Das Theaterspiel

Auch das gab es und gibt es in Ober St. Veit
01.05.2013

Früher war das amateurhafte Theaterspiel zur Unterhaltung von sich und anderen gang und gäbe. Die damit einhergehende Beschäftigung mit den literarischen Vorlagen hatte natürlich auch einen Bildungseffekt.

Die älteste bekannte Theaterinstitution war bei uns der um 1890 von jungen Ober St. Veitern gegründete Theaterverein „Edelweiß“. Der damalige Direktor des Deutschen Volkstheaters, Emmerich von Bukovics, bewohnte eine Villa in der Veitlissengasse und soll eine der Vorstellungen des Theatervereines besucht haben. Einer der Darsteller beeindruckte ihn dermaßen, dass er ihn an sein Theater engagierte: Karl Jäger. Der Sangesbruder, Schauspieler, Hornist und Schriftsteller Prof. Karl Jäger wurde schließlich Direktor der Wiener Urania.

Am aktivsten war und ist – was das amateurhafte Spiel betrifft – die Jugend. Dementsprechend gehen die frühen Berichte von Theatervorstellungen meist auf Jugendgruppierungen im pfarrlichen Bereich zurück, die Theaterabende oft als wesentlichen Teil ihrer Gemeinschaft sahen.

In diesem Sinne gab es alljährlich in den Souterrainräumen des Elisabethinums 12 bis 14 Theateraufführungen des katholischen Jünglings-Vereines und zwei der Patronage. Diese Jugendgruppen wurden 1907 vom damaligen Kooperator und späteren Monsignore und Ehrenkanonikus Gotthard Blümel ins Leben gerufen. Radio und Fernsehen gab es noch nicht, nicht einmal ein Kino, und das Volk strömte in Scharen herbei.

Auch in den 1920er- und 1930er-Jahren wurde im Rahmen der Katholischen Jugend fleißig Theater gespielt. Der katholische Jünglingsverein tat dies meist im Erzbischöflichen Palais, wohin er 1919 übersiedelt war. Überliefert sind u. a. drei Aufführungen des Stückes „Die Erben von Schloss Ülzenpritz“ 1930 im Elisabethinum.

Auch die 1919 gegründete Marianische Mädchenkongregation erfreute sich am Theaterspiel, entweder im Festsaal des Elisabethinums oder auf der Theaterbühne in der Wittegasse in Unter St. Veit.

Nach dem Zweiten Weltkrieg lebten diese Aktivitäten wieder auf. Die erste Vorstellung im Rahmen der Marianischen Kongregation fand am 12. Februar 1947 statt. Dann wurden Rollen auch aus den Reihen der Katholischen Jugend besetzt. Kaplan Matjeka, der auch die Kongregation leitete, Maria Koller, Gretl Meyer-Meindl, Theo Stöhr und Erna Reitmeyer gehörten zu den treibenden Kräften. Geprobt wurde meist in den Räumen der Pfarre, gespielt im Theatersaal in der Wittegasse. Spieltage waren jedes Jahr an zwei Wochenenden (Samstag und Sonntag). Auf dem Spielplan standen Volksstücke, religiöse Texte und heitere Einakter (Die große Frage, Sein Ferdinand, Elisabeth, Bruder Martin, Die Umkehr, Der Heiratsantrag, Frühere Verhältnisse etc.). Die Begeisterung unter den Akteuren und Zusehern war groß.

Mit der Versetzung Kaplan Matjekas Ende der 1950er-Jahre nach Penzing schwand diese Begeisterung allmählich. Unter den vereinzelt mithilfe des Kaplans Flesch dargebotenen Spielen war das Apostelspiel von Max Mell im Pfarrsaal, „Schlimme Buben“ in der Wittegasse und „Hinüber, herüber“ im Pfarrgarten mit Beteiligung des Madrigalchors.

In den frühen 1960er-Jahren trat eine neue Entwicklung ein. Die Mitglieder der Theatergruppe waren nicht mehr unbedingt anderweitig in der Pfarre aktiv und kamen zum Teil auch aus anderen Pfarren. Unter Leitung von Arthur Saliger bildete sich 1963/64 das „Ensemble Proskenion“, das zunächst vorwiegend große Klassiker spielte (Faust, Antigone, Urfaust, Maria Stuart, Hamlet), aber auch österreichische Meisterwerke (Einen Jux will er sich machen, Der Bauer als Millionär).

