Funde im Wienfluss
Auszug aus dem Bericht über römische Funde in Wien in den Jahren 1896 bis 1900 von Dr. Friedrich Kenner. Orthografie im Zuge der Übertragung teilweise modernisiert. Einzelne Deutungen (z.B. römische Hochwasserschutzbauten am Wienfluss) entsprechen nicht mehr dem heutigen Stand der Archäologie.
Zum ersten Mal gab, soviel bekannt geworden ist, der Neubau der Kaiserin-Elisabethbrücke welche Kärntnerstraße und Wiednerhauptstraße verband, den Anlass in den Böschungen des Wienflusses und im Rinnsale selbst römische Objekte zu finden. Der Neubau wurde, nachdem ein Hochwasser im Jahre 1851 die alte Steinbrücke zerstört hatte, zwischen diesem und dem Jahre 1854 ausgeführt. Damals fand man, zumal beim Ausheben der Erde für den Unterbau des „zweiten“ Pfeilers (1852), dann wieder im Jahre 1855, einen gefutterten Denar von Kaiser Caracalla, Bronzemünzen von Tiberius, Trajan, Lucilla, Commodus und Macrinus (vgl. Geschichte der Stadt Wien (1897), I, S. 147). Auch bei der Demolierung der genannten Brücke und den Arbeiten zur Einwölbung des Flusses im Jahre 1898 zeigten sich vereinzelt römische Münzen am linken Ufer (Fig. 77), so oberhalb der hölzernen Notbrücke, die gegen die Operngasse gerichtet war, in 10,5 m Tiefe zwei schlecht erhaltene Sesterze des 2. Jahrhunderts, etwas flussabwärts ein verschliffener Kupferdenar aus der constantinischen Epoche. Neben der anderen, unteren, damals für die Tramway-Linie errichteten Notbrücke nächst Nr. 1 der Lothringerstraße (jetzt Karlsplatz Nr. 1) wurden beim Fundamentieren der schweren Stützmauern für die Einwölbung des Flusses in 13 m Tiefe ein Bronzeas des Kaisers Vespasian (Rückseite: Victoria ein Tropaeum bekränzend), ein Sesterz von Nerva, die Rückseite zerstört, ein Denar der Kaiserin Julia Domna (oder Julia Mamaea?), späterhin angeblich verloren, und ein Kupferdenar des Kaisers Gratian mit Gloria Romanorum ausgehoben. Diese Münzenfunde seien wegen der Tiefenlage der Fundstellen und zur Vervollständigung der älteren Funde nächst der Elisabethbrücke hier erwähnt; es fällt an ihnen die reichliche Vertretung des 2. Jahrhunderts auf.
Eine andere Unternehmung neuerer Zeit, welche unter die damalige Sohle des Flusses und seiner linksufrigen Böschung führte, war die Erbauung des Künstlerhauses (früher Lothringerstraße 9, jetzt Karlsplatz 5) im Jahre 1865. Auch diese Funde sind an anderer Stelle schon mitgeteilt worden (Geschichte der Stadt Wien (1897), I, S. 117). Ich erinnere hier nur daran, dass man dort, in der Diagonale, durch den Bauplatz des Künstlerhauses von Südost nach Nordwest durchlaufend, den Rest einer römischen Straße in 7 m Tiefe auffand. In der nächsten Nähe grub man eine Säule, 1,6 m hoch mit glattem Schaft, ein Capitäl mit Acanthusblättern und ein Pilastercapitäl mit gleicher Dekoration, ferner Balken aus Eichenholz und sechs Münzen aus der Zeit des Kaisers Trajan bis Caracalla (98–217) aus (A. a. O. Fig. 78, 79 weiter unten. Die Münzen waren ein Dupondius von Trajan, ein As und ein Dupondius von Hadrian, ein As von Antoninius Pius, ein Denar von Septimius Severus, ein Antoninian von Caracalla). Vor dem Künstlerhaus trafen die Arbeiter, welche in demselben Jahr das Flussbett näher gegen die Stadt zu verlegten, an der Stelle, wo sich das neue und alte Flussbett berührten, 1 m unter der Sohle des letzteren, also 9,5 m unter dem Niveau der Lothringerstraße, den Teil eines Sarkophages mit der Relieffigur des die Fackel senkenden Todesgenius (Ebenda S. 118).
Schon diese Erscheinungen wiesen darauf hin, dass die Wien zwischen der Wiednerhauptstraße und Heugasse in nachrömischer Zeit ihren Lauf geändert hat und nun den Weg über einen Platz einschlug, der zur Zeit der römischen Okkupation, sicher vom 2. Jahrhundert an und hauptsächlich, wie wir sehen werden, während des ersten Drittels des 3. Jahrhunderts, mit Grabmälern besetzt und von einer Straße durchzogen war, die ihrer Richtung nach vom Rennweg gegen die Oper zielte.
Welchen Lauf der Fluss vordem, das heißt in römischer Zeit eingeschlagen habe, darüber eine Vermutung auszusprechen, steht mir nicht zu; ich möchte hier aber auf einen Umstand aufmerksam machen, welcher für diese Frage vielleicht nicht ohne Belang ist. Ich vermute, dass uns eine letzte Reminiszenz an den Flusslauf in jener Linie der Höhenkoten erhalten ist, welche in den offiziellen Plan von Wien vom Jahre 1859 aufgenommen und im I. Band der Geschichte der Stadt Wien (herausgegeben vom Altertumsverein 1897) auf Taf. III wiederholt ist. Diese Linie vereinigt die Koten von 166,3 m über dem Meer (nach dem neuen Nivellement der Seehöhe des Donaupegels 170,4 m) und zieht sich über den Getreidemarkt durch das Gebäude der k. k. Akademie der bildenden Künste nördlich, dann bis nahe zur Handelsakademie östlich, von hier in mehreren Ausbuchtungen quer durch die Häuserblöcke am Rande der unteren Teile der Anna-, Himmelpfort- und Weihburggasse, der Singerstraße und Wollzeile in nordöstlicher Richtung. Mit dieser beiläufigen Linie des Flusslaufes stimmen die allerdings wenigen sicheren Funde überein. So hat man den römischen Votivaltar in der Annagasse Nr. 3 in einer Tiefe von 12 m getroffen (Geschichte der Stadt Wien (1897), I, S. 89); da er nach seiner Widmung an Silvan, die Silvanae und die Quadrubae ursprünglich an einer Kreuzung von zwei Wegen, also oben auf dem Steilrand, gestanden hat, muss er, ähnlich wie die Ara an Silvanus Domesticus im Palais Herberstein, durch Unterwaschung des Bodens in die Tiefe gelangt sein. Beim Kanalbau für das Haus Nr. 15 am Kärntnerring fand man Reste eines römischen Grabes in 7,5 m Tiefe (Geschichte der Stadt Wien (1897), I, S. 134); von dem beim Bau der Handelsakademie ausgehobenen Votivstein ist die Tiefe der Fundstelle nicht bekannt (Geschichte der Stadt Wien (1897), I, S. 148), sicher aber auch beträchtlich, da er beim Legen der Fundamente zutage kam. Soweit aus diesen Fundstellen geschlossen werden kann, scheint noch um Mitte oder Ende des 2. Jahrhunderts – die Ara aus Annagasse Nr. 3 zeigt keine Ligaturen und bezeichnet den Widmenden noch mit drei Namen (L. Minicius Honoratus) – der Wienfluss nächst Annagasse Nr. 3 vorübergezogen zu sein, während der Platz des heutigen Hauses Kärntnerring Nr. 15 schon am rechten Ufer lag. Die Tiefe dieser letzteren Fundstelle (7,5 m) entspricht nahezu der Tiefe, in der man die römische Straße im Künstlerhaus gefunden hat (7 m). Demnach würde auch der Platz der Handelsakademie sowie des Künstlerhauses zu jener Zeit noch am rechten Ufer der Wien gelegen gewesen sein.
Im Laufe des Jahres 1898 gab nun die Einwölbung des Wienflusses den Anlass, auf derselben Strecke am linken Ufer die alte schräge abfallende Böschung des Flusses abzustechen, um an ihre Stelle eine senkrechte, sehr starke Steinmauer aufzuführen, welche als Wiederlager für das den Fluss überspannende Gewölbe zu dienen hatte. Bei diesen Arbeiten stieß man in einer Tiefe von 6 bis 7, zumeist von 8 bis 9 m im Erdreich der alten Böschung vor dem Künstlerhaus und flussaufwärts bis zur Handelsakademie, flussabwärts bis zum Musikvereinsgebäude, auf eine größere Anzahl von Architekturstücken, Reliefs und einigen Grabsteinen römischer Zeit, deren baulicher Zusammenhang verloren ist, die aber auf das Vorhandensein beträchtlicher Grabmonumente an jener Stelle hinweisen; die reichsten scheinen zwischen Handelsakademie und Künstlerhaus gestanden zu haben.
Um die Menge der Fundobjekte in übersichtlicher Weise darzustellen, sondern wir sie nicht bloß nach den Fundstellen, sondern auch nach dem Material, indem die bedeutsameren, feiner gearbeiteten Architekturteile aus grauem Kalkstein, die übrigen aus einem mehr oder weniger harten Sandstein bestehen. Es soll damit nicht ein chronologisches Merkmal aufgestellt sein, sondern der Wahrscheinlichkeit Rechnung getragen werden, dass die im Umkreis einer und derselben Fundstelle ausgehobenen Bruchstücke gleichen Materiales wohl als zusammengehörig betrachtet werden dürfen.
A.
Vor allen anderen lenken die vor der Ecke der Handelsakademie und im nächstanstoßenden Teil der alten Böschung gegen das Künstlerhaus im Erdreich 8 m tief getroffenen Architekturteile aus grauem Kalkstein die Aufmerksamkeit auf sich.
Zunächst fand man dort eine auf dem gewachsenen Boden ruhende, von S nach N laufende Mauer (Fig. 77, bei A), 1,8 m dick, im Aufgehenden 50 cm hoch und auf 4 bis 5 m Länge bloßgelegt. Sie bestand aus Bruchsteinen, nach außen aus großen regelmäßigen Quadern und sehr starkem Mörtel. Obwohl vom Grundwasser durchnässt und schwarz aussehend, war das Gefüge noch so fest, dass ihre Beseitigung schwere Mühe verursachte. Ich stehe nicht an, in ihr den Rest der Untermauerung, den Sockel eines größeren Grabgebäudes zu erkennen, zumal als dort auch große Schollen eines Estrichbodens, der das letztere umgeben haben wird, in gleicher Tiefe angetroffen wurden. Der Estrich bestand aus einer mit Schotter und Ziegelstücken gemischten, festgestampften Lage von Lehm, in welchem sich auch zahlreiche verschlackte Eisenstückchen vorfanden, ähnlich jenen über den Gräbern am Stockimeisen-Platz. Auch an anderen Stellen zwischen Handelsakademie und Musikvereinsgebäude hat man ähnliche Estrichschollen gefunden.
Die vor der Handelsakademie ausgehobenen Architekturteile (die gleichen Buchstaben a–z und aa bis dd, unter welchen hier die Objekte aufgeführt werden, bezeichnen in Fig. 77 die Fundstellen derselben) aus grauem Kalkstein sind:
a) Ein Fenster- oder Türpfosten, 70 cm hoch, unten 35 cm breit, 13 cm stark, glatt, mit Falz, sehr fein und sorgfältig gearbeitet.
b) Giebel, die Steinfarbe ins Rötliche spielend, 70 cm hoch, 1,1 m breit, die Umrahmung glatt, die 17 cm tiefe Füllung mit zierlichem Rankenwerk von
Acanthus, welches die Winkel ausfüllt, geschmückt (Fig. 78).
c) Pfeilercapitäl 28 cm hoch, oben 39 cm breit, 32 cm stark, von sehr zierlicher Arbeit, der Architrav mit Blattkyma geschmückt, der Echinus mit Blättern belegt; in der Mitte zweimal mit Perlenschnüren gebunden. Von den Voluten ist nur jene zur Rechten erhalten (Fig. 79).
d) Eckstück eines Gesimses und zwei Halbsäulen, Bruchstücke, glatt, mit Resten der Rückwand.
e) Oberer Teil einer glatten Säule mit Capitäl. Letzeres 31 cm hoch, der Abacus 64 cm breit, unter diesem ein mit einem unterbundenen Blatt belegter Polster. Unter dem Polster ein einfaches Blattkyma, unter diesem ein Astragal. (Fig. 80). Der Schaft, nur mehr auf 10 bis 11 cm erhalten, hat 48 cm Durchmesser und ist glatt. Der Abacus hat in der Mitte oben ein Dübelloch von 7:5 cm Größe und 7 cm Tiefe; darunter eine runde Ausbohrung, die durch das Capitäl hindurch bis in den Schaft der Säule hinabreicht. Vom Dübelloch geht eine Rülle bis zum Rande des Abacus, sie ist 3 cm breit und 1 cm tief.
