1. Ober St. Veiter Drahrer Club
Diese Bezeichnung findet man in dem Vereinsregister der Nö. Statthalterei unter lfd. Nr. 1158 und dem Datum 1.8.1887; damit war dem Proponenten – dem Gastwirt Franz Rainer – die Vereinsgründung genehmigt.
01.02.2003
Das Gasthaus Rainer befand sich in der Auhofstraße, seinerzeit Nr. 34, heute Nr. 141 und ist nun Standort der Ober St. Veiter Apotheke. Tatsächlich ins Leben gerufen wurde der Drahrer Club allerdings schon im Jahre 1886. Dies bestätigen die Aufschriften auf der Fahne des Vereines, auf einigen der Vereinsabzeichen und auf den Programmen.
Den ersten Umzug dürfte der Verein schon im Fasching der Gründungssaison 1886/87 veranstaltet haben; das bestätigen ebenfalls die oben erwähnten Programme, aber auch Berichte in der Wiener Tagespresse. Dort ist zum Beispiel im Feber 1897 schon vom 10. Faschingsumzug die Rede. Damals berichtete man den Ertrag vor 10 Jahren mit 5.000 Gulden (23.000 €) und den durch die Umzüge in Ober St. Veit getätigten Umsatz mit 40.000 Gulden (181.000 €). Darüber hinaus wurden Mai- und Familienfeste arrangiert. Der Ertrag der Aktivitäten des Vereines wurde von Anfang an für die Unterstützung notleidender Kinder bestimmt. Leider haben sich weder im Nö. Landesarchiv noch in privater Hand die Statuten erhalten.
Bösartige Zeitgenossen unterstellten den Vereinmitgliedern die Freude an möglichst häufigen Gasthausbesuchen - dies ist sicher nur eine Unterstellung; allerdings ist festzustellen, dass laut erhaltenem Protokollbuch (ab 1920) zumindest in der kalten Jahreszeit etwa 2 Sitzungen pro Woche stattfanden. Um keinen der zahlreichen Gastwirte vor den Kopf zu stoßen, wechselte der Vereinssitz ständig.
Erstmals berichtete eine Wiener Wochenzeitung im Feber 1888 über den „traditionellen Faschingsumzug in Ober St. Veit“ - sicher eine journalistische Übertreibung. Allerdings entwickelte sich die Tätigkeit des Drahrerklubs so erfolgreich, dass in den zwanziger Jahren die Zeitungen von mehreren hunderttausend Besuchern berichteten. Die vorhandenen Kassenberichte lassen aber nur auf etwa 50.000 zahlende Besucher schließen. Es wurde sehr streng kassiert! Jeder Besucher musste ein Programm, welches gleichzeitig als Eintrittskarte galt, kaufen. 1906 kostete es 20 Heller. 1926 wurden als Eintritt 30 Groschen verlangt, das Programm kostete 10 Groschen.
1929 wurden 60.000 Karten aufgelegt, (leider hat sich keine erhalten) und 300 Kassiere beschäftigt. Die Zugangsstraßen zum Faschingsumzug dürften demnach sehr rigoros kontrolliert worden sein. Mit Rücksicht auf das ärmere Publikum wurden an mehreren Stellen die Programme ausgehängt. Die Route des Zuges führte vom Kai (damals mangels Anbindung noch ohne Verkehr) bei der Zufferbrücke in Richtung Firmiangasse – Hietzinger Hauptstraße – Rohrbacherstraße – Tuersgasse – Amalienstraße – Testarellogasse – Auhofstraße – Firmiangasse, wo sich der Zug beim Kai auflöste.
Der erzielte Ertrag wurde immer wieder dem Vereinszweck entsprechend zum Besten armer Kinder verwendet. 1924, in der beginnenden Inflationszeit, wurden bereits Anfang Oktober um den Betrag von 5 Millionen Kronen Schuhe für Kinder im Ankaufswert zwischen 140.000 und 180.000 Kronen erworben. Bei der Übergabe am 21. Dezember hätte man gerade 2 Paar Kinderschuhe um diese 5 Millionen erhalten. 1928 wurden 30 Kinder beteilt. Im Protokoll ist nur die Gabe an Knaben – Hose, Rock und Strümpfe – festgehalten.
Schon 1920 wurde der Drahrerklub zum „Wohltätigkeitsverein mit angeschlossenem Sparverein“. Die letzte Eintragung im erhaltenen Protokollbuch des Jahres 1936 spricht von der Notwendigkeit, noch 1000 Schilling auftreiben zu müssen, um einen Faschingsumzug gestalten zu können. Das Jahr 1938 brachte die Auflösung des Drahrerklubs.
Die vom Draherklub vertretenen Ideen übernahm das Narrenzentrum Ober St. Veit, dessen Geschicke sein nunmehr über 25 Jahren von dessen Ministerpräsidentin Emma Zorga geleitet werden. Das Narrenzentrum Ober St. Veit ist Mitglied des Bundes Österreichischer Faschingsgilden (BÖF). Wegen der hohen Kosten und der nahezu versiegenden Bereitschaft Einzelner, bei den aufwändigen Arbeiten und Tätigkeiten mitzuhelfen, wechseln sich die 5 in Wien existierenden Faschingsgilden bei den einzelnen Faschingsaktivitäten ab. Zu den Aktivitäten zählen das Narrenwecken am 11.11. um 11 Uhr 11, der Faschingsumzug immer am Faschingssamstag und die Faschingsverbrennung am Faschingsdienstag um Mitternacht. Daraus folgt, dass der Faschingsumzug nach gegenwärtigem Rhythmus alle 5 Jahre in Ober St. Veit stattfindet. Den Bericht zum letzten Ober St. Veiter Umzug vom 1. März 2008 finden Sie HIER.
Seit 16. Juni 1986 besitzt das Narrenzentrum Ober St. Veit auch eine eigene Gildenhymne. Geschrieben wurde die Hymne samt Text vom damaligen Faschingsbürgermeister der Gilde, Herrn Hermann Schmidt. Hermann Schmidt war auch der Dirigent und Leiter des Gesangvereines im Kasino Ober St. Veit und hat die Hymne für die Gilde mit den Sängern des Gesangvereines auf CD aufgenommen. Die Aufnahme wird noch gesucht. Hier die originalen Notenblätter: