Zeltlager im Hörndlwald

Nach dem „Prager Frühling“ vor bald 50 Jahren strandeten viele tschechoslowakische Staatsbürger in Wien. Viele konnten im Hörndlwald übernachten.
18.09.2017

Im kommenden Frühling ist es genau 50 Jahre her, dass die tschechoslowakische Kommunistische Partei (KPČ) unter Alexander Dubček ein Liberalisierungs- und Demokratisierungsprogramm durchsetzen wollte („Prager Frühling“). Diese Reformbemühungen wurden durch eine sich rasch entwickelnde kritische Öffentlichkeit beeinflusst und verstärkt. Dieser Versuch, einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ zu schaffen, wurde durch die am 21. August 1968 einmarschierenden Truppen des Warschauer Paktes niedergeschlagen.

Tausende tschechoslowakische Staatsbürger, die in ihren Urlaubsorten, meist in Jugoslawien, von den Ereignissen in ihrer Heimat überrascht wurden, strandeten auf der Rückreise in Wien, und viele wollten hier die weitere Entwicklung in ihrer Heimat abwarten. Bis zu rd. 7000 Personen wurden in Wien in den verschiedensten Quartieren gleichzeitig betreut, u. a. in Heimen, in Schulgebäuden, in Veranstaltungshallen, schließlich auch in der Halle B der Wiener Stadthalle und im Arsenal. Es gab einen permanenten Einsatzdienst von Bediensteten der Stadt Wien, viele ehrenamtliche Helfer und auch Einsätze es Bundesheeres. Das Aktionskomitee CSSR-Hilfe gab jedem CS-Touristen einen Betreuungspass, der eine Verpflegung bei den WÖK, Spitalsbetreuung und die kostenlose Benützung der städtischen Brausebäder ermöglichte. Die Verkehrsbetriebe stellten Gratisfahrscheine zur Verfügung. Nach der intensivsten Einreisewelle während des letzten August-Wochenendes flaute der Zustrom ab. Ein abschließender Bericht über die CS-Hilfe vom 27. September 1968 im Wiener Gemeinderat nannte 102.000 Not-Übernachtungen für ganz Österreich, wovon 90 Prozent auf Wien entfielen. Nur wenige der Gestrandeten blieben dauerhaft in Österreich.

Eine Zeltkolonie, die sich in den ersten Tagen der Krise im Überschwemmungsgebiet beim Kaisermühlendamm gebildet hatte, übersiedelte am 23. August 1968 unter Assistenz von Polizei und ARBÖ in ein Zeltlager auf den Sportplatz des von der Wiener Volkshilfe betriebenen Josef-Afritsch-Heimes im Hörndlwald. Dort war für Trinkwasser und sanitäre Anlagen gesorgt. Über 200 ehrenamtliche Mitarbeiter stellten ihre Arbeitskraft zur Verfügung. Auch hier versorgten die WÖK die eintreffenden CSSR-Bürger mit warmen Mahlzeiten.

Nach der Rückkehr der gestrandeten Urlauber in ihre Heimat blieben eine ganze Reihe von Zelten der Firma Peter Petersen auf dem Sportplatz zurück, die offensichtlich vom Produzenten gespendet worden waren. Die regionale Jugend verwendete das leere Zeltlager für ihre Spiele.

hojos
2017