Nach dem Abgang Saligers 1968 übernahmen Heinz Pribil – später Kunstkritiker – und das Ober St. Veiter Brüderpaar Markus und Götz Kauffmann – Götz stand vor einer Karriere in Theater und Fernsehen –  das Kommando. Der Probenbetrieb verlagerte sich immer mehr von Ober St. Veit weg. Die Wittegasse blieb bis 1970 Spielstätte, danach wurde sie den Ober St. Veitern nicht mehr zur Verfügung gestellt. Die beiden letzten Inszenierungen dort waren „Die Glasmenagerie“ von Tennessee Williams und „Ingeborg“ von Curt Goetz. Nach einer vernichtenden „Kurier“-Kritik über die „Proskenion“-Aufführung von Büchners „Woyzeck“ im Schönbrunner Schlosstheater (Juni 1971) zerfiel dieses längst nicht mehr zu Ober St. Veit gehörige Ensemble.

1972 nahm die – wieder aus der Pfarrjugend hervorgegangene – Theatergruppe „Experimental“ mit zwei Nestroy-Einaktern (Ein gebildeter Hausknecht, Frühere Verhältnisse) ihre Tätigkeit auf. Gründer Heiner Boberski gab im Herbst 1973 nach einer Moliere-Freilichtaufführung (Scapins Streiche) im Hof des Erzbischöflichen Palais und einem „Biedermeierabend“ die Leitung der Gruppe ab. Unter Federführung von Werner Kaitan, Otto Svabik und Karl Hans Benes folgten noch Einakteraufführungen von Tschechow, Nestroy und Calderóns „Dame Kobold“ unter dem neuen Gruppennamen „Dilettanten“.

Heiner Boberski gründete 1974, kurz nach seinem Abschied von der Theatergruppe „Experimental“, neuerlich eine Theatergruppe, nämlich die „Theatergruppe Vaganten“ und veranstaltete im Rahmen dieses Vereines Theateraufführungen an verschiedenen Orten Wiens, nicht aber in Ober St. Veit. Allerdings wurde dieser Verein 1988 – nach wie vor unter der Obmannschaft Heiner Boberski – in den „Kultur- und Sportverein Vitus 88“ unbenannt und veranstaltete als solcher drei „Ober St. Veiter Frühlingsläufe“ (1989, 1990 und 2003). Zu ursprünglich geplanten Kulturveranstaltungen kam es nicht. Der Verein bestand bis 2005.

Zurück zum Theater: Im Herbst 1974 ging die kontinuierliche Theatertätigkeit in Ober St. Veit vorerst zu Ende, es fehlte an genügend Theaterbegeisterten, und daran ändert sich auch nichts in den Jahrzehnten danach. Fast ersetzt wurde das Theaterspiel durch verschiedenste Gesangsvorträge, Lesungen und schließlich Diavorträge.

Letzte Rückzugsgebiete des Theaterspiels blieben aber Pfarre, Schulen und Pfadfinder, die im Rahmen von Feierlichkeiten manchmal auch kleine Stücke zur Aufführung bringen. Lokale Pflegestätten für die interessiertere Jugend sind die Gymnasien, die entsprechende Neigungsgruppen unterstützen oder die Schauspielerei als Wahlfach eingerichtet haben. Kleinere Versuche in der Belebung des Theaterspieles waren und sind weihnachtliche Krippenspiele.

Wieder waren es junge Leute aus der Pfarre Ober St. Veit, die nach fast 40-jähriger Pause einen Neubeginn im öffentlichen Theaterspiel wagten. Eine Jugend-Gruppenstunde zum Thema Weltuntergang ließ den Wunsch nach einer dramaturgischen Aufbereitung dieses Themas entstehen, und um die Proponenten Deniz und Aylin Sahinoglu, Milena Janetschek und Simon Grisold bildete sich eine Gruppe begeisterter Schauspieler und Helfer, die sich bald Theatergruppe „jOSeV“ (das steht für Jugendliche und junge Erwachsene aus Ober St. Veit) nannte. Jura Soyfers Theaterstück „Der Weltuntergang“ war die passende Vorlage für das erste Stück der Gruppe, das am 30. Mai 2013 im ausverkauften Festsaal der Freien Waldorfschule in der Seuttergasse aufgeführt wurde. Die Begeisterung für diese mittlerweile zur Dauereinrichtung gewordenen Theateraufführungen, die jetzt meist im Großen Festsaal des Hietzinger Amtshauses stattfinden, hält bis heute an.

josev.macht.theater. Nach der Aufführung von „Mit dem Kopf durch die Wand“ von Ödön von Horváth am 15. Juni 2017 im großen Festsaals des Amtshauses Hietzing. © Archiv 1133.at
<p><b>josev.macht.theater</b></p><p>Nach der Aufführung von „Mit dem Kopf durch die Wand“ von Ödön von Horváth am 15. Juni 2017 im großen Festsaals des Amtshauses Hietzing.</p><p><i>&copy; Archiv 1133.at</i></p>

Am Ende noch eine kleine Reminiszenz: Einer der frühen Konkurrenten des Theaterspiels war – noch vor dem Fernsehen – das Lichtspieltheater. Auch Ober St. Veit verfügte über ein solches Kino, es war in der Auhofstraße und hieß Oeser-Kino, später Auhof-Kino. Leider war nichts Genaueres über dieses Kino zu erfahren, nur eine Handvoll Fotos  und wenige Eckdaten. Die bekannten Informationen sind im Album eingearbeitet.