An derselben Stelle fand sich in gleicher Tiefe ein Bronzeas des Kaisers Severus Alexander aus seinem ersten Regierungsjahr (222) mit der Göttin Spes auf der Rückseite.
f) Glatte Säule, 9 m tief, außerhalb der Böschung, im Flussbett der Wien und zwar an einer Stelle gefunden, deren Linie, zurückverlängert, genau auf die Feuermauer zwischen der Handelsakademie und dem Nebenhaus (Lothringerstraße Nr. 5, Karlsplatz 3) trifft. Die Säule, noch 2,35 m lang – es scheinen 3 bis 5 cm am oberen Teil zu fehlen – hat oben einen Durchmesser von 52, unten einen Durchmesser von 54 cm, oben ein Dübelloch von 12 cm Breite und Tiefe, unten ein solches von 6 cm Breite und 11 cm Tiefe. Leider wurde sie beim Ausgraben zerbrochen.
g) Von der Fundstelle f weg fand man im Flussbett in schräger Linie gegen Süden, das heißt eben so orientiert wie die oben erwähnte Quadermauer, vier glatte Säulen, von denen zwei ausgehoben wurden. (Fig. 81.) Sie sind der unter f aufgeführten gleich, aber nur 2 m 22 cm lang, der Durchmesser beträgt oben 50, unten 58 cm. Die Dübellöcher finden sich wie bei der vorerwähnten Säule sowohl an der oberen als an der unteren Fläche.
Neben ihnen lagen flussaufwärts in schräger Linie hintereinander vier große Platten aus Sandstein (Fig. 77, gggg), die möglicherweise zu den Säulen gehört haben; sie sind 80 cm lang, 60 cm breit und 30 bis 34 cm hoch. Eine derselben ist an den Rändern der einen Schmalseite à la Rustica bearbeitet und zeigt an der anderen Schmalseite dreizehn Riefen in krummen Linien eingemeißelt. Neben den Säulen und Platten wurden zwei Münzen ausgehoben, beide schlecht erhalten: ein Sesterz angeblich von Kaiser Vespasian (ich habe die Münze nicht gesehen) und ein Kupferzwanziger (Mittelbronze) von Kaiser Constantin dem Großen.
h) Baublock mit zwei Bogen ansätzen, (Fig. 82), sowohl ersterer oben und unten, als auch letztere mit runden Dübellöchern versehen. Der Block ist 70 cm hoch, oben mit den Bogenansätzen 94, unten 50 cm breit und ebenso dick. Die einfache Dekoration besteht aus einer Umrahmung mit doppelten glatten Stäben; nur über dem unteren Dübelloch findet sich ein dreiblättriges Ornament innerhalb eines mit der Spitze nach oben gekehrten Dreieckes. Dieser Block wurde vor der Ecke des Künstlerhauses, die gegen die Handelsakademie liegt, etwa in der Mitte des alten Flussbettes, aus der Sohle desselben, als diese vertieft und betoniert wurde, ausgehoben.
Die Architekturteile aus Sandstein gehören wohl zumeist einzelnen, einfacher hergestellten, ab und zu mit Reliefs und Inschriften versehenen Grabdenkmälern an.
Vor der Handelsakademie, zwischen ihr und dem Künstlerhaus, kamen die nachfolgenden Objekte aus diesem Material vor.
i) Eckstück eines Gesimses, in 6 bis 7 m Tiefe, oben kassettenförmig bis 7 cm vertieft, die eine Seite 52 cm lang, 23 cm hoch, die andere, 105 cm lang, mit Laubzungen und einem Kopf in demselben geschmückt, auf der unteren Seite eine um 14 cm einspringende Fortsetzung, um den Block in ein darunter liegendes Steingebälk einlassen zu können, an der Ecke unten eine halbrunde Vertiefung für den Kopf eines Balkens. Der Block ist mit dem Ansatz nach unten aus einem Stück gearbeitet. In der nächsten Umgebung fand man noch etwa zwanzig Blöcke eines Gesimses mit Rundstäben und Kehlen, ferner Eisen- und Bronzestückchen, letztere geschmolzen, Nägel, Knochen und vermorschte Holzbalken.
k) Reliefblock, 8 m tief, oben mit dem Rest einer Nische, in der zwei oder drei menschliche Figuren angebracht waren, von denen nur mehr die Füße vom Knöchel abwärts erhalten sind. Unten eine Inschrift, die zerschlagen wurde. Doch konnte Professor Dr. W. Kubitschek aus den Fragmenten den Text derselben herstellen (Fig. 83) (C.J.L.III, 14360). Nach seiner Lesung lautet er:
[Septi]m(iae) Lucillae qu(a)e vixi[t ann] XXII Titius Suc(c)essu[s ….] vet(eranus) leg(ionis) X G(eminae) conjugi [caris]simae et Titi(i) Succe[s(s)us et] Lucil[l]ianus et Pot[it]a matri dulcissim(ae) p(osuerunt). Der Grabstein ist also von dem Veteran der X. Legion Titius Successus und von seinen Kindern Successus, Lucillianus und Potita seiner lieben im 22. Lebensjahr verstorbenen Frau, beziehungsweise ihrer süßen Mutter Septimia Lucilla errichtet.
Der Block ist nicht bloß oben, sondern auch an der linken Seite beschädigt; seine Stärke beträgt 50 cm, die Schriftfläche ist 70 cm breit.
l) Relief, 8 m tief, aus weichem weißen Sandstein, beim Ausgraben in viele Teile zerschlagen; der Kopf der Figur, die hier dargestellt war, zeigt, dass das Bildwerk bis zur Unkenntlichkeit verwittert und von Rauch geschwärzt war. Das Bruchstück mit dem Kopf war 30 cm hoch, 26 cm breit; die Dicke des Blockes betrug 23 cm.
m) Gebälkstück mit Zahnschnitt, zwischen diesem Rosetten, ähnlich dem in der Rothenthurmstraße gefundenen Gebälkstück, welches ich an anderer Stelle mit Abbildung veröffentlicht habe (Geschichte der Stadt Wien (1897) I, S. 50, Fig. 31).
n) Oberer Teil eines Grabsteines aus hartem Sandstein, der Giebel rund, an den Ecken hörnerartig ausgeschnitten, in der Mitte eine Rosette, darauf folgt ein glatter Fries, dessen Mitte ein Kranz mit Schleifen einnimmt; unter diesem der Spiegel der Inschrift, von der nur die erste Zeile und Teile der zweiten und dritten Zeile mit den Buchstaben
D M
C IVL ….
