von Ludwig Schnorr von Carolsfeld (1794–1872) sind Beispiele für spätere Erwerbungen. Siehe dazu auch den Beitrag in der Österreichischen Kunsttopografie 1908.
Die Parkanlage hat Kardinal Kollonitsch 1742 neu angelegt und mit drei Springbrunnen versehen, deren höher gelegenes Wasserreservoir sich inmitten von Weingärten, an der h. Adolfstorgasse, befand. Die Wasserzufuhr erfolgte durch eine um 1725 angelegte Wasserleitung, die von der Baderwiese im Lainzer Tiergarten bis zum Schloss Belvedere führte. Nach dem Tod Prinz Eugens entbrannte ein Rechtsstreit um die Nutzung dieser Wasserversorgung. Das Hofärar beanspruchte das Wasser für Schloss Schönbrunn, der Erzbischof von Wien hingegen, über dessen Grund die Wasserleitung streckenweise führte, benötigte sie für seinen Sommersitz in Ober-St. Veit. Nach kaiserlicher Intervention wurde die Wassernutzung dem Erzbischof zugestanden. Teile von Ober-St. Veit wurden noch bis in die zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts mit Wasser aus der "Prinz-Eugen-Wasserleitung" versorgt.
Bischof Trautson erweiterte den Park und ließ an der Südseite ein Glashaus errichten, dessen Länge in etwa der Schlossbreite entsprach. 1809 verwüsteten die Franzosen den Park, die Bleiwasserleitungen zu den Springbrunnen wurden ausgegraben und eingeschmolzen. Bei der 1817 erfolgten Renovierung konnte aus Geldmangel die ursprüngliche Situation nicht mehr wiederhergestellt werden. Weitere Instandhaltungsarbeiten erfolgten 1823 unter Erzbischof Leopold Graf Firmian, 1835 durch den Wiener Handelsgärtner Rosenthal.
Ein interessantes Detail der Schlossanlage sind die unterirdischen Gangverbindungen. Ein im November 1988 bei Aufgrabungsarbeiten angestochener Gang führt von einem an der Nordwestseite des Palais gelegenen Keller in leichtem Rechtszug in ca. fünf bis sechs Meter Tiefe an der Nordseite der Kirche entlang, quert den Pfarrgarten ein bis zwei Meter unter der Erde und reicht in zum Teil gekurvter Form bis zur Firmiangasse. Dort mündet er unter dem gassenseitigen Eingang des St. Vitus-Hauses in einen Art Schüttgang eines ehemaligen Kanalbettes. Ursprünglich endete der Gang in dem offen fließenden Marienbach. Aufgrund der Dimension und des geknickten Verlaufes ist der Gang mit großer Wahrscheinlichkeit als Fluchtweg konzipiert und später als Kanal verwendet worden. Der im unteren Bereich gegen die Firmiangasse ca. 1,2 m hohe und ca. 70 cm breite Gang verliert gegen das Schloss zu an Höhe und Breite. Die Seitenwände bestehen aus Steinen und sind in das 15. Jahrhundert zu datieren. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde auf die alten Seitenwände ein neues Ziegelgewölbe aufgemauert. Möglicherweise wurde durch diesen Gang auch das Wasser des erzbischöflichen Fischteiches ausgelassen. Siehe dazu auch die Beschreibung in "Unterirdisches Hietzing".
Ein anderer ziegelgemauerter Gang führt in ca. zwei Meter Tiefe unter dem Park vor der Kirche zum Wolfrathplatz. Sein Querschnitt gleicht einer auf den Kopf gestellten Birne. Der Gang ist nur gebückt begehbar. Mit großer Wahrscheinlichkeit mündete er in die mittelalterliche Kelleranlage unter dem Wolfrathplatz, die 1899 beim Bau der Dampftramway zum großen Teil zugeschüttet wurde.
Für einen Gang, der laut mündlicher Überlieferung bis in das Wiental führen soll, gibt es keine Belege.