Die Faistenmühle
Lainzer Straße 10, zuletzt Hietzinger Mühle
14.01.2019
Aus Gaheis: Wanderungen und Spazierfahrten 7. Bd. S. 127: Am Rande der Wiese schlängelt sich unter einzelnen Gebüschen der Mühlbach dahin, und verwehrte uns hier den Übergang auf die St. Veiter-Straße [Hietzinger Hauptstraße]. Willig schlenderten wir an seinem grasreichen Ufer fort, und sahen den Zügen und Spielen der elastischen Fische zu, bis uns eine Wendung von selbst wieder auf die Straße führte.
Baugeschichte
Die erste urkundliche Nennung „zesampt der müle (...) die da leit ze Hietzinge an dem Gern (...)“ bezeichnet die Lage des Mühlengebäudes. „Im Gern“ bezieht sich auf die Form des Geländes, und zwar auf eine keilförmige Fläche, die von der Lainzer Straße und einem Weg, dem Vorläufer der h. Auhofstraße, gebildet wurde. Gêren, auch Gern, ist ein kürzeres Ackerbeet, das wie ein Zwickel oder Keil zwischen längeren liegt.
1364 hatte der damalige Pfarrer von St. Veit, Eberhardt Hugenhauser, die Mühle als Brandstatt erworben.
1489 wurde Urban Dóczi, der König Matthias im Krieg gegen den Kaiser unterstützte, an die Gewähr geschrieben. Er war 1483–86 Bischof von Raab gewesen, dann Bischof von Erlau; 1488–90 war er Administrator des vakanten Bistums Wien.
1490 brannte die Mühle; zwei Jahre später wurde sie von Joachim Schettl (Schöttl) erworben, wobei der Besitzbrief von Kaiser Friedrich III. ausgestellt wurde und somit die Mühle für einige Zeit nicht mehr in bischöflichem Besitz war.
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts besaß Ma(r)x Treytzsaurwein, ein Geheimschreiber Kaiser Maximilians I., das Anwesen.
1527 übergab die Witwe Treytzsaurweins die Mühle gegen Empfang von 60 fl. an Bischof Johann von Revellis.
Die Bezeichnung Faistenmühle - „faist-Mühl“ - tritt erstmals 1751 auf und geht auf den Namen eines Besitzers zurück.
1764 durchschnitt die neu gebaute Straße nach St. Veit (h. Hietzinger Hauptstraße) den Grund der Realität. Sie ist auf einem Plan aus dem Jahr 1762 bereits projektiert. Auf ihm sind auch das sogenannte „große Herrschaftshaus“, das mit dem eigentlichen Mühlengebäude einen Hof umschloss, eine Gartenanlage sowie das sogenannte „kleine Herrschaftshaus“ eingezeichnet. Dieses liegt südlich des Mühlbaches und weist hier eine quadratische Form mit Innenhof auf, der weder auf dem Brequin-Plan von 1754/55 noch in den wenige Jahrzehnte später erstellten Plänen zu bemerken ist. Wahrscheinlich hat der Zeichner frei gestaltet. 1754/55 bestand ein rechteckiger Grundriß, nach 1762 mit einem im Westen angebauten Trakt, in dem eine Filatur zum Abhaspeln und Zwirnen von Seide eingerichtet war. Dies kann mit der unter Maria Theresia geförderten Seidenerzeugung zusammenhängen und damit möglicherweise auch mit der 1762 erfolgten Maulbeerpflanzung in Hacking. Das „kleine Herrschaftshaus“ ist heute noch erhalten (Lainzer Straße 14).
Die Faistenmühle wurde wie die Feldmühle von einem Mühlbach angetrieben, der von der Wien, die an der Stelle des h. Preindlsteges aufgestaut war, abgeleitet wurde. Er mündete am Beginn der Lainzer Straße in den Lainzerbach.
1796 kaufte das Stift Klosterneuburg von der Herrschaft St. Veit, dem Bistum Wien, die grundherrlichen Rechte über das bisher zur Faistenmühle gehörige, nun aber getrennte nördlich gelegene Herrschaftshaus mit Gartengebäude samt Zier- und Küchengarten, vier Tagewerk Wiesen sowie einen Fleck Wiese neben dem Mühlbach und der St. Veiter-Straße. Diese Wiese gehörte zunächst zum Gasthof „Zum Schwarzen Hahn“, der an Stelle des h. „Hietzinger Bräu“ stand. Weiters kaufte das Stift u. a. das Mühlengebäude mit vier Gängen und 24 Tagewerk Wiese sowie das bisher zur Mühle gehörige südlich gelegene schon erwähnte „kleine Herrschaftshaus“. Im selben Jahr erfolgte eine Teilung des Besitzes, die beiden Herrschaftshäuser wurden von der Mühlenrealität abgetrennt. Das „große Herrschaftshaus“ kam mit Gartengebäude Zier- und Küchengarten an Alexander von Brevillier, das „kleine Herrschaftshaus“ an Josef Wenzl Graf von Thürheim. Dieser verkaufte es noch 1796 an Carolina Henrica Gräfin von Clary und Aldringen. Die Mühle kam 1797 in den Besitz von Johann und Anna Maria Langl.
