Siedlungsformen und Häuser in Ober St. Veit
01.11.2012
Ober St. Veit (früher St. Veit an der Wien) liegt am östlichen Rand des Wienerwaldes. Es gehört damit zu einer windgeschützten und sonnigen Zone, in der dicht gebaute Sammelsiedlungen und intensiver Weinbau entstanden. Vor der Römerzeit, die hier im 1. Jahrhundert n. Chr. begann, war das Gebiet von Kelten besiedelt, und archäologische Besiedelungsspuren z. B. am Gemeindeberg weisen zurück bis in die Jungsteinzeit. Als sich die Römer gegen Ende des 5. Jahrhunderts n. Chr. zurückgezogen hatten, wurde das Gebiet zum Durchzugsland verschiedener Völkerschaften, zuletzt der Awaren. In diesem langen geschichtslosen Zeitraum dürfte sich aber eine Bevölkerung von römisch-germanischen Bewohnern, zu denen sich im 6. Jahrhundert ackerbautreibende Slaven gesellten, aufrechterhalten haben. Besiedelungsspuren aus dieser Zeit sind aber kaum erhalten. Allgemein dürfte eine unregelmäßige Kleinortform (Weiler), die dem Haufendorfcharakter früher, nachrömischer Siedlungen entspricht, vorgeherrscht haben.
Die heute noch bestehenden Siedlungsstrukturen des Wiener Waldes haben ihren Ursprung in der Ausdehnung des Frankenreiches Karls des Großen, seit 768 König des Fränkischen Reiches und seit 800 auch Römischer Kaiser. Nach dem Sieg über die Awaren um 800 errichtete er hier die sogenannte Awarenmark zum Schutz gegen Osten. Er nahm das eroberte Land in Besitz und belehnte damit vorwiegend bayrische weltliche Gefolgsleute, geistliche Würdenträger, Bistümer und Stifte. Die neuen Grundherren erwarben durch weitere Landleihe (Präkarie) die notwendigen Arbeitskräfte. Diese entstammten entweder der bereits ansässigen Bevölkerung, worunter sich unter germanischen Stammresten auch Slaven befanden, oder waren zugewanderte, meist bajuvarische Siedler. Das Eindringen der Ungarn im 10. Jahrhundert hemmte diese „Karolinger Kolonisation“. Nach dem Sieg auf dem Lechfeld 955 lebte diese Inbesitznahme zur heftigsten und für unsere Region bedeutendsten Einwanderungswelle auf. Weil um 975 ein Babenberger zum Grafen dieses mittlerweile „Marcha Orientalis“ (Mark im Osten, später „Ostarrîchi“) genannten Gebietes ernannt worden war (es handelt sich um das Land südlich und nördlich der Donau von der Enns bis zur March bzw. zur Leitha), wird diese Kolonisationswelle auch die „Babenberbger Kolonisation“ genannt. Um 1100 dürfte sie mit der Erschließung der meisten Gebiete den Höhepunkt erreicht haben, und es folgte die eingehende Durchsiedelung durch planmäßigen Ausbau.
Die Gewinnung von Raum im Bereich des Wienerwaldes und östlich davon drückte sich auch in der Verlegung der Residenz der Markgrafen aus, die von Pöchlarn zuerst nach Melk und dann nach Klosterneuburg verlegt wurde, ehe der Kaiser 1142 Wien zur Hauptstadt der Markgrafschaft wählte und 1156 durch das Privilegium MinusOstarrîchi in ein von Baiern unabhängiges Herzogtum erhob.
Mit dem Tode des letzten Babenbergers 1246 kam es zum Erbfolgestreit zwischen seiner Schwester Margarete und seiner Nichte Gertrud, die in Alland im Wienerwald residierte. Margarete siegte letztlich durch ihre Heirat mit Ottokar II. Přemysl, der dadurch die babenbergischen Länder mit Böhmen vereinigen konnte. Ottokar setzte die Kolonisierung des Landes fort, unter anderem durch die Neugründung von Städten. Mit der Schlacht auf dem Marchfeld 1278 kam das Gebiet unter habsburgische Herrschaft und wurde zum Kernland der Habsburger.
Die mittelalterliche Kolonisation erstreckt sich über volle 450 Jahre. Um das Jahr 1000 fand bezüglich der Siedlungsform eine Wendung von der unregelmäßigen Altform zur planmäßigen Neuform statt. Dieser Wendepunkt ist vor allem in den Siedlungen unseres Gebietes zu beobachten.
Die neuzeitliche, an Bedeutung und Umfang weit geringere Kolonisation des 17. und 18. Jahrhunderts umfasste nur den eigentlichen Wiener Wald. Ihr Gebiet war im Mittelalter Jagd- und Forstgehege der Landesfürsten gewesen. Ein Rest dieser großen Waldlandschaft hat sich im Lainzer Tiergarten erhalten. Ausschlaggebend für diese Besiedelung war der zunehmende Holzbedarf in Gewerbe und Industrie. Statt den üblichen bäuerlichen Anwesen entstanden daher zunächst Holzhauerhütten mit nur kleiner Wirtschaft (sog. Duckhütten), deren Aufgabe nicht die Rodung, sondern die planmäßige Forstung des Waldgebietes war. Im 18. Jahrhundert wurden diese Kleingehöfte von den Insassen mit Grund und Boden erworben und zu selbständigen Kleinbauernwirtschaften erweitert.
Es waren also die mittelalterlichen Einwanderer, die mit Hilfe der Grundherrschaft oder durch deren Beispiel angeregt, die Siedlungs- und Hausformen prägten. Dabei war es nicht ausgeschlossen, dass sich die neuen planmäßigen Siedlungstypen an vorhandene alte Kleinsiedlungen unmittelbar anschlossen und diese nun dorfartig erweiterten. Daraus erklären sich viele Unregelmäßigkeiten im Planbild mancher Siedlung, aber auch viele alte Ortsnamen, die trotz der Ortserweiterungen beibehalten wurden.
Nur dürftige Erstbelege geben Einblick in die Besitzverhältnisse und den Siedlungsumfang der ersten Kolonisationszeit. Vor allem sind es die geistlichen Würdenträger und Stifte gewesen, die eine frühe planmäßige Besiedlung ins Leben riefen. Bereits im 9. Jahrhundert waren die Bistümer Salzburg, Regensburg, Passau, Freising mit ausgedehnten Besitzungen im Bereich des Wienerwaldes vertreten. In der Babenberger Zeit mehren sich die Königsschenkungen und urkundlichen Erstbelege, wozu auch das älteste bekannte Dokument gehört, welches mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Gebiet im späteren St. Veit an der Wien betrifft. Es ist eine Schenkungsurkunde aus dem Jahr 1015, mit der die Besitzübertragung von 30 Bauernhöfen („Hufen“) zu „Godtinesfeld“ dokumentiert wurde („Godtinesfeld-Urkunde“). Godtinesfeld soll dem späteren Veitinger Feld (das heutige Unter St. Veit und der flachere Teil Ober St. Veits) entsprochen haben. Der Name Godtinesfeld kam noch im Mittelalter abhanden. Nur im Namen der ehemaligen Feldmühle hat er sich bis in die jüngste Vergangenheit erhalten, heute erinnert noch die Feldmühlgasse daran.
In der Ausprägung der Siedlungen und der Häuser spielen das Klima, die kulturelle Herkunft der Siedler und eine bodenständige Überlieferung von Werkstoff und Konstruktion eine bedeutsame Rolle. Einmal geschaffene Siedlungsstrukturen verändern sich – von Verdichtungen und Erweiterungen abgesehen – nur mehr wenig. Einer Veränderung im Zeitablauf unterliegen eher die Formen der Häuser und ihre Bauweise. Das zeigt auch der Ortskern von (Ober) St. Veit, dessen prägende Straßenzüge sich im Lauf der Jahrhunderte nur wenig verändert haben.
