Leut' waren das, die Sankt Veiter!

Ein „Jäger-Vinzenz-Abend“, zusammengestellt und vorgetragen von Dr. Theodor Stöhr
07.03.1989

Die „Jäger-Vinzenz-Abende“ waren vom Ober St. Veiter Männergesangverein jahrzehntelang veranstaltete Abende in denen der spätere Professor Karl Jäger eigene Gedichte und Texte von Vinzenz Jerabek vorgetragen hatte. Karl Jäger wurde 1871 im damals südsteirischen Marburg geboren und kam nach Wien, um Schauspieler zu werden. Vinzenz Jerabek war gebürtiger Ober St. Veiter und beides waren Mitglieder des Ober St. Veiter Männergesangvereines. Bei einem dieser Abende soll auch der damalige Direktor des Deutschen Volkstheaters, Emmerich von Bukovics zugehört und daraufhin Karl Jäger engagiert haben.

Die nach einer jahrzehntelangen Pause wieder einsetzende Befassung mit der Ortsgeschichte gab Dr. Theodor Stöhr, dem Leiter der Ober St. Veiter Volks- und Jugendbibliothek, Ende der 1980er-Jahre die Idee, solche Jäger-Vinzenz-Abende wieder aufleben zu lassen und er stellte sich als Vortragenden zur Verfügung. Unter den zahlreichen Gästen im Gasthaus zum lustigen Radfahrer, wo dieser Abend dann stattfand, konnte Theodor Stöhr auch zahlreiche „Auslands-Ober-St. Veiter“ begrüßen, die den weiten Weg aus Altmannsdorf, der Brigittenau und sogar Rodaun auf sich genommen hatten.

Theodor Stöhr präsentierte während seiner Lesung einige aus den Zeitungen herausgesuchte Texte, vor allem aber solche aus dem 1956 erschienenen Buch „Erlebtes und Erlauschtes“. Dieses in etwas 1000 Stück herausgegeben Buch war damals, 33 Jahre nach seinen Erscheinen längst vergriffen und nur mehr antiquarisch erhältlich. Natürlich war es im Bestand aller großen Bibliotheken und auch in der Ober St. Veiter Volks- und Jugendbibliothek erhältlich.

Allen Geschichten voran stellte Dr. Stöhr Vinzenz Jerabeks Selbstbiografie. Daran schloss er allgemeine Bemerkungen zum Buch und zu den Texten. In seiner Einschätzung war Ober St. Veit der einzige Vorort Wiens, der so ein umfangreiches literarisches Werk aufzuweisen hat. Sicherlich gab es für einzelne anderen Vororte oder Vorstädte Geschichten, aber nicht in diesem Umfang. Natürlich ist es kein Geschichtsbuch und nicht alles, was hier drinnen steht, ist Geschichte. Genannt und beschrieben werden jedoch zahlreiche Personen, die hier tatsächlich gelebt haben, ihre Namen finden sich auch in anderen Aufzeichnungen. Es gibt sogar zwei Gassen, die nach vorkommenden Personen benannt sind, die eine ist die Innocentiagasse nach Schwester Innozenz, die andere ist die Sommerergasse nach dem Lehrer Karl Sommerer. Beim ersten von Theodor Stöhr besuchten Vinzenz-Jäger-Abenden im Ober St. Veiter Casino, das war im Mai 1942, traf er sogar noch Personen, die einige der von Vinzenz beschriebenen Personen persönlich gekannt hatten. Theodor Stöhr bezweifelte allerdings, dass sich die Dinge wie geschildert zugetragen hatten, obwohl er die eine oder andere Geschichte auch aus anderer Quelle kannte. Der Inhalt der vorgetragenen Selbstbiografie ist aber als weitgehend authentisch zu werten.

In der Folge können nun einige Tonaufnahmen der vorgetragenen Stücke angehört werden:

Theodor Stöhr trug auch Gedichte von Karl Jäger vor. Die meisten dieser Gedichte entstanden zwar vor seiner Ober St. Veiter Zeit, doch die Inhalte dieser Gedichte haben auch für das Dorf St. Veit an der Wien Relevanz. Von den in Sankt Veit entstandenen Gedichten ist das „Loblied auf Ober St. Veit“ hervorzuheben.

Im Laufe der Lesung trug Theodor Stöhr noch weitere „Gustostückeln“ von Vinzenz Jerabek vor, u. a. das Weihnachtskraut, die Ansichtskarte und die Lotterieschwester.

Bei der Veranstaltung anwesend waren auch Professor Gunther Martin und seine Lektorin aus dem Verlag Jugend und Volk. Gunther Martin hatte am Ende der Veranstaltung die Gelegenheit, sein kurz vor der Veröffentlichung stehendes Buch „Hietzinger Geschichten“ vorzustellen und in eine kurze Diskussion zur Hietzinger Literatur einzusteigen.

Audiodatei transkribiert von hojos
im August und September 2024