I....
erhalten sind (C. J. L. III, 143602). Der übrige Teil fehlt. Der noch erhaltene Teil allein misst an der linken Seite 110, an der rechten 95 cm in der Höhe, 74 cm in der Breite und ist aus einem 25 cm starken Block gearbeitet. Die Bemühungen, die zugehörigen Teile der Inschrift zu finden, erwiesen sich fruchtlos.
o) Säulentrommel, 40 cm im Durchmesser, 15 bis 20 cm hoch.
p) Zwei Baublöcke. Der eine ist 37 cm hoch, 31 cm breit, 26 cm stark, an der rechten Seite oben treppenförmig auf 5 cm Höhe und Breite ausgeschnitten, um einen weiteren Block anzupassen; darunter in der halben Höhe der rechten Seite eine Eisenklammer, durch welche die Verbindung mit einem folgenden Block hergestellt werden sollte. Der andere Bau block ist glatt, 60 cm lang, 40 cm hoch und 44 cm stark.
q) Gewölbestein von trefflicher Arbeit, im Durchschnitt ein spitziges Dreieck bildend, 58 cm hoch, 38 cm breit, 22 cm stark; neben demselben ein Eisennagel von 15 cm Länge, der Knopf 7 cm im Durchmesser, unter demselben im Eisenoxyd Abdrücke von Eichenholzfasern.
r) Gemauerter Pfeiler, noch 60 cm hoch, 78 cm breit, 32 cm dick, im unteren Teile aus Bruchsteinen mit sehr hartem Mörtel, im oberen aus Quadern erbaut, wahrscheinlich die Unterlage eines Grabreliefs oder Grabsteines; er stand in der Böschung, gerade vor der oben bezeichneten Ecke des Künstlerhauses.
s) Gewölbeblock aus hartem Sandstein, Mittelstück eines Türgewölbes (?), in einem sehr flachen Bogen gezogen, an der unteren Kante mit einer schmalen Fase versehen.
B. Weiter unterhalb von der Fundstelle der bisher angeführten Objekte, vor dem Künstlerhaus selbst, setzten sich Bauteile und Reliefs aus Sandstein zwar noch weiter fort, zeigten sich hier aber im ganzen schon spärlicher als dort; sie kamen nicht unter 8 bis 9 m Tiefe zutage.
t) Großer Block, 85 cm lang und hoch, 34 cm stark, auf der Vorderseite mit Laubgewinden in Relief (Fig. 84) geschmückt, oben und unten mit breiten glatten Leisten umrahmt. Die Arbeit ist derber und roher als jene der Ornamente in dem oben besprochenen Giebel b.
u) Neben dem Block t lag das Bruchstück eines Capitäls mit Acanthusblättern belegt, von derselben Arbeit, wie das im Jahre 1865 bei der Umlegung des Wienflussbettes gefundene, schon vorhin erwähnte Capitäl.
v) Reliefblock aus hartem Sandstein, mit der Figur des Perseus. (Fig. 85.) Der Block, von welchem nur unten ein Teil fehlt, ist 130 cm hoch, oben 93, unten 92 cm breit (der Block, welcher oben und unten gleich breit ist, erscheint in Fig. 85 infolge einer Verkürzung oben schmäler als unten, da die photographische Aufnahme durch Herrn Nowalski de Lilia von einem ungünstigen Punkt aus bewerkstelligt werden musste) und 25 cm stark. Das Relief zeigt den stehenden Perseus mit geneigtem lockigen Kopf, nackt, von vorne, in der gesenkten Linken den Kopf der Medusa, mit der Rechten die Harpa auf einen Pfeiler aufstützend, mit welchem die Darstellung zur Linken des Beschauers abschließt. An der rechten Hüfte ist ein Teil der Schwertscheide sichtbar. Der untere Teil der Füße, vom Knöchel ab, fehlt; am rechten Oberschenkel ist ein Teil altausgebrochen. An einzelnen Stellen finden sich Spuren roter Farbe (mit Abbildung veröffentlicht (von Herrn Nowalski de Lilia) in der Festschrift zum 60. Geburtstag von Otto Benndorf, Wien 1898, Einlage zu S. 286).
Nächst diesem Block fand man die Reste einer Plinthe aus Sandstein, auf der vielleicht das eben erwähnte Relief gestanden hat.
w) Oberer Teil einer Relieffigur, sehr stark bestoßen; der Sandsteinblock maß bei der Auffindung 52 cm Höhe, oben 65, unten 60 cm Breite bei 32 cm Stärke.
x) Winkelförmig gebogener Architrav, 90 cm lang, und 45 cm dick. Gegen vorne springt er um 55 cm vor und schließt hier mit einer Halbsäule, deren Durchmesser 45 cm beträgt, ab, wohl der Überrest eines von zwei Halbsäulen flankierten Grabdenkmales oder des Portales einer Grabkammer.
y) Ebenfalls vor dem Künstlerhaus, aber näher gegen den Fluss hin, geriet man im Mai 1898, in 8 m Tiefe auf eine Zisterne von 1,25 m Durchmesser mit sorgfältig zugerichteten Bruchsteinen ausgelegt, die ohne Mörtelverbindung, nur durch eiserne Klammern zusammengehalten sind. Der Schacht reicht noch tiefer hinab und zeigt sich mit Schutt und behauenen Bausteinen, darunter mit Türstürzen ausgefüllt. Am oberen Ende fehlten einige Steinlagen, der Brunnen scheint also noch etwas weiter hinauf gereicht zu haben.
C.
