Unterirdisches Hietzing
Zusammenfassung eines Vortrages von Herrn Dr. Gebhard Klötzl, gehalten am 11. November 2004 im Rahmen der Raiffeisen - Spaziergänge.
27.11.2004
Herr Dr. Klötzl ging in seinem Vortrag auf 5 unterirdische Welten in unserer Region ein:
- Die Kelleranlagen und die Einwölbungen des Marienbaches unter der oberen Hietzinger Hauptstraße
- Den Fluchtgang aus dem Ober St. Veiter Schloss
- Die Vorratskeller unter der ehemaligen „Neuen Welt“
- Die Tunnel im Schlosspark Schönbrunn
- Den Luftschutzbunker im Küniglberg.
Die ersten Ausführungen waren den ausgedehnten Kelleranlagen unter dem Bereich des Wolfrathplatzes und der oberen Hietzinger Hauptstrasse und dem unterirdischen Verlauf des Marienbaches gewidmet. Diverse Aufgrabungen in den 80er Jahren (Postkabel etc.) haben den bestehenden Wissensstand auf diesem Gebiet bestätigt und ergänzt.
Den Ursprung der Kelleranlagen zeigt am besten der älteste verfügbare Plan von Ober St. Veit. Es ist dies der Bréquinplan aus 1756. Er zeigt das Dorf Sankt Veit in seiner ursprünglichen Anlage als Angerdorf bzw. Grabendorf an beiden Seiten des damals noch offenen Marienbaches. Das älteste Siedlungsgebiet markieren die beiden, den alten Ortskern umschließenden Häuserzeilen unterhalb des Kirchenhügels (im Plan unten grün umrandet). Diese Gebäude waren nicht unterkellert und sind es größtenteils auch heute noch nicht.
Die unter Dompropst Tuers im 15. Jahrhundert erbauten Häuser im Bereich der Pfarre (ungefähr innerhalb der gelben Umrandung) waren die ersten unterkellerten Wohn- und Wirtschaftsgebäude in unserem Ort. Die unterirdischen Anlagen bestanden aus großzügig angelegten Stein- und Ziegelgewölben mit Verbindungsgängen untereinander. Mit ihrem gleichmäßig kühlen und feuchten Raumklima waren sie die wesentliche Grundlage der damaligen Vorratshaltung. Die Hietzinger Hauptstraße bestand noch nicht, der Weg nach Hietzing führte durch die heutige Trazerberggasse.
Unter Kaiserin Maria Theresia (sie besaß das Schloss von 1762 bis 1779) bzw. Erzbischof Wolfrath (das Domkapitel zu St. Stefan war über lange Jahrhunderte Grundeigentümer von Schloss und Kirche) wurde mit der Kaiserstraße bzw. Maria Theresienstraße eine neue Straße nach Hietzing projektiert und angelegt, die heutige Hietzinger Hauptstraße. Ihr Verlauf ist im Plan oben rot markiert. Alle Häuser auf ihrer Fläche wurden geschliffen und an ihren Rändern entstanden neue. Das älteste Gebäude am Wolfrathplatz mit der Nummer Hietzinger Hauptstraße 153, das die Sektbar, die Bäckerei Felber und die Firma Kollecker beherbergt, ist der letzte bestehende Teil aus diesem Ensemble.
Ein großer Teil der alten unterirdischen Gewölbe blieb durch diese Baumaßnahmen unversehrt und über Jahrhunderte hinweg bestehen, teilweise unter den neuen Gebäudezeilen, teilweise aber auch unterhalb des Verlaufes der oberen Hietzinger Hauptstraße. Sie gerieten zunehmend in Vergessenheit. Erst die schwere Belastung der Verkehrsfläche durch die neue Dampftramway ab 1887, die das Straßenniveau langsam einsinken ließ, machte wieder auf sie aufmerksam. Um die Straße zu stabilisieren, mussten alle Hohlräume darunter, also auch die Kelleranlagen, verfüllt werden. Nur die Gewölbe unter den Häuserzeilen blieben frei, aber auch sie wurden im Laufe der Zeit durch unterschiedliche Baumaßnahmen (z. B. Neubau des Buwog-Hauses Ecke Hietzinger Hauptstraße / Einsiedeleigasse oder Revitalisierung der Gebäude auf der anderen Seite der Einsiedeleigasse) mehrheitlich zerstört. Eindrücke von den noch bestehenden Resten gibt das Foto aus dem Hause Hietzinger Hauptstraße 153.