Schwierig ist es, Siedlungen in eine starre Typensystematik einzuordnen, da der Ausgangspunkt auch für die planvollsten Kolonistendörfer meist ein Haufendorf war, dessen Erweiterungen unterschiedlichen Siedlungsformen folgten. Das gilt auch für das alte St. Veit an der Wien, das Merkmale aller Haupttypen ländlicher Sammelsiedlungen aufweist: vom Haufendorf, vom Angerdorf und vom Straßendorf.
Niemand weiß, wie das alte St. Veit tatsächlich entstanden ist, doch die Vorstellung, dass sich die zuvor über „Godtinesfeld“ verstreuten Einzelhöfe allmählich auf der vor Überschwemmungen sicheren Anhöhe um ein Schutz gebendes Bauwerk (das kann eine Kirche oder ein grundherrliches „festes Haus“ gewesen sein) gesammelt haben, passt gut ins historische Bild und gleicht im Ergebnis den haufendorfähnlichen Kirchensiedlungen. Dr. Adalbert Klaar beschreibt diese Kirchensiedlungen als beherrschende und verteidigungsfähige Kirchenanlagen (Kirche mit Friedhof in Verbindung mit dem Pfarrhof oder einer Burg) als Fluchtort der am Fuße des Kirchenhügels gelagerten Ortschaft. Dr. Josef Kraft ermittelte die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts als Zeitpunkt der Entstehung des Ortsnamens Sankt Veit, was aber nur einen geringen zeitlichen Anhaltspunkt zur tatsächlichen Entstehung der Ortschaft bietet. Erst 1315 wurden mit den Herren von Top(p)el auch die Besitzer der Herrschaft Sankt Veit und seiner Feste dokumentiert.
Als älteste Straßen am Fuß dieser Erhebung werden in der Arbeit von Margarete Platt „Fenster in die Vergangenheit. Die Flurnahmen von Ober St. Veit und Hacking“ die Mietstatt, die Breitenzeil, die Bauernzeil, im Winkel, auf dem Obern Gut und auf der Neustift genannt.
Die erste bekannte grundbücherliche Nennung der Mietstatt geht auf das Jahr 1408 zurück: „an der Mietstat umb die prukg“. Die „prukg“ war eine Brücke über den Marienbach. Eine Mietstatt war ein zentral gelegener Platz, an dem die Taglöhner, hier in erster Linie wohl die männlichen und weiblichen Weinbergarbeiter, in Dienst genommen, also „gemietet“ wurden. Dabei waren auch die „Vierer“, vereidigte dörfliche Rechtspfleger, anwesend, um die Einhaltung verschiedener Rechtsvorschriften, zum Beispiel die Höchstlohnverordnungen, zu überwachen. Aus der Mietstatt wurde 1787 die Theresia Gassen bzw. 1845 die Theresiengasse. Dann war es die Hauptstraße und seit 1894 entsprechen ihr die Hietzinger Hauptstraße oberhalb der Glasauergasse und der Wolfrathplatz.
Für die Breitenzeil gibt es in einem Kaufbriefbuch schon eine Nennung aus dem Jahr 1364: „Zehent bestifft hofstett gelegen an der praitn“. Aus der Breitenzeil wurde die Lange Gasse und seit 1894 die Firmiangasse.
Die Bauernzeil, 1408 „pawrnzeil“, später Rudolfsgasse ist seit 1894 die Glasauergasse. Das Wort „Bauer“ hatte neben dem „Landwirt“ auch die Bedeutung „Nachbar, Mitbewohner, Dorfgenosse“.
Im Winkel, 1408 „in dem Wynnkchel“ hatte seinen Namen von der „eingewinkelten“ Form der Gasse. Später wurde es zur Bognergasse, seit 1894 ist es die Vitusgasse.