Noch spärlicher als vor dem Künstlerhaus selbst, traten die Funde vor dem gegen das Musikvereinsgebäude (Karlsplatz Nr. 6) gewendeten Flügel desselben auf, wenngleich die hier ausgehobenen Objekte im Wesentlichen mit den zuletzt angeführten übereinstimmen.
z) Halbsäule aus Sandstein, 80 cm hoch, an der Rückwand 55 cm breit, der Halbmesser 25 cm.
aa) Ungefähr an jener Stelle vor dem gedachten Seitenflügel des Künstlerhauses, an welcher im Jahre 1865 das oben erwähnte Bruchstück eines Sarkophages 9,5 m tief gefunden wurde, las man in 8 m Tiefe einen Sesterz von Kaiser Severus Alexander mit TR P XI, also aus dem Jahre 232 n. Chr. auf; die Rückseite ist verschliffen. Auch soll dort ein Denar von Kaiser Vespasian gefunden worden sein.
bb) Endstück eines Frieses mit Relief, aus Sandstein, in etwa 8,5 m Tiefe angetroffen. Das Relief (Fig. 86) zeigt einen liegenden Triton, auf den linken, über die Umrahmung hinausragenden Ellenbogen gestützt, neben ihm eine von vorne gesehene unterwärts bekleidete Nymphe. Die Köpfe wenden beide gegeneinander, er schlingt den rechten Arm um ihren Leib. Die Fortsetzung zur Linken des Beschauers fehlt. Das Relief ist 70 cm lang, 45 hoch und in Einem mit dem reich in Holzkehlen und Rundstäben profilierten Architrav, auf dem es ruht, gearbeitet. Letzterer ist oben 82, unten, wo ein Teil fehlt, 75 cm lang und 35 cm hoch; der Block bildet eine Ecke, zeigt aber auf der anderen Seite kein Relief.
cc) An derselben Stelle wurden mehrere Baublöcke ausgehoben. Einer von ihnen, im Dreieck gebrochen, 70 cm lang und hoch, 20 cm dick, zeigt leider gänzlich verriebene Reliefs; man nimmt nur beiläufig einen Delphin, dann eine flehende Figur aus. (Fig. 87.)
dd) Unter den anderen Baublöcken fand man ebenda ein Stück profilierten Gesimses 75 cm lang und hoch, 35 cm dick mit einem Vorsprung, sowie einen glatten trapezförmigen Block von 120 cm Länge und 45 cm Höhe, an der schmalen Seite mit einem Dübelloch versehen.
Zum Schluss dieser Aufzählung sei noch erwähnt, dass man in der alten Böschung an zwei Stellen Piloten aufgedeckt hat. Die eine Stelle vor der Ecke der Handelsakademie in etwa 7 m Tiefe, die andere vor der gegenüberliegenden Ecke des Künstlerhauses in 8 bis 9 m Tiefe. An letzterer Stelle reichten die Piloten fast bis zum Rinnsal. Sie sind schmale Pfähle von 2 m Länge und 15 bis 20 cm Stärke im Durchmesser, meist aus Eichenholz, welche in dreizehn Reihen hintereinander, zu je 5 Pfählen in Abständen von 50 cm, aber nicht durchaus regelmäßig in den Schotter eingerammt waren; einige waren vermorscht, andere fest, von schwarzer Farbe, unten angebrannt und teils mit eisernen Spitzen, wie vor der Handelsakademie, beschlagen – die Pfähle waren hier auch dicker –, teils unten mit eisernen Ringen umschlossen. Die eine Gruppe nächst der Mauer A scheint sich noch weiter in der Richtung gegen die Handelsakademie unter der Fahrbahn der Lothringerstraße (jetzt Karlsplatz) fortgesetzt zu haben. Zwischen den beiden Abteilungen der Piloten fanden sich, um dies zu erwähnen, eine ausgemauerte Zisterne von 1,2 m Durchmesser, und näher gegen die Handelsakademie zu das Bruchstück einer viel späteren Mauer vor, aus Ziegeln, die von den römischen ganz verschieden sind, und aus alten (vielleicht römischen) Bausteinen ausgeführt; sie stand in 6 m Tiefe an.
Eigentümlich ist nun, dass die römischen Architekturteile über den Piloten gefunden wurden, und dass letztere nicht in das Rinnsal des Flusses selbst hineinreichen; man hätte sie in diesem, da es ebendamals tiefer gelegt wurde, finden müssen.
Da der Fluss in römischer Zeit nördlich vom Künstlerhaus sein Rinnsal hatte, wird man das Auftauchen von Piloten nicht auf das Vorhandensein einer römischen Brücke zwischen Handelsakademie und Künstlerhaus deuten können, sondern aus dem Umstand erklären müssen, dass man bei der Ausführung von Grabgebäuden an jener Stelle auf sumpfiges Terrain, etwa eines Flussarmes, der in einer weit vor der römischen Okkupation liegenden Zeit hier seinen Lauf hatte, gestoßen ist und daher die Grundmauern pilotieren musste.
Die Zerstörung der Gräber kann, wie aus den Fundmünzen des 4. Jahrhunderts hervorgeht, wohl nur in nachrömischer Zeit erfolgt sein und ist sicher ein Werk der Fluten des Wienflusses. Mögen die Verschotterung des älteren Rinnsales in Verbindung mit der Tendenz der von West nach Ost fließenden Wasser, nach Süden zu drängen, eine Tendenz, die aus der Rotation der Erde erklärt wird, oder elementare Hochwässer, wie wir sie selbst 1851 und 1897 erlebt haben, die Ursache sein, oder mögen alle diese Gründe zusammengewirkt haben, dem Fluss im Laufe der Zeiten eine neue Richtung zu geben, als sehr wahrscheinlich können wir es bezeichnen, dass die Zerstörung sowohl der Gräber vor der Handelsakademie und dem Künstlerhaus als auch jener an der Elisabethbrücke in der Zeit der Verwilderung und Verödung der Gegend, das heißt nach Abzug der Römer stattgefunden hat.
Wie schon angedeutet, zeigen dies auch die Fundmünzen, die an den genannten Stellen ausgehoben wurden. Sie reichen von Tiberius (gest. 37 n. Chr.) bis Gratian (gest. 383) und verteilen sich, soweit aus ihrer im ganzen geringen Anzahl (22) ein Schluss gezogen werden kann, örtlich ziemlich gleichmäßig, indem zwölf in der Nähe der Elisabethbrücke, zehn zwischen Handelsakademie und Musikvereinsgebäude zutage traten, erstere auf alle vier ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung sich erstreckend, letztere zumeist nur von Trajan bis Severus Alexander reichend. In zeitlicher Hinsicht gehören von 22 Münzen nur vier dem 1., acht dem 2., sieben dem ersten Drittel des 3. Jahrhunderts an. Hieraus folgt eine große Lücke und treten erst wieder vom 4. Jahrhundert einige wenige Münzen (drei) auf. Da verhältnismäßig am reichsten die Zeit zwischen Septimius Severus und Severus Alexander, das ist zwischen 211 und 235 vertreten ist, dürfte die Entstehung der Mehrzahl unserer Grabbauten eben dieser Zeit mit der größten Wahrscheinlichkeit zugeschrieben werden. Auch die Ausführung der Architekturstücke und Reliefs scheint auf sie hinzudeuten, wobei der allerdings mehr provinziale Charakter der Arbeit in Anschlag gebracht werden muss.