<p><b>Sein Ferdinand</b></p><p>Das Ensemble einer Vorstellung von „Sein Ferdinand“ im Theatersaal in der Wittegasse im Jahr 1949. Stehend von links nach rechts: N. N.; eventuell Schwester von Max Wild; Clemens Meyer (spielte den Briefträger und Liebhaber der Magd des Bauern – Ausgangspunkt für die Bekanntschaft waren zwei Zeitungsannoncen); Maria Koller, Präfektin der Marianischen Kongregation und die treibende Kraft in der Gruppe (führte Regie); N. N.; Rudolf Matjeka, Kaplan der Pfarre Ober St. Veit und Präses der Marianischen Kongregation; Josef Wsseticzka, änderte seinen Namen auf Hartmann (spielte einen Liebhaber der Bauerntochter); Leopoldine Walzer (spielte die Braut des Ferdinand); N. N.; Wilhelm Löw, Organist der Pfarre Ober St. Veit (war vermutlich für die Musik zuständig); Erna Reitmeyer (spielte die Magd des Bauern); Wilfried Brenner. Sitzend von links nach rechts: Eine Zitterspielerin (war blind, während der Aufführung spielte sie hinter der Bühne und Rosa Altenburger tat nur so); Hedwig Demmer (Große Dame); Rosa Oboth (spielte eine kleine Rolle); Max Wild (spielte den reichen Bauern); Rosa Altenburger, verh. Nagl, war Lehrerin (spielte eine Tochter des Bauern, täuschte das Zitterspielen vor); Theodor Stöhr, wurde später Bibliothekar (spielte die Titelrolle des Ferdinand, Sohn des Bauern).</p><p><i>&copy; Archiv 1133.at</i></p>
<p><b>Das Oeser-Kino (später Auhof-Kino)</b></p><p>Eine alte Ansichtskarte mit dem Oeser-Kino im Haus Auhofstraße 134. Dieses mehrstöckige Haus hat nach 1912 das frühere ebenerdige Haus ersetzt. Ein Zeitungsartikel nennt Samstag, den 28. 11. 1914, als Datum der ersten Filmvorführung in den in diesem Haus eingerichteten neuen Räumlichkeiten des bereits 1896 gegründeten Oeser-Kinos.</p><p><i>&copy; Bezirksmuseum Hietzing</i></p>
<p><b>Das Auhof-Kino</b></p><p>Eine Foto kurz nach Kriegsende mit den Folgen des Bombentreffers. Das Kino hieß bereits Auhof-Kino und spielte gerade „Casablanca“.</p><p><i>&copy; Bezirksmuseum Hietzing</i></p>
<p><b>Das Auhof-Kino</b></p><p>Die Auslage des Auhof-Kinos kurz nach Kriegsende, als es gerade „Casablanca“ spielte.</p><p><i>&copy; Bezirksmuseum Hietzing</i></p>
<p><b>Das Auhof-Kino</b></p><p>Ein Foto aus dem Betrieb des Kinos mit Frau Schneider an der Kinokassa</p><p><i>&copy; Bezirksmuseum Hietzing</i></p>
<p><b>Das Auhof-Kino</b></p><p>Ein Fotos aus dem Betrieb des Kinos mit Herrn Schneider beim Projektor</p><p><i>&copy; Bezirksmuseum Hietzing</i></p>
<p><b>Das Auhof-Kino</b></p><p>Die Eingangstür zum Kino nach der Schließung im Oktober 1982. Heute ist ein Billa an diesem Standort.</p><p><i>&copy; Bezirksmuseum Hietzing</i></p>
<p><b>Theater und Kino in Ober St. Veit</b></p><p><i>&copy; Bezirksmuseum Hietzing</i></p>
<p><b>Das Auhof-Kino</b></p><p>Eine Eintrittskarte von der letzten Vorstellung am 1.&#8239;Oktober 1982.</p><p><i>&copy; Bezirksmuseum Hietzing</i></p>

Quellen:
Chroniken des Ober St. Veiter Männergesangvereines.
Klötzl, Gebhard – Boberski, Heiner: 700 Jahre Pfarre Ober St. Veit. Wien: Eigenverlag der Pfarre Ober St. Veit, 1987.
Auskünfte: Heiner Boberski, Wilfried Brenner, Clemens Meyer und Theodor Stöhr.

hojos
Übertragen im Mai 2013