Engel – Meisterwerke der Friedhofskunst
Ein Fotoband von Gerd. W. Götzenbrucker
30.10.2011
"Hallo Frau Glaeser, gibt's was Neues?"
An sich eine verhängnisvolle Frage, denn sie kann Geld kosten. Aber es ist schwierig, die Ober St. Veiter Passage ohne Schwenk unter die Arkade des Bücher & Geschenkeladens zu passieren. Es war der 19. Oktober 2011, und dieses Mal kostete die Frage € 29,90. Ein Exemplar des vor wenigen Tagen erschienenen Buchs "Engel – Meisterwerke der Friedhofskunst" von Mag. Gerd Götzenbrucker begleitete mich aus dem Laden heraus. Gerd Götzenbrucker ist seit 1999 als freier Journalist, Autor, Grafiker und Fotograf tätig. Seine Agentur ist in der Hietzinger Hauptstraße 148. Damit hat sich die beachtliche Reihe der Ober St. Veiter Schriftsteller abermals erweitert.
Zu Hause befreie ich das Buch (schlechten Umweltgewissens) von seinem Schutzumschlag und beginne zu blättern. Es handelt sich um einen im renommierten Dom-Verlag erschienen Fotoband mit Aufnahmen von Friedhofsskulpturen, unter anderem auch vom Hietzinger und Ober St. Veiter Friedhof. "Acht Jahre lang hat Gerd Götzenbrucker die Wiener Friedhofsskulpturen fotografisch aufgespürt und während aller Jahreszeiten fotografiert. Und da der Hietzinger und Ober-Sankt-Veiter Friedhof ein Herzstück der Arbeit ist, könnte das Buch vielleicht auch Sie interessieren!" So habe ich noch Frau Glaesers Empfehlung in den Ohren.
Natürlich interessiert es mich, und die herrlichen Fotografien aus spannenden Perspektiven und mit einprägsamen Bildausschnitten halten etwas fest, was zunehmend gefährdet ist. Die verfallenden und todgeweihten Denkmale und Skulpturen selbst durchaus prominenter Persönlichkeiten stimmen mehrfach traurig. Die Familien sind oft ausgestorben, und die öffentliche Hand kann nicht alles übernehmen. In gewisser Weise der letzte Tod für viele Menschen. Umso wichtiger ist es, dass dieses kulturelle Erbe, das oft auch künstlerischen Wert besitzt, wenigstens fotografisch festgehalten wird, und Gerd Götzenbrucker leistet dazu Hervorragendes. Seine Fotos zeigen die Skulpturen im schönsten Licht und arbeiten ihre Demut, ihre Wehmut und ihre mystische Symbolik deutlicher hervor, als man es bei direkter Betrachtung wahrnehmen würde.
Aber dieses Buch ist auch ein Sachbuch. Vorerst wird natürlich der im Vordergrund stehende Begriff "Engel" definiert. Gerd Götzenbrucker ordnet hier fast alle Grabskulpturen ein – außer den Büsten, die Verstorbene darstellen. Das sei gewagt, erklärt er, denn schließlich gäbe es eine kunsthistorische Entwicklung angefangen vom heidnisch-antiken Genius über den christlichen Schutzengel und Wächterengel bis zum historistischen Todesengel mit wallendem Haar und flatterndem Gewand. Besonders berührend seien die Schreibeengel: Mit einer Feder in der Hand schreiben sie Liebesverse auf den Grabstein: "Ruhe in Frieden" oder "Friede seiner Asche".
Wer sich in den Text des Buches vertieft, lernt viel über das Bestattungswesen vor allem mit Wiener Bezug und über zahlreiche Facetten der hier eingesetzten bildenden Kunst. Dazu zählen Erläuterungen zu den stilistischen Entwicklungen, dem Material, der Technik, der Symbolik, den beschäftigten Bildhauern etc.
Insgesamt ist das Buch mit seinen atmosphärischen Bildern und den konzisen Texten eine poetische Verbindung von Wort und Bild. Fast hypnotisch zieht es den Betrachter in diese "Engelswelt". Den möglicherweise aufkommenden Wunsch nach einer weitergehenden Beschäftigung mit der Friedhofsgeschichte erfüllt eine kurze Literaturliste.
Wiener Dom-Verlag
208 Seiten; 24 x 20; Hardcover
ISBN: 978-3-85351-235-7
Preis: € 29,90
Mehr zu dem Buch erfahren Sie auf der Internet-Seite www.engel-wien.at.