Auf dem Obern Gut, 1408 „auf dem Obern Guet“ wurde nach seiner erhöhten Lage benannt. Heute ist es Teil der ehemals zur Einsiedelei führenden Einsiedeleigasse.
Auf der Neustift, 1408 „auf die Newstifft“, später Teil der Neustiftgasse, wurde 1894 in die Schweizertalstraße umbenannt. Dieser Ortsteil ist offensichtlich der von den bisher genannten am spätesten Angelegte und „Bestiftete“.
Die Erweiterung der Siedlung folgte somit dem Graben des Marienbach nach Norden und Süden, und zwar mit der den Grabendörfern eigenen Ausprägung. Dem Graben folgen zwei gegenüberliegende, regelmäßig abgeteilte Baublöcke. Da der Wasserlauf zwischen den Häusern zu breit und zu tief war, um die Baublöcke mit einer Straße zu erschließen, ergaben sich entlang der Häuserzeilen zwei gleichlaufende Straßen. Die breite der Talsohle des zwischen den Straßen mäandernden Marienbaches gab auch noch Platz für Wiesensäume beiderseits des Bachbettes, und damit war die natürlichste Form des Angerdorfes entstanden. Mit dem Ende der mittelalterlichen Kolonisationszeit im 13. Jahrhundert war vermutlich diese St. Veiter Siedlungsstruktur (außer „Auf der Neustift“) im Wesentlichen geschaffen und veränderte sich in den folgenden Jahrhunderten nur geringfügig. Die Hochlage der Kirche und der Festung bzw. des Schlosses verblieb als charakteristisches Wahrzeichen der ursprünglichen Siedlungslandschaft, für eine strategische Bedeutung der vermutlich gegebenen Wehrhaftigkeit der Anlage in den kriegerischen Zeiten des 15., 16. und 17. Jahrhunderts gibt es keine Hinweise. Mit rund 100 Häusern war es aber für lange Zeit das größte Dorf der Region und dank der prominenten Grundherrschaft (seit 1365 Kapitel zu St. Stephan und ab 1469 Bistum Wien) auch ein politisches und kulturelles Zentrum.
Der Franziszeische Katasterplan aus dem Jahr 1819 gibt noch einen Eindruck von dem alten kolonistischen Angerdorf, wie es für Jahrhunderte bestanden hatte, bevor der Anger weiter verbaut, der Marienbach eingewölbt und der Graben des Marienbaches aufgefüllt wurde. Maßstabsgetreu zeigt er auch noch die Grundrisse und die Bauweise der Bauernhöfe, als sie noch als Weiterentwicklung der im Rahmen der mittelalterlichen Kolonisation importierten Haustypen und Gehöfteformen bestanden hatten.
Ausgangspunkt dieser Entwicklung waren die Einzelhöfe mittelalterlicher Streusiedlungen. Dieser Einzelhof bestand aus einer Gruppe von baulich nicht immer verbundenen Gebäuden, die einen selten regelmäßigen, meist viereckigen Hof umgaben: dem Haus, dem Stall, der Scheune (Stadl), dem oder der Schupfen (Dialektform). Das Aneinanderreihen der Höfe in den planmäßig angelegten Sammelsiedlungen, das oft kaum meterbreite sogenannte „Reichen“ (Bauwiche) zwischen den Häusern schaffte, verändert die Gehöfteform gänzlich. An Stelle des unregelmäßigen Vier- und Dreiseithofes entstanden der regelmäßig gebildete Dreiseithof mit seiner Zweigiebelfront und der Tormauer. Diese dicht nebeneinander gereihten Höfe ergaben jene geschlossenen Ortsbilder, die den geplanten Sammelsiedlungen eigen sind.
