Der Lainzer Tiergarten
Die Gegend des heutigen Lainzer Tiergartens, eines 23,8 km² großen ummauerten Naturschutzgebietes, war von jeher ein beliebtes Jagdrevier der Landesfürsten. Im Folgenden sind die wesentlichen Ereignisse chronologisch geordnet.
1200
Um 1200
Aus dieser Zeit stammt die Eustachius- bzw. Nikolaikapelle, der älteste Bau auf dem Gebiet des Lainzer Tiergartens.
1495
wird ein "Wolfsgarten" beim Auhof erwähnt. Wolfsjagden waren vor allem für die Forstmeister eine zusätzliche Einnahmequelle.
1497
wird ein "Tiergarten" bei Laab im Walde erwähnt.
Ab 1650
Für die Bauern der Umgebung bringt der Wald jedoch viele Belastungen: Das Wild schädigt die Saaten, Wölfe reißen weidendes Vieh. Deshalb versuchte man schon zu der Zeit, als die Weingärten in dem Gebiet des h. Grinzing, Hütteldorf und Lainz der Kartause Mauerbach (1313 von Friedrich dem Schönen gegründet) gehörten, eine Abplankung zu errichten. Aber erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts führte eine hölzerne Planke, ein "Gattern", vom Kahlenbergerdorf über Ottakring, St. Veit nach Lainz und wahrscheinlich sogar bis Mauer.
1711–1740
Unter Karl VI. wurde um das heute als Lainzer Tiergarten bezeichnete Areal ein Zaun aus Eichenpfosten gezogen. Der Kaiser bevorzugte dieses Jagdrevier immer mehr gegenüber dem einst so beliebten Gebiet um Schönbrunn.
Um 1740
kommt es im Zusammenhang mit dem Wasserleitungsbau für Schloss Schönbrunn zum Aushub des "großen Teiches". An ihm wird das sog. "Teichhaus" in dauerhafter Bauweise mit tiefen Fundamenten erbaut. 1832 lässt sich Erzherzog Franz Karl darin ein Zimmer als Übernachtungsstätte einrichten.
1766 und 1775
Die kaiserlichen Jagdflächen im Prater und im Augarten werden für die Bevölkerung geöffnet. Daraus ergibt sich dringender Bedarf nach einem neuen Jagdgebiet.
1772
Maria Theresia verfügt in einem Patent den Bau einer Steinmauer um den Lainzer Tiergarten. Die bäuerliche Bevölkerung soll von der argen Belastung durch Schäden des Schwarzwildes befreit werden. Zur Ausführung kommt es jedoch erst unter ihrem Sohn Joseph II.
1774
Mit dem "Wachthäusl" gegen Raubschützen wird auf der Rohrwiese das erste Haus innerhalb des von einer hölzernen Planke umzäunten Tiergartens errichtet.
1779
Aus diesem Jahr stammt die h. Anlage des Auhof, dem knapp außerhalb des Tiergartens am Wienfluss liegenden Gebäude in dem der Forstmeister seinen Sitz haben wird. Der Name "Auhof" lässt sich urkundlich bis zum Ende des 12. Jahrhunderts zurückverfolgen.
1781
Joseph II. läßt den Bau öffentlich ausschreiben. Ein mittelloser Maurer aus Alland, Philipp Schlucker (1748-1818) – von seinem Namen leitet sich die Bezeichnung "armer Schlucker" ab –, unterbietet alle anderen Offerte bei weitem. Niemand kann sich vorstellen, wie er mit seiner Familie allein diese Riesenarbeit bewältigen würde.
1782
Das Jagdhaus "Hirschg'stemm" wird gebaut. 1879 wird es neu aufgemauert und nach 1918 zu einem Volksrestaurant umgestaltet.
