Zuviel des Guten
Eine lustige Weihnachtsgeschichte
04.12.2024
„Liesel, was ist denn mit dir los?“ fragte Doktor Karl Lechner ganz verdutzt, als er das Zimmer betrat und seine Frau fertig angezogen am Frühstückstisch saß. In den drei Monaten seiner Ehe hatte sich dieses Wunder ganz selten ereignet. Trotz aller Liebe trennte sich Liesl nur schwer von ihrem Bett, sodass Karl meist alleine frühstücken musste.
Karl war ein Frauenkenner und seine Liesel kannte er besonders gut, dahinter steckte eine Absicht. Liesel goss ihm Kaffee ein, strich ihm seine Buttersemmel besonders dick. Dem guten Karl wurde schon ganz ängstlich zumute. Jetzt schmiegte sich seine Frau zärtlich an ihn und sagte schmeichelnd: „Na, Schatz, bin ich nicht brav, so zeitig nach Mitternacht?“ Sie gähnte herzhaft. Karl lachte und küsste sie: „Na ja, halb acht ist es, das ist für die kleine Schlafmütze natürlich viel zu früh. Aber, nun beichte, was hat dich denn aus dem Bett getrieben?“
„Mich? Gott, ich dachte daran, dass du immer so allein da sitzen musst und am Anfang gekränkt warst, dass ich so ruhig weiter schlafen konnte?
„Und das fiel dir heute so schwer auf’s Gewissen, kleine Schwindlerin? Was hast du denn angestellt? Was soll ich dir verzeihen, weich gemacht durch das Opfer deines Morgenschlafes?“
„Pfui Schatzi, was du immer gleich denkst!“ Liesel setzte sich auf ihres Mannes Schoß, lehnte ihren hübschen Kopf an den seinen. Doktor Lechner sah heimlich nach der Uhr. Na, es ging noch. Er umfasste ihr Gesicht mit seinen beiden Händen, sah ihr in die Augen und sagte energisch: „Also los, Liesel – was soll ich?“
„Mir zu Weihnachten das Mopserl schenken!“ platzte Liesel rasch heraus und sah dann ganz erschrocken auf ihren Mann. Der wollte nämlich erst erregt aufspringen, aber Liesel presste ihre frischen roten Lippen ganz fest auf die seinen, schlang ihre Arme um seinen Hals und stammelte hastig:
„Schatz, lieber guter einziger, ich will doch auch einen Hund haben, alle haben jetzt Hunde. Ich will sonst gar nichts vom Christkindel nur einen Hund bitte, bitte!“
„Liesel, ich habe dir doch aber so oft gesagt, dass ich ein zu großer Tierfreund bin und darum das Halten von Hunden in einer engen Stadtwohnung als Tierquälerei ansehe.“
„Aber mein Mopserl ist doch nur ein so kleines Ding, das hat doch Platz!“
„Ein lebendiges Tier ist es, braucht Platz, macht Mühe und Arbeit, braucht Pflege.“
„Pass auf, wie ich das pflegen werde.“
„Ja. vierzehn Tage lang.“
„Und dann ist doch Minna da.“
„Unsere Alte? Der komme nur damit, gleich lässt sie uns sitzen! Es fiel ihr nicht einmal ganz leicht, sich die junge Frau gefallen zu lassen, verwöhnt, wie sie durch meine jahrelange Junggesellenwirtschaft· war. Jetzt auch noch ein Hund.“
„Oho, Minna liebt mich.“
„Mag sein, aber Hunde kann sie nicht ausstehen.“
„Ich bringe ihr die Liebe schon bei, lieber guter Karl, bitte, bitte.“
Doktor Karl schob seine Frau mit einem Ruck von sich. „Maus sei vernünftig! Lege dich schleunigst wieder ins Bett und verschlafe deine Kateridee! Mir kommt kein Hund ins Haus, basta!“
„Aha, so sieht deine Liebe aus!“ Oh je, da waren ja schon die Tränen! Nun nahm Doktor Lechner schleunigst Reißaus. Er hatte zwar Prinzipien, aber weinen sehen konnte er das Liesel absolut nicht! Schon an der Tür sagte er gewaltsam energisch: „Sei nicht kindisch, Lisbeth, dass ich dich lieb habe, weißt du. Proben bedarf es da meiner Ansicht keine. Auf Wiedersehen!“ Draußen war er.