Als man aus Anlass der Arbeiten für die Regulierung des Flusses den Steinmantel der Böschung am rechten Ufer abnahm, traf man 8 m tief von Erdreich überdeckt eine große Ara (Anm: lateinisch für Altar) aus Sandstein, die etwas zur Seite geneigt, die Schriftfläche nach oben gekehrt, auf dem Boden lag.
Sie ist 160 cm hoch, oben 80, unten 85 cm breit und 48 cm stark. Der Aufsatz und die beiden Schmalseiten sind mit stark verwitterten Reliefs geschmückt. Vorne über der Inschrift ist ein Gewinde sichtbar. Auf der linken Schmalseite sieht man auf dem Aufsatz drei spielende Delphine, einen rechts, die beiden anderen links gewendet (der zweite rechtsgewendete Delphin befindet sich auf dem Arm der darunter stehenden Figur des Neptun), dann folgt kräftig vortretendes Gesimse, unter diesem in Hochrelief die stehende Figur des Neptun (75 cm hoch) von vorne, mit rechtem Standbein, mit der Linken den Dreizack aufstützend, auf dem rechten eingebogenen Arme einen Delphin, den linken Fuß auf das vollbärtige, mit Stierhörnern versehene Haupt eines Flussgottes setzend; über den linken Oberarm und den linken Schenkel fallen Gewandfalten herab. Die andere, rechte Schmalseite zeigt im Aufsatz ein unbärtiges (weibliches?) Brustbild, in der linken Hand einen rundlichen Gegenstand haltend, unter dem Gesimse einen römischen Offizier stehend, von vorne (75 cm hoch), der bloße Kopf vollbärtig, im Panzer, mit der Rechten eine Schale über einem Altare ausgießend, die Linke an den Griff des Schwertes legend. Über Brust und linken Oberarm fällt der kurze Mantel herab.
Die Hauptseite enthält eine leider stark verriebene Inschrift von 17 Zeilen, deren erste auf dem Gesimse eingemeißelt ist. Die Herren Professor Dr. Alfred v. Domaszewki aus Heidelberg, damals in Wien anwesend, und Professor Kustos Dr. Wilhelm Kubitschek unterzogen den Text einer mühsamen sorgfältigen Prüfung, aus der sich ergab, dass an der linken Seite in fast allen Zeilen ein, auch zwei Buchstaben, an der rechten Seite ein Drittel, in den unteren Zeilen die Hälfte der Inschrift fehlt. Letztere ist in Fig. 89, nach einem unter Professor Kubitschek's Leitung hergestellten Faksimile des Papierabdruckes abgebildet. Sie lautet:
In Zeile 9 glaube ich den ausgetilgten Ehrennamen der dort bezeichneten Legion nach Analogie anderer Fälle und nach der unten folgenden ungefähren Bestimmung der Zeit, in welcher das Denkmal errichtet wurde, mit Valerianam ergänzen zu sollen. Die weitere Ergänzung der Zeile 14 suche ich unten zu rechtfertigen.
Demnach würde der Text lauten: Jovi Optimo Maximo, Neptuno, Salaceae, Nymphis, Danuvio oder Fluvio Agauno, dis deabusque omnibus veterani Augusti sub cura Aurelii Secundi, tralati e legione X gemina quintum pia, quintum fideli in legionem I Italicam Valerianam, Aurelio Montano vicem agente legati legionis supra scriptae et Saturnino ... et Aureliö. . . naumachiam refecerunt.... et Paterno consulibus … Kalendas Maias.
Die Ära ist also dem Jupiter Optimus Maximus, dem Neptunus, der Gemahlin des letzteren Salacia (hier Salacea geschrieben), das ist der Quellgöttin, den
Nymphen, dem Danuvius (oder dem Flusse) Agaunus und allen Göttern und Göttinnen gewidmet zur Erinnerung an die Wiederherstellung der Naumachie durch die Veterani Augusti, unter Aufsicht des Aurelius Secundus, welcher inzwischen von der legio X gemina, die damals zum fünftenmale mit den Ehrennamen pia und fidelis augezeichnet war, zur legio I Italica Valeriana versetzt worden ist, unter Aurelius Montanus als Stellvertreter des Legaten der obengenannten (X.) Legion und unter Saturninus …. und Aurelius … Unter dem Konsulate des ….. und des Paternus Ende April.
So vielfach die Beziehungen sind, die unsere Inschrift der Erörterung darbietet, so berührt uns an dieser Stelle vorzüglich doch nur der chronologische und topographische Wert seiner Aussagen für die römische Epoche von Wien.
Die Zeitbestimmung hängt, wie ich glaube, von der Lesung der beiden ersten Zeichen in Zeile 8 (VF) ab. Sind sie quintum fidelis, wie ich vorschlug, zu lesen, so ist, da die betreffende Legion nur die in Wien stationierte X. sein kann, die Ara jedenfalls vor dem Todesjahre des Kaisers Gallienus (268) errichtet, da sie unter seiner Regierung nach Aussage der Münzen dieselben Ehrennamen auch zum sechstenmale (VI P VIF) erhielt (Numismatische Zeitschrift (Wien) 1873, V, S. 81). Da ferner auf denselben Münzen das Brustbild des Kaisers den Typus seiner älteren Emissionen, nicht jenen der letzten zeigt, wird man diese Gepräge in die erste Hälfte seiner Alleinherrschaft, also etwa in die Jahre 260 bis 264 versetzen dürfen. Wenn nun eben damals die zehnte Legion schon zum sechstenmale die Beinamen pia fidelis erhalten hat, muss unsere Ara, die ihr dieselben Namen zum fünftenmale beilegt, vor dem Jahre 264 errichtet sein. Der eine Konsul Paternus war nach den Fasten in den Jahren 233 (wenn dies derselbe Paternus und nicht etwa sein Vater ist), dann in den Jahren 267 (mit Arcesilaus) und 269 (mit Kaiser Claudius II.) Konsul. Unsere Inschrift würde eine noch frühere Funktion des Paternus als Konsul verraten, von welcher die Fasten ebensowenig Erwähnung machen wie von seinem Kollegen, dessen Namen auch aus unserer Inschrift nicht mit genügender Sicherheit festgestellt werden kann. Möglicherweise waren beide nur Consules suffecti. Es wird daher die Zeit der Errichtung unseres Denkmals mit Wahrscheinlichkeit in die ersten vier bis fünf Jahre der Alleinherrschaft des Kaisers Gallienus angesetzt werden dürfen. Dann kann der in Z. 9 eradierte Ehrennamen der legio I Italica nur Valeriana gewesen sein, nach dem Vater des Kaisers Gallienus, dem Kaiser Valerianus, dessen Mitregent ersterer bis 260 gewesen war.