Bei sehr schmalen und langgezogenen Rechteckgrundstücken war selbst der Dreiseithof zu breit, und es entstand dann häufig ein Einheithaus. Seit Dachler wird es als Streckhof bezeichnet, denn Haus, Stall, Scheune und Schupfen sind in der Längsachse aneinander gebaut und mit einem gemeinsamen Steildach abgedeckt. Dass Scheune oder Schupfen öfter in Haken (Winkel) zugebaut waren und die Längsrichtung brachen, bewirkte keinen Typenwechsel. Solche Gehöfte werden dann als Hakenhöfe bezeichnet.
In der Anzahl der Hauptbauten und ihrer Bauformen trat bei den Gruppenhöfen kein wesentlicher Typenwechsel gegenüber den Einzelhöfen auf. Es blieb sogar bei einer deutlich erkennbaren Selbständigkeit der Bauten, die nicht wie beim Vierkant ineinander überglitten und übergriffen, sondern nebeneinander gestellt nur unter eine gemeinsame Dachung gebracht wurden.
Das dreiteilige Wohnspeicherhaus enthielt den Vorraum (Flurhaus) mit der Rauchküche, an das sich auf der einen Seite der Wohnteil und auf der anderen die Speicherräume anschlossen. Der Speicherteil enthielt einen tiefer in das Erdreich eingelassenen, gewölbten Kellerraum, der auch vom Hofe zugänglich war, und die darüber befindliche, vom Vorraum zugängliche Körndlkammer. Spätere Haustypen behielten nur den Kellerraum bei und benützen die Körndlkammer als Schlaf-Wohnraum. Die Körndlkammer wurde dann giebelseitig in den Dachraum eingebaut.
Beim raumsparenden Streckhof war der Stall unmittelbar mit dem Haus verbunden und vom Vorraum aus zugänglich. Das Vieh ging durch eine Außentüre, die neben der Haustüre angebracht war, in den Stall. Die Speicherräume waren in den Dachboden verlegt und lagen, ihrem Zwecke entsprechend, als Körndlkammer über dem Wohnteil, als Futterboden über dem Stallteil, dessen notwendige Erweiterung in die unmittelbar anschließende Scheune übergriff. Der einheitliche Dachraum über Wohn- und Wirtschaftstrakt ermöglichte dies.
An der hofseitigen Traufenwand des Hauses führte die Greden (ein durch das vorspringende Dach geschützter Gang) vorbei. Bei den Stein- und Ziegelbauten des 18. und 19. Jahrhunderts mit ihren schweren Sparrendachstühlen konnte die Greden zu Bogengängen, der sogenannten „Laben“ (Laube), werden. Ein durch Gurtbogen auf Mauerpfeilern dahinziehender Gang unterstützte in diesem Fall das vorragende Dach.
Bezüglich Konstruktion und Baustoff waren in unserem Gebiet der (Holz-)Blockbau für Haus- und Stallbauten und der Ständerbau für Scheune und Schupfen lange vorherrschend. Die Dreiteilung des Hausgrundrisses mit den zwei deckentragenden Mittelwänden und den vier Umfassungswänden hatte sich im Blockbau entwickelt.
Seit dem 18. Jahrhundert wurde der Blockbau durch den Steinbau aus langerhaften Bruchsteinen und später aus Ziegeln verdrängt. Die Spuren des Blockbaues sind in St. Veit gänzlich verschwunden, in einzelnen Häusern lebten sie im regelmäßig abgebundenen Mauerzug des Grundrisses fort und sind vielleicht auch heute noch erkennbar.
Außen- und Innenwände des Steinbaus waren geputzt, die äußeren Fenster- und Türrahmen und die Ecklisenen öfter mit Stuckornamenten umzogen. Diese wiesen bäuerliche Barockformen auf.
Die Dachkonstruktionen der immer eingeschossigen Häuser waren vom Pfetten-Rofendach mit Schabstrohdeckung (Dialektform für Schaubenstroh) dominiert. Der Strohdeckung folgten später das Schindel- und das Ziegeldach. Die Sperrhaxenkonstruktion konnte lange dem eindringenden Sparrendach den Vorrang streitig machen. Erst ab 1800 ist das Sparrendach als städtische Zimmermannsbauart im Wienerwaldgebiet häufiger verwendet worden.