Mitten durch diese "Kellereien" führen die alte (ebenfalls verfüllte) Einwölbung des Marienbaches und etwas oberhalb die neue. Der alte und neue Verlauf wurde uns anhand einer Karte veranschaulicht. Der obere Teil des Marienbaches durch das Schweizertal und der mittlere Teil im Ortskern wurde in unzusammenhängenden Teilabschnitten schon vor 1900 eingewölbt. Ab 1903 wurde im Rahmen eines Großprojektes der ganze Marienbach neu verbaut, er durchspült jetzt den Ober St. Veiter Hauptkanal. Ganz unten, bei der Statue des Heiligen Nepomuk führte bis dahin eine Brücke über den Bach. Heute münden die Rohre des Marienbaches in den Wiental Begleitkanal.
Auf einen ehemaligen Fluchtgang vom Schloss Ober St. Veit hinunter zum Marienbach wurde man erst wieder 1988 aufmerksam. Damals sammelte sich schwarzes Öl in einer gerade offen stehenden Künette unterhalb des Vitushauses. Viel weiter oben, im Keller des Schlosses Ober St. Veit war Heizöl aus einem geplatzten Tank geflossen und erhebliche Mengen davon durch diesen vergessenen Tunnel in den Graben gelangt. Die seinerzeitige Bestimmung als Fluchtunnel belegen sein Ursprung im Keller des Schlosses und sein schlangenförmiger Verlauf, der die flüchtenden Personen vor den Geschoßen der Verfolger schützen sollte. Spätere Umbauten und Einleitungen machten ihn zu einem Teil der Kanalisation.
An dieser Stelle wurde von Herrn Dr. Klötzl auch mit einem hartnäckigen Gerücht aufgeräumt: Eine unterirdische Verbindung von Ober St. Veit zum Schloss Schönbrunn hat nie bestanden. Alle Grabungen in einem denkbaren Verlauf brachten keinerlei Hinweise.
Die ausgeklügelte Nutzung unterirdischer Räume wurde uns anhand vereinzelt noch existierender Kelleranlagen zur Vorratshaltung im Bereich des seinerzeitigen Vergnügungsetablissements „Neue Welt“ veranschaulicht. Die Gewölbe waren aus Ziegel gemauert, das Erdreich des Bodens aber blieb frei und entlag dessen Mitte war ein Graben gezogen. Im Winter wurden die Räume mit Eis gefüllt und dank der gleichmäßig kühlen Temperaturen ein Teil davon über den ganzen Sommer erhalten. Das Tauwasser versickerte in den Gräben. Diese Einrichtung erleichterte lange vor der Erfindung des Kühlschrankes die Bevorratung mit leicht verderblichen Lebensmitteln.
Interessant und trotz aller Bekanntheit des Schönbrunner Schlossparkes weitgehend unbekannt sind die ausgedehnten Tunnelanlagen rund um die Gloriette und hinunter zum Neptunbrunnen. Erstere waren ursprünglich als Teil eines ausgedehnten und mit Booten befahrbaren Vergnügungssystems um die Gloriette und auf dem Teich hinter ihr gedacht, der engere Tunnel zum Neptunbrunnen hatte diesem mit dem Wasser des Teiches zu versorgen. Die unterirdischen Gewölbe weisen teilweise erstaunliche Dimensionen auf und sind gut erhalten.
Enger aber umso geheimer war der Verbindungsgang vom Schloss zu der an der heutigen Grünbergstraße gelegenen Villa des Fürsten Metternich, die er nach seinem Sturz im Jahre 1848 verkaufen musste.
Eine - mit Ausnahme der weithin sichtbaren und das Stadtbild verschandelnden Flaktürme - weitgehend unbekannte Erbschaft aus dem zweiten Weltkrieg sind die Luftschutzbunker. Die meisten von ihnen sind unterirdisch angelegt, dazu zählen u.a. der Gaubefehlsstand unter dem Wilhelminenberg oder der noch besonders gut erhaltene Luftschutzsammelraum unter dem Park Ecke Währinger Straße / Kinderspitalgasse. Für manche Bunker fand sich eine sinnvolle Nachnutzung, beispielsweise durch Umbau zu einer Parkgarage (Rathausplatz), andere aber dämmern ungenutzt einer ungeklärten Zukunft entgegen. Zu dieser Kategorie zählt der Luftschutzbunker unter dem Küniglberg.
Nachdem so manche Verwendungsidee (wie zum Beispiel als Platz für eine Championzucht) scheiterte, wurde er zugemauert und die Ausgänge verschüttet. Innen präsentiert er sich als Tunnelbau, der in einem langgezogenen U den Küniglberg durchwandernd vom Franz Schalk Platz bis zur Alois Krauß Promenade auf Höhe Elßlergasse reicht. Alle technischen Gerätschaften waren natürlich längst abgebaut worden, der Bau an sich erhielt sich aber bis zuletzt in einem guten Zustand.