In topographischer Beziehung ist die vorwiegend an Wassergottheiten gerichtete Dedikation der Ara in Verbindung mit ihrer Fundstelle wichtig. Zwischen dem obersten Olympier Jupiter Optimus Maximus, der selbstverständlich die erste Stelle im Text einnimmt, und den so häufig am Schluss genannten übrigen Göttern und Göttinnen werden speziell nur Neptunus, Salacea (sie), die Nymphen, der Danuvius (?) und der Agaunus genannt. Schon dieser Umstand zeigt, dass in Agaunus eine Flussgottheit gemeint ist. Darauf deutet auch das Relief auf der linken Schmalseite der Ara hin. Neptunus, der Vater aller Ströme und Flüsse, setzt als Zeichen seiner Oberherrschaft den linken Fuß auf den mit Stierhörnern versehenen Kopf eines Flussgottes. Mit den Stierhörnern wird sowohl das wilde Stürmen als auch die befruchtende Kraft kleinerer Flüsse angezeigt (es sei hier an das Cillier Relief mit dem jugendlichen, gehörnten Bild des Sannflusses erinnert), während die großen Ströme, Donau, Rhein, Nil, Tiber, in allen Skulpturen und in allen Münzen römischer Zeit ohne Hörner erscheinen.
Es wird daher auch der Kopf unter dem Fuße des Neptunus auf unserem Relief nicht auf den Danuvius, sondern auf den Agaunus bezogen werden müssen, und erscheint mir aus diesem Grunde die Lesung (FLVV)IO AGAVNO ansprechender als die Lesung (DANVV)IO, AGAVNO.
Die Bezeichnung von kleineren Flüssen, selbst von Bächen, mit Fluvius ist inschriftlich bezeugt. Ein interessantes Beispiel bietet die Erztafel von Genua (Corp. inscr. Lat. V, 2, ex 7749), in welcher vier solcher kleinerer Wässer, Lemuris, Tulelasca, Veraglasca und Venelasca jeder als Fluvius aufgeführt werden.
Wenn nun Agaunus einen Fluss bezeichnet und zwar auf einem Denkmal lokaler Bedeutung, das im Wienfluss selbst gefunden wurde, so ist wohl kein Zweifel übrig, dass dieser Name der alte, in vorrömischer Zeit gebräuchliche und von den Römern übernommene Name des Wienflusses ist. Er war bisher nur als Ortsname (Acaunum oder Agaunum) für St. Maurice-en-Valaise oder St. Maurice d'Agaune in der Schweiz bekannt (Hölder, Altkeltischer Sprachschatz, I, s. v.); auf einem daselbst gefundenen römischen Grabstein erscheint ein von der älteren Form Acaunum des Ortsnamens abgeleiteter Frauenname Acaunensia (im Dativ: Acaunensiae. Die Kenntnis dieser Inschrift verdanke ich Herrn Kustos Professor Kubitschek. Sie ist abgedruckt im Nuovo bullet, di Archeologia crist. V (1899) 76 = IV, Taf. 17).
Dass auch dieser Ortsname von dem Namen eines Wassers herrührt, nicht aber das Umgekehrte der Fall ist, entspricht der Regel und wird auch durch das den Wienfluss betreffende Beispiel bestätigt.
Ist mit der Wiederauffindung des keltischen Namens des letzteren eine wichtige Einzelheit gewonnen, so sind wir bezüglich der Frage über die Veranlassung unseres Denkmals leider nur auf Vermutungen angewiesen. Wir werden mit Recht ein auf den Wienfluss bezügliches Wasserbauwerk voraussetzen, das unter den Schutz der obengenannten Gottheiten des feuchten Elementes gestellt wurde und zugleich die Bestimmung hatte, das Ungestüm des Flusses zu bändigen. Am nächsten würde es nun liegen, an eine Brücke zu denken, die als eine Besiegung der Schwierigkeiten, welche ein Fluss dem Verkehr darbietet, aufgefasst werden konnte. Dies umso mehr, als nicht zu weit entfernt der Limes in der Richtung der Landstraße herankam, der, um zum rechten Lagertor (am Lichtensteg) zu gelangen, die Wien jedenfalls übersetzen musste. In diesem Falle müsste weiter angenommen werden, dass unser Denkmal ursprünglich nächst der römischen Brücke, etwas unterhalb der heutigen Landstraßer Brücke, aufgestellt gewesen, späterhin in den Fluss gestürzt und von einem Hochwasser an die Fundstelle gewälzt worden sei. Undenkbar wäre dies trotz seiner Größe und Schwere nicht, hat doch bei dem letzten Hochwasser im Jahre 1897 die Wien manchen schwer mit Steinen beladenen Lowry gehoben und fortgetragen.
Allein dieser Annahme steht entgegen, dass man, wie Herr Professor Kubitschek, der speziell darnach forschte, mitteilte, an der Fundstelle der Ara auch eine Platte aus gleichem Sandstein von 80 cm Länge und Breite ausgehoben hat, die augenscheinlich zum Unterbau des Denkmals gehörte. Wenige Tage später wurde in der Nähe der Fundstelle, etwas oberhalb derselben, ein Gesimsstück aus feinem Sandstein mit gut erhaltenem Profil (35 cm lang, 15 cm breit, 20 dick) am Fuße der Böschung aufgefunden. Es scheint daher die Ara in der Tat schon ursprünglich an der Fundstelle, wenn auch in der Höhe am Uferrand angebracht, durch Unterwaschung in die Tiefe gestürzt und dort liegen geblieben zu sein.
