Das Postwesen in St. Veit

11.07.2011

a) Allgemeines

Die Briefpost wurde für die Ortschaften der Umgebung Wiens bis ins 18. Jahrhundert mehr schlecht als recht durch die wenigen bestehenden Stationen der Fahrpost besorgt. Für unseren Bereich bestand eine Fahrpostlinie auf der Linzer Reichsstraße mit Stationen in Wien und Purkersdorf (dazu und zum Folgenden: Willibald Tettinek. Die Briefpost in den Randgemeinden Wiens im 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: Unsere Heimat 1994, 78–87). Immer wieder wurde um- und neu organisiert, um den Postverkehr mit den bevölkerungsmäßig stark zunehmenden Wiener Umlandgemeinden auf eine einigermaßen tragfähige Basis zu stellen. Die letzte Neuorganisation des Postwesens vor unserem Betrachtungszeitraum fand im Jahre 1847 statt: Den Geschäftsbetrieb leitete nun das Hofpostamt im Briefpostgebäude in der Wiener Wollzeile. Ihm unterstanden 96 Briefsammlungen in der Stadt und den Vorstädten und 27 Landbriefsammlungen in den Vororten und Randgemeinden. Diese Briefsammelstellen lagen in den Händen privater Betreiber, die mit der staatlichen Postverwaltung einen Vertrag hatten. Oft waren es Gewerbetreibende wie Tabak-Trafikanten, Gastwirte, Handelsleute und dergleichen, die für ihren Ort den Briefdienst als Nebenerwerb dazu nahmen. Der 2002 in Österreich aus Rationalisierungsgründen eingeführte private "Postpartner" ist also, historisch gesehen, nichts Neues.

Für St. Veit an der Wien wird ab 1796 in den Schematismen und Postlexika angegeben, dass es zum Postbestellungsbezirk Wien gehört und im Ort eine Briefsammelstelle (Postabgabestelle) existiert (zuletzt Niederösterreichischer Dominien-Schematismus für das Jahr 1847, S. 162, Topographisches Post-Lexicon des Kronlandes Österreich unter der Enns für das Jahr 1851 S. 127; Franz Raffelsperger, Allgemeines geographisch-statistisches Lexicon alter österreichischen Staaten, Bd. 6 (Wien 2 1853) 620). Wer diese Briefsammelstelle betrieb und wo sie lag, ist nicht mehr rekonstruierbar. Sowohl vom Stadtpostamt als auch von der Sammelstelle in (Ober) St. Veit ging zwei Mal täglich an Arbeitstagen ein Brieftransport ab, und zwar um 10 Uhr vormittags und um 3 Uhr nachmittags. Die eingelangten Briefe wurden in St. Veit zwei Mal täglich zugestellt und zwar noch am Tag ihres Einlangens (Adolf Schmidt, Wiens Umgebungen auf 20 Stunden im Umkreis, Bd. 1 (Wien 1835, Anhang).

Die mit Einführung der Briefmarken per 1. Juni 1850 stark zunehmende Korrespondenz erforderte eine Verdichtung des Netzes der Postämter, die man in ärarische und nichtärarische unterschied (Tettinek, Briefpost (Anm. 930) S. 83 f). Bei den ärarischen werkten dekretmäßig ernannte kaiserliche Beamte bzw. Diener, bei den nichtärarischen ein vertraglich gebundener Privater, der meist die Bezeichnung "Postmeister" führte. Er musste sich das Amtslokal selbst organisieren und selbst das nötige Personal anstellen; hiefür erhielt er allenfalls Pauschalien oder Beihilfen, wirtschaftete ansonsten aber auf eigene Rechnung.

b) Ober St. Veit

In Ober St. Veit wird 1864 erstmals ein nichtärarisches Postamt verzeichnet, dessen Inhaber bis 1868 ein gewisser Karl Pollermann war; als Postbestellungsbezirk wird nun nicht mehr Wien, sondern Ober St. Veit selbst angegeben (Nö. Amtskalender 1868, S. 435 und 1869, S. 319; das genaue Jahr seines Tätigkeitsbeginnes ist nicht rekonstruierbar; Topographisches Post-Lexicon des Kronlandes Österreich unter der Enns für das Jahr 1864, S. 222). Nach Karl Pollermann übernahm der damals 49-jährige Oberlehrer und Gemeinderat Leopold Sommerer die Poststelle als Nebenerwerb dazu, und richtete das Postlokal gleich im Schulhaus (h. Hietzinger Hauptstraße 164) ein, wo er auch wohnte (GAO 3.11.1868 Pt. 12). Vermutlich gelang es ihm nicht, seine Postmeistersverpflichtungen mit seinen Lehrverpflichtungen in Einklang zu bringen, denn schon ein Jahr später gab er die Poststelle wieder ab (Nö. Amtskalender 1870, S. 333).