Bereits um 1760 führte von den herrschaftlichen Häusern aus eine Allee zur Abzweigung der Lainzer Straße von der Hietzinger Hauptstraße. Hier befanden sich ab ca. 1820 zwei kleine Eingangspavillons mit Vasenaufsätzen. Um diese Zeit war die Liegenschaft von der Lainzer Straße aus entweder über einen Steg oder über eine kleine Brücke über den Lainzer Bach zu erreichen. Vom Mühlbach zweigte vor dem Mühlgebäude ein Überlaufgerinne zum Lainzer Bach ab. Der damals in einem Abstand von wenigen Metern vom Mühlgebäude gelegene Trakt, die Wohnung des Müllers, ist heute noch erhalten.
Um 1815 bestand die Mühle aus dem eigentlichen Mühlengebäude, an das sich Nebengebäude anschlossen, sowie aus einem zwischen 1800 und 1815 erbauten zweiten Hauptgebäude mit U-förmigem Grundriss an der Lainzer Straße als Wohn- und Verkaufshaus. Dieses wurde Ende des 19. Jahrhunderts abgerissen. Im Mühlengebäude selbst war für die Erhaltung und Wartung des Mühlrades eine Radstube eingerichtet.
1830 kam die Mühle durch Versteigerung aus dem Besitz von Graf von Genicco an Josefine Gräfin von Bathyány. Diese verkaufte sie 1831 an den Müllermeister Ferdinand Mosbacher und seine Frau Magdalena.
1863 war von dem Baumeister Josef Kopf der Anbau eines Maschinenraumes für eine Dampfmaschine geplant. Ob sie tatsächlich eingebaut wurde, ist ungewiss. Diese hätte zumindest bei Niederwasser an Stelle der Wasserkraft eingesetzt werden können bzw. wäre ein Ersatz für den stillgelegten Mühlbach gewesen. (Anm: Als Dampfmaschinenantrieb im Mühlenbetrieb hat sich das Compound-System bewährt. Die Tourenzahl betrug 30 bis 35 Umdrehungen pro Minute. Die erste Dampfmühle (Albion Mill) stand 1784 in London. 1842 wurde in Wien, am Schüttel, die erste k. k. private Dampfmühle Österreichs in Betrieb genommen.)
1869 bestanden noch das Mühlengebäude und die beiden herrschaftlichen Gebäude; auch der Mühlbach war vorhanden. In einem Vermessungsplan aus dem Jahr 1886 ist er nur mehr bis zur Mühle eingezeichnet. Außerdem ist es naheliegend, dass während der Entstehung des unmittelbar an den Mühlenkomplex angrenzenden Vergnügungsparks „Neue Welt“ ab 1867 der Bach, dessen Verlauf teilweise durch dieses Areal führte, dort zugeschüttet wurde. Sein Verlauf westlich der Mühle – in etwa der h. Neue-Welt-Gasse entsprechend – grenzte jedenfalls das Vergnügungsetablissement gegen Süden ab. Das „große Herrschaftshaus“ nördlich der Mühle wurde von dem Etablissementbesitzer Karl Schwender in seine Anlage mit einbezogen und entsprechend adaptiert. Auf einer Lithographie um 1875 ist der langgestreckte Bau am linken Rand des Areals zu sehen. Auch der vorgelagerte niedere Trakt ist in seiner Grundsubstanz dem „großen Herrschaftshaus“ zuzurechnen. Diese Gebäude wurden nach dem Niedergang des Unternehmens 1882 an die „Böhmische Bodencredit-Gesellschaft“ verkauft und 1883/84 abgetragen; der Bereich der „Neuen Welt“ wurde parzelliert.
Um 1900 richtete ein Brand in dem Mühlengebäude großen Schaden an. Es wurde danach nicht mehr wiederhergestellt. An die alte Mühle erinnern heute außer dem noch erhaltenen Trakt – damals Wohngebäude des Müllers – nur mehr einige im Garten liegende Mühlsteine.
Baubeschreibung
Das zweigeschoßige Wohngebäude stammt mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. 1796 ist es als „Müllers Wohnung“ in einem Plan eingezeichnet. Es umfasste damals nur einen Trakt. Der im rechten Winkel angebaute Teil aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigt eine um 1860 erfolgte gehobene Innenausstattung (Böden, Türen). Die Türe in den Garten, möglicherweise auch unter Putz die Fenster an dieser Fassade, weisen Sandsteingewände auf. Zwischen 1866 und 1868 wurde gegen Osten ein Anbau ausgeführt, der im ersten Stock eine nur nach Norden verglaste Veranda hat. Im alten Trakt ist eine einfach geformte Stuckdecke erhalten.
Bei Restaurierungsarbeiten entdeckte man 1990 unter dem gegenwärtig bestehenden Gebäudetrakt das zugeschüttete Gewölbe des Mühlbaches.