Auch ein zweiter Grund spricht gegen ihre Beziehung auf eine Brücke, der Mangel eines Hinweises auf eine solche in unserer Inschrift, den man bei ihrer ins Einzelne eingehenden Textierung mit Recht erwarten kann; sie bietet auch in ihren wenigen Resten in der unteren Hälfte keinen Anhalt, um die Aussage „pontem restituerunt“ oder „pontem vetustate collapsum restituerunt“ oder wie sonst dergleichen Formeln lauten, herauslesen zu können.
Wohl aber zieht Zeile 14 unsere Aufmerksamkeit auf sich. Das Wort NAVMA hat vor sich einen freien Platz, an dem kein Buchstabe steht, hier springt also die Zeile ein, ein Zeichen, dass beabsichtigt war, ihren Inhalt als eine hauptsächliche Aussage hervorzuheben. Auch ist sie die Schlusszeile, in welcher die Tatsache, um die es sich im ganzen Texte vorzüglich handelt, mit dem Hauptzeitwort angegeben zu werden pflegt; die nächsten Zeilen enthalten die üblichen Schlussangaben, die Konsulnamen und das Datum des Monatstages.
Wir haben also hier, wenn überhaupt wo, die Angabe zu suchen, auf welches Ereignis die Widmung abzielt. Ich habe kein Bedenken die Lücke mit
NAVMA[CHIAM REFECERVNT]
zu ergänzen.
Es ist möglich, aber nicht durchaus notwendig, dabei an einen Schauplatz für festliche Wasserkämpfe oder Schiffsgefechte oder für Schiffsübungen zu denken, da Naumachia auch das für solche ausgetiefte Becken, das mit hineingeleitetem Wasser gefüllt wurde, bedeutet. Es kann ebensowohl ein Sammelbecken sein, um den unteren Lauf der Wien bei Hochwässern zu regulieren, als es für die Liburnarii der X. Legion zu Übungen, gegebenen Falles zu Wasserfestspielen, benützt worden sein mag. Ja die erstere Deutung scheint sogar den Vorzug zu verdienen, da die Regulierung des unteren Flusslaufes einer Bändigung des Flussgottes gleichkommt, die deutlich im Relief auf der linken Schmalseite der Ära zum Ausdruck gebracht ist.
Ob der zuletzt erwähnte profilierte Gesimsstein dem Unterbau der Ara oder der Einfassung des Beckens angehört habe, lasse ich, da er vereinzelt vorkam, dahingestellt.
Aber eines anderen Fundes möchte ich hier gedenken, der im April 1899 gemacht wurde. Bei der Regulierung der Wien wurde bekanntlich das Flussbett näher zum Hauptzollamt gelegt. Die alte Böschung am rechten Ufer musste, da sie in das neue Flussbett fiel, weggenommen und abgegraben werden. Hiebei kam man in der Vorderen Zollamtsstraße nächst der Stubenbrücke, als man die Sohle des neuen Flussbettes aufgrub, um sie zu betonieren, in 8,5 m Tiefe auf eine ältere Betonschicht (B in Fig. 88), die, ähnlich wie alle römischen Betons, zu unterst aus großen in den Boden eingerammten Kugelsteinen, darüber aus einer fest eingestampften Schicht von Lehm und Schotter bestand. Sie wurde vom Geleise der Tramway-Linie, die auf die Landstraße führt, flussabwärts 20 m weit verfolgt.
In diesem Betonrest ein Überbleibsel des Limes zu erkennen, geht nicht wohl an, da dieser senkrecht auf den Flusslauf stieß, also jene Dimension von 20 m seine Breite darstellen würde, was nicht anzunehmen ist; selbst in Carnuntum weist der Limes nur in der nächsten Nähe des rechten Lagertores bis auf eine geringe Entfernung von demselben (30 m) eine Breite von 14 m auf, sinkt aber im weiteren Verlaufe auf die Hälfte dieses Ausmaßes herab.
Dagegen ließe sich sehr wohl annehmen, dass jene Betonschichte die Sohle eines hier bestandenen römischen Wasserbeckens gebildet habe. Ich bemerke, um gleich hier einem möglichen Einwande zu begegnen, dass der vor dem Invalidenhaus gelegen gewesene alte Hafen des Wiener-Neustädter Kanales sich nicht über 150 m vom Mittel-Risalit des Invalidenhauses nach Norden erstreckte, sein äußerster nördlicher Rand also nicht mehr mit der Fundstelle unseres Betons, die 240 in von jenem Risalit entfernt ist, zusammenfällt. Die Betonschicht kann also mit dem Kanalhafen, als Sohle desselben, nicht in Verbindung gebracht werden. Irgend ein anderes Wasserbauwerk, das an jener Stelle in gleicher Tiefe in nachrömischer Zeit errichtet worden wäre, hat es nicht gegeben.
Auch auf dem linken Wienufer hat man bei der Umlegung eines Kanales im Jahre 1874 hinter dem Museum für Kunst und Industrie in großer Tiefe – man ging dort bis 9,5 m Tiefe – Ziegelstücke und Reste eines zerstörten Estrichbodens (bei C in Fig. 88), der aus einem Gemenge von Mörtel, Kalksteinen und Ziegelstücken bestand, angetroffen, darunter fand man Piloten (Geschichte der Stadt Wien (1897), I, S. 98). Sehr wahrscheinlich gehören beide Betons zusammen, jener am linken Ufer, der eine solidere Konstruktion aufweist, wird dem ursprünglichen Bau der Naumachie, jener am rechten Ufer ihrer Restauration in späterer Zeit, unter Gallienus, angehören. Wir werden sehr bald einen ähnlichen Unterschied zwischen alter guter Anlage und späteren sorgloseren Wiederherstellungen an den Resten des Limes auf der Landstraße und dem Rennweg gewahr werden.
Wir haben also drei Punkte, um die Ausdehnung des hier vorauszusetzenden großen Wasserbeckens annähernd zu bestimmen, die Fundstelle der Ara und die Betonreste an beiden Ufern des Flusses; der Abstand der beiden letzteren, gemessen von der Mitte der Straße hinter dem Museum (C) bis zur Mitte der Vorderen Zollamtsstraße (B) ergibt nach dem Plan vom Jahre 1897 als Mindestmaß der Breite 75, der Abstand des Betons B in der letztgenannten Straße bis zur Fundstelle der Ara 250 m als Mindestmaß der Länge. War unsere Ara am unteren Ende des Beckens angebracht, so würde man seine Länge mit 250 m bezeichnen können; stand sie aber in der Mitte seiner Länge, so müsste es sich 500 m, das ist bis nahe zur Mündung des Wienflusses ausgedehnt haben.