***
„Du, Vater!“ sagte Frau Geheimrat Möbius zu ihrem rundlichen Gatten, als sie ihm mittags nach dem Essen seinen Mokka hinschob, „ich weiß schon, was wir heuer der Liesel zu Weihnachten schenken!“
„Na, was denn?“
„Sie ist doch ganz unglücklich, dass der Karl ihr den kleinen Mopsl nicht schenken will, in den sie sich beim Tierhändler hier nebenan vernarrt hat – den geben wir ihr!“
„Schäm' dich, Schwiegermutter. Willst du dich mit Karl verfeinden? Hat ganz recht, der Mann, dass er kein Viehzeug in seiner Wohnung haben will. Möchte es mir auch verbitten.“
„Aber, Vater, so eine junge Frau, die ’was Kleines haben will!“
„Soll warten, bis ’was Kleines in der Wiege quakt!“
„Na ja, Vater, aber das dauert noch eine Weile. Der Karl ist so gut, wenn der das süße Vieh sieht – es ist nämlich wirklich süß, ich kenne es schon – söhnt er sich gleich damit aus, dass der Hund nun doch da ist.“
“Ja, mit dem Vieh söhnt er sich aus und mit uns ist er böse!“
„Was dir nicht einfällt, Vater, so ist doch Karl nicht.“
„Mutter, ich tu da nicht mit. Von mir kriegt die Liese das Vieh nicht!“
„Aber von mir kriegt sie es,“ sagte die dicke Mama seelenvergnügt und machte sich fertig, um zum Tierhändler zu gehen.
***
„Lina, weißt du, Karls herziger kleinen Frau müsste man zu Weihnachten doch ’was Nettes schenken!“ sagte Justizrat Mühlendorf, Dr. Lechners Vetter. „Sie ist ein so liebes Ding!“
„Ja, aber was gibt man ihr, Fritz? Diese modernen jungen Frauen, bei denen ist’s nicht ganz leicht, ihren Geschmack zu erraten.“
„Ach, Lina, da weiß ich Rat. Jetzt sind Hunde modern. Alle halten sich Viecher, wir schenken ihr einen Hund. Ich hörte neulich, wie begeistert sie von dem herzigen Mopsl sprach. Weißt, in der Tierhandlung neben dem Haus ihrer Eltern, da ist jetzt ein Wurf so niedlicher Mopsln zu haben.“
„Sehr gut, Fritz, das ist eine Idee! Ich mache ein nettes Körbchen, da setzen wir das Vieh hinein und schicken es hinauf zu Lechners. Famoses Weihnachtsgeschenk!“
***
Doktor Karl Lechner war sehr unzufrieden mit sich. Er schämte sich, dass er charakterlos seine Prinzipien aufgab und nun am heiligen Abend doch noch in aller
Eile den kleinen Mopsel erstanden hatte – den letzten, wie er erfuhr – den er nun, in seiner Aktentasche verborgen, eilig nach Hause trug. Schließlich hatte er sich damit getröstet, dass so ein Tier vielleicht erzieherisch wirkte und die verspielte, kindische, kleine Frau am Ende daran gewöhnte, für andere zu denken und zu sorgen. Und wenn dann einmal ernstere Pflichten an sie herantreten, also vielleicht ist der kleine Hund ein ganz guter Anfang!
Lechner war ganz atemlos, als er die drei Treppen zu seiner Wohnung hinaufstürmte. Zu dumm, dass ein so geplagter Advokat, dessen Spezialität schmerzlose Scheidungen waren, selbst am Weihnachtstag noch langandauernde Konferenzen über sich ergehen lassen musste. Liesel würde schön brummen, dass sie nun den Baum hatte allein putzen müssen! Na, der Mopsel würde sie bald versöhnen.
Noch in Hut und Mantel stieß er die Tür zum Esszimmer auf, da er Liesels Stimme hörte – und stand da, zur Bildsäule erstarrt: Unter dem schon entzündeten Weihnachtsbaum saß sein ihm ehelich angetrautes Weib glückselig auf dem Teppich und hielt ihm zwei Mopseln entgegen. Genau so wie der, den er in seiner Tasche hatte: Kugelrund, braun, unsagbar putzig und komisch. Und statt der erhofften Rührung und Seligkeit spiegelte sich in ihren lachenden Spitzbubenaugen Schadenfreude, als sie ihm vergnügt zunickte:
„Siehst, andere schenken mir zu Weihnachten das, was mir Freude macht, und behalten tu ich beide Hunde, das sage ich dir gleich!“
Sie behielt sogar alle drei, die hübsche, blonde, lustige Liesel! Aber als nach einem Jahr der kleine Karli in der Wiege strampelte, entschloss sie sich doch, zwei der inzwischen schon recht groß und behäbig gewordenen Mopseln weiterzugeben. Weil jetzt wirklich der Platz in der Wohnung nicht recht reichte. Drei Hunde und ein Kind, das war auch der alten Minna über die Hutschnur gegangen!
Das „Christerl“, so hieß der von Karl geschenkte Hund, den behielt sie, aber die beiden anderen, von denen trennte sie sich beinahe nicht einmal allzuschwer, denn nun hatte sie ja reichlichen Ersatz und – ihren Willen, den hatte sie ja auch durchgesetzt.