1787
Nach fünf Jahren Bauzeit stellt der Allander Maurer die Mauer fertig. Sie ist 24 km lang, 2,2 m hoch und 50 cm stark. Sie besteht aus Bruchsteinen mit Ziegeleindeckung, die Steine stammen größtenteils aus den Steinbrüchen des Tiergartens beim großen Teich und im Glasgraben. Johann Nestroy bezeichnet die Mauer später als ein "Junges der Chinesischen Mauer". Da Philipp Schlucker die Arbeiten zur vollen Zufriedenheit ausführt, belohnt ihn Kaiser Joseph II. mit einem in der Nähe von Baden bei Wien gelegenen Grundstück, auf dem sich Schlucker ein Haus baut; Kaiser Franz I.(II.) bedenkt ihn mit der Stelle eines Waldamtsbaumeisters. Ursprünglich sollte im Tiergarten nur Schwarzwild gejagt werden.
Ende des 18. Jahrhunderts
wird das Damwild eingebracht; sein Bestand bleibt relativ konstant zwischen 150 und 300 Stück.
1810–1825
In dieser Zeit steigt der Stand des Rotwildes von nur 79 auf 1263, was den bis heute höchsten Rotwildbestand bedeutet.
1820–1848
In dieser Zeit werden die höchsten Schwarzwildbestände gezählt (1200-1700 Wildschweine). Jährlich finden zwei Sperrjagden statt, in deren Verlauf je 300 Stück erlegt werden.
1833
Der letzte Wolf wird in dieser Gegend erlegt (nach anderen 1846).
1840
Das Muffelwild (Mufflon), eine mit großer Wahrscheinlichkeit aus Sardinien und Korsika importierte Schafart kommt von Schönbrunn in den Tiergarten. Nach anfänglichen Anpassungsschwierigkeiten erhöht sich der Stand von ursprünglich 20 auf 77 im Jahr 1866. Bis 1918 vergrößerte sich die Zahl auf 100.
1850
An der Ecke Hermesstraße/Dr.-Schober-Straße wird ein Jägerhaus errichtet. Ursprünglich besitzt es einen achteckigen Observatoriumsturm, der 1875 abgetragen wird. Den Bau, der seit der Mauerverlegung außerhalb des Tiergartens liegt, kauft 1938 die Gemeinde Wien und richtet in ihm eine Volksschule ein.
1882–1886
Kaiser Franz Joseph lässt für seine Frau Elisabeth von dem Ringstraßenarchitekten Carl von Hasenauer die "Hermesvilla" erbauen. Das Jagdhaus im historischen Stil ist das bedeutendste profane Gebäude im Tiergarten.
1910 bzw. 1913
Mit dem Erwerb der Enklaven der Gemeinden Inzersdorf und Mauer (Faßlberg) führt der Kaiser die letzten Teile fremden Besitzes im Tiergarten in hofärarisches Eigentum über. Einige Flurnamen zeigen noch die ehemaligen Besitzer, vor allem Klöster, an, zum Beispiel Schotten-, Königskloster-, Laurenzer-, Augustiner- und Deutschordenswald. Der Bischofswald, der Bischofsmaiß und die zwei Bischofswiesen nehmen auf den Ober-St. Veiter Sommersitz des Erzbischofs von Wien Bezug.
1914/15
Mit Hilfe von 4000 Arbeitern werden im Lainzer Tiergarten Schützengrabenlinien und andere Befestigungsanlagen errichtet, um einem befürchteten Vormarsch der russischen Armee entgegentreten zu können.
Winter 1918/19
Teile der Wiener Bevölkerung dringen über die an mehreren Stellen stark beschädigte Mauer in den Tiergarten, um sich mit Brennholz zu versorgen.
20.4.1919
Der damals 25,5 km² große Naturpark wird öffentlich zugänglich gemacht. Während des Sommers können ab nun die Wiener den Tiergarten gegen die Entrichtung einer geringfügigen Eintrittsgebühr betreten.
Ab 1920
Der mit Staatsgesetz vom 18. 12. 1919 geschaffene Kriegsgeschädigtenfonds verwaltet den Tiergarten und die Hermesvilla. Ein Teil des Areals zwischen dem h. Lainzer Tor und dem Lainzer Krankenhaus wird wegen der damals herrschenden Wohnungsnot zur Besiedelung freigegeben. Pläne zur Verbauung des Hörndl- und Leitenwaldes bestehen bereits während des Ersten Weltkrieges, werden aber nicht verwirklicht. Ein Versuch, die allgemeine Not nach dem Krieg zu lindern, ist die Errichtung der sog. "Eisenbahner Farm Auhof". Das Gebiet zwischen Auhofwiese und Grünauer Graben wird von der Staatsbahndirektion Wien West gepachtet, um Eisenbahnern den Bau einer Kleintierfarm zu ermöglichen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird das Areal in 145 Kleingartenlose für Bundesbahnbedienstete aufgeteilt, allerdings erst 1984 als "Erholungsgebiet Kleingarten" rechtlich anerkannt.