Eine typische, weit verbreitete und alte Bauform stellte die Scheune (der Stadel) dar. Sie war immer ein brettergeschalter Holzständerbau mit Strohdach. Nur jüngste Neubauten brachten den Steinpfeilerbau auf. Während für die Lebenshaltung von Mensch und Vieh die festgefügte und wettergeschützte Blockbauweise wichtig war, mussten die Frucht und das Gerät luftig gelagert werden. Dem kommt die mit Holz sparsam wirtschaftende Ständerbauweise mit Bretterverschalung entgegen.
Als Startschuss für die kommenden massiven Änderungen im Ortsbild und auch in den Hausformen kann die von 1762 bis 1780 währende Zeit der Grundherrschaft Maria Theresias und die von ihr Projektierte neue Verbindungsstraße nach Hietzing (die heutige Hietzinger Hauptstraße) gesehen werden. Ihre breite und geradlinige Anlage zerstörte einen Teil des alten Ortskernes und die abgerissenen Bauernhäuser wurden durch bürgerliche, teilweise bereits einstöckige Häuser ersetzt. Die neue Straße bildete neben der heutigen Auhofstraße und der heutigen Trazerberggasse eine weitere straßendorfähnliche Entwicklungsachse für das im 19. Jahrhundert einsetzende massive Wachstum des Ortes. Dieses Wachstum hatte keinen landwirtschaftlichen Hintergrund mehr, sondern darin spiegelten sich die Entwicklungen im und um den „Schmelztiegel Wien“ mit seiner Zuwanderung, den technischen, gewerblichen und sozialen Umbrüchen und den sich ändernden Lebensgewohnheiten. Eine Beschleunigung erfuhr die Aufschließung der ehemals landwirtschaftlichen Flächen und deren bereits kleinstädtische oder villenmäßige Verbauung dank breitflächiger Geländeverwertungen durch die – nach Abschaffung der Grundherrschaften ab 1850 eigenständigen aber permanent an Geldnot leidenden – Ortsgemeinde.
Das hatte auch einen massiven Einfluss auf die Form der Häuser im alten Siedlungsbereich. Den meist freistehenden, mit dem Giebel zur Straße gerichteten Streckhöfen wurde ein Bauteil längs der Straße vorgesetzt, die hinteren Wirtschaftsbauten verlagerten sich mit der Feuermauer an die Grundstücksgrenze und bekamen oft ein einfaches Pultdach. In den Gebäuden wurden möglichst viele Wohnungen zur lukrativen Vermietung an Arbeiterfamilien oder Sommergäste eingerichtet.
Die Ermunterung der Gemeinde Wien – zur der Ober St. Veit ab 1892 gehörte – zu verdichteter und höherer Bauform führte zum breitflächigen Ersatz meist baufälliger alter Strukturen durch einstöckige Bürgerhäuser oder zweistöckige Mietshäuser. Das Dorf wurde zum Dorf in der Stadt und seine Häuser beherbergten alle Schichten vom Fabriksarbeiter bis zum Geheimdienstchef.
Dass in dieser Phase nicht die gesamte historische Bausubstanz abgebrochen wurde, lag in erster Linie an der Finanzknappheit der Hauseigentümer. Sie konnten sich den Abbruch und größeren Neubau nicht leisten, wollten aber auch nicht verkaufen. Die schlimme Zeit während und zwischen den Weltkriegen hemmte die Bautätigkeit zusätzlich.
Nach dem Krieg wurden wieder etliche Kerben in den historischen Teil Ober St. Veits geschlagen, erst der in die Flächenwidmungen ab den 1970er-Jahren einfließende Schutzgedanke und die Einrichtung von Schutzzonen verlangsamte diesen Prozess.