1920
Mit der Errichtung der Siedlung Auhofer Trennstück wird begonnen.
1921
Der Grundstein für den Bau der Siedlung Friedensstadt wird gelegt.
1927
Von 1927 bis zum Beginn der vierziger Jahre liegen auf einem Teil der Penzingerwiese - zwischen der Allee zum Lainzer Tor und dem gekrümmten Weg zur Hermesvilla - und auf der Hohenauerwiese (oberhalb des Teiches an der Allee zum Lainzer Tor) die Spielfelder eines Golfklubs. Ab 1930 organisiert ein privates Busunternehmen regelmäßige Fahrten von Schloss Schönbrunn zum Lainzer Golfplatz. Der Country Club führt auch ein in den Stallungen der Hermesvilla eingerichtetes Reitinstitut sowie einen Tennisbetrieb. Formell besteht der "International Country Club" bis 1944. Das einstöckige Klubhaus des "International Country Club", das an der Stelle eines ehemaligen Glashauses liegt, brennt 1954 ab.
1931/32
Die Zollwache-Siedlung entsteht.
1932/33
Die Polizei-Siedlung entsteht.
1934
Auf der Kuppe des Kaltenbründlberges wird die 18 m hohe Hubertuswarte errichtet.
1934
Die nunmehr notwendig gewordene neue, ca. 1,5 km lange Mauerbegrenzung zwischen Wittgensteinstraße und Hörndlwaldtor entsteht. Sie wird wie auch das Torwächterhaus am Ende der Hermesstraße vom Arbeitsdienst errichtet. Die Fläche des Tiergartens wird infolge der Errichtung der Siedlungen gegenüber dem Jahr 1918 um 2,2 km² reduziert.
Jänner 1938
Der Tiergarten kommt in den Besitz der Gemeinde Wien. Sie übernimmt damit auch die Aufgabe, ihn als Naturschutzgebiet zu erhalten.
1945
Durch den Einmarsch der Russen und durch die Besetzung leidet der Tiergarten schwer: Mauern werden niedergerissen, der Tierbestand dezimiert. Erst nach jahrelanger, intensiver Arbeit gelingt es, diese Schäden zu beseitigen.
1951
In unmittelbarer Nähe der ehemaligen "Eisenbahner Farm Auhof" wird ein Umspannwerk der Wiener Stadtwerke-E-Werke sowie eines der Österreichischen Bundesbahn errichtet.
1953
Die Kongreß-Siedlung wird gebaut.
1960
Der Bau der Westautobahn führt zu der bis heute letzten Flächenveränderung des Tiergartens. Der Verlust von 42 ha Verlust wird durch den Erwerb einer 95 ha großen Fläche (der bereits in Niederösterreich liegende Deutschordenswald westlich des Dianatores) mehr als ausgeglichen. Die Ummauerung dieses neuen Gebietes wird 1963–65 durchgeführt.
2006-2012
Unter dem Lainzer Tiergarten wird der sog. "Wildschweintunnel" gebaut und innerhalb des Areals zwei Ausgänge errichtet.
Heute ist der Tiergarten mit Rot- und Schwarzwild, seinen Gehegen für Mufflons, Damwild, Wildpferde und Auerochsen, mit 80 km Wanderwegen, drei Rasthäusern, der Hubertuswarte, sowie einer beeindruckenden Naturlandschaft mit zum Teil 350 Jahre alten Eichen ein ideales Erholungsgebiet. Der Besuch ist unentgeltlich. Im Herbst und Winter ist der Tiergarten Jagdgebiet und bis auf ein kleines Areal um die Hermesvilla und eine allgemeine Öffnung um die Weihnachtszeit gesperrt.