Ihm folgte 1869 der bereits in den Ruhestand getretene, hochverschuldete k.u.k. Oberleutnant Adolf Zeeh als Ober St. Veiter Postmeister. Er betrieb die Postmeisterei in seinem Wohnhaus (h.) Firmiangasse 3. Adolf Zeeh versah ab 1874 auch die Kassierstelle in der Gemeinde, wo er sich alsbald in einen Veruntreuungsskandal verwickelte (dazu oben VIII.2.a). Daraufhin wurde ihm von der staatlichen Postverwaltung 1876 der Vertrag entzogen. Danach folgte die erst 23-jährige Lucovica Tannenberger, die für Postamtszwecke im mittlerweile aufgelassenen Schulhause Hietzinger Hauptstraße 164 eine Erdgeschoßwoh¬nung von der Gemeinde mietete (GAO 3.12.1876, vor TO). Dort wohnte und arbeitete sie. Doch auch diese Postmeisterin war ein Missgriff, sie wurde 1878 wegen Unterschlagung von Postgeldern verhaftet und ihr anschließend die Postmeisterei entzogen (dazu oben X.6.a).

1878 schließlich folgte als Postmeister August Wetschl, der sein Amt korrekt verwaltete und der Gemeinde Ober St. Veit bis zum Ende erhalten blieb. Für den Gemeindeausschuss war er allerdings ein Querulant, mit dem es immer neuen Zank und Hader gab. Zunächst übernahm er das Erdgeschoßlokal mit Wohnung und Postamtszimmer im ehemaligen Schulgebäude von seiner Vorgängerin Tannenberger. Schon nach wenigen Monaten schrieb er der Gemeinde einen langen Brief mit Forderungen, was sich dort – auf Gemeindekosten versteht sich – alles ändern müsse: Das an die Postmeisterei angrenzende Arrestlokal für gefangene Weiber müsse weg, das Hofzimmer sei trockenzulegen, der stinkende Misthaufen vor seinem Hoffenster habe zu verschwinden und schließlich möge ihm die Gemeinde auch den vorhandenen Schulhausofen in die Zwischenwand zwischen Wohnung und Amtslokal umsetzen, damit er beides zusammen leichter heizen könne; sollten seine Forderungen nicht erfüllt werden, würde er kündigen (GAO 8.5,1879 Pt. 3 mit beiliegendem Schreiben von Postmeister Wetschl). Mit Ausnahme des Wunsches nach Versetzung des Ofens beugte sich die Gemeinde allen seinen Wünschen.

Ende 1879 mietete Postmeister Wetschl eine weitere Wohnung im selben Haus für den von ihm angestellten Briefträger dazu (GAO 29.11.1879, nach TO). Bei dieser Gelegenheit beanstandete er, dass die Trockenlegung seiner Wohnung im Frühjahr 1879 gänzlich ungenügend war. Es folgte weitere, im Ton immer gereizter werdende Hin- und Herkorrespondenz mit der Gemeinde, deren Schlusspunkt ein Schreiben des Postmeisters vom 1. Februar 1881 war, in welchem er der Gemeinde alle Räume aufkündigte, weil er die Feuchtigkeit und Kälte im alten Schulhause gesundheitlich nicht mehr aushalte; die Gemeinde wies die vorzeitige Kündigung als ungerechtfertigt zurück und stellte sich auf den Standpunkt, keine ihrer Pflichten verletzt zu haben (GAO 5.2.1881 Pt. 1 mit beiliegender Korrespondenz). Sie hätte wahrscheinlich besser daran getan, sich bei dieser Gelegenheit von ihrem Postmeister friedlich zu trennen. So aber blieb August Wetschl weiterhin Wohnungs- und Amtslokalmieter, nörgelte den Postkunden gegenüber ungefragt über die Zustände in der Gemeinde herum und sann in seinem Grant auf anderweitige Mittel, der Gemeinde eins auszuwischen.

Am 27. Juli 1882, als die Sommerfrischesaison gerade ihrem Höhepunkt zustrebte, brachte das Neue Wiener Tagblatt folgenden Bericht aus Ober St. Veit: Die Sommerfrische in Ober St. Veit (lässt) noch sehr Vieles in Betreff eines guten, ausreichenden Trinkwassers, von nicht vorhandenen schattigen oder nicht schattigen Spaziergängen, der schlechten ungepflegten Ortswege und Straßen, eines den Anforderungen eines Stadtpublikums entsprechenden guten Gasthauses, u.dgl. mehr, zu wünschen übrig (Neues Wiener Tagblatt Nr. 204 (27.7.1882) S. 4). Das war für damalige Verhältnisse eine Ohrfeige gegen die Ehre der Gemeinde und obendrein eine Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Interessen, da die Wiener Sommerfrischler eine wichtige Erwerbsquelle des Ortes waren. Obwohl die Zeitung den Namen ihres Informanten nicht nannte, war er leicht zu erraten, indem es weiter hieß: Dage¬gen ist es das wohleingerichtete Post- und Telegraphenamt, welches durch die prompte, höfliche und zuvorkommende Bedienung seitens seines Leiters, des Herrn Postmeisters August Wetschl, eine besondere Anerkennung und Erwähnung verdient. Das wollten sich die Gemeindevertreter nun wirklich nicht gefallen lassen. Einige Tage später trat der Gemeindeausschuss zusammen, drückte seine Empörung aus und beschloss, an die kk. Postverwaltung für Niederösterreich eine Eingabe zu richten und um Enthebung des Postmeisters Wetschl von der Leitung des hiesigen Postamtes zu ersuchen (GAO 4.8.1882, außer TO). Am 11. August ging das Gesuch um Abberufung des Postmeisters ab, man trug es vorsichtshalber eigens nach Hietzing aufs dortige Postamt. Tatsächlich erschienen in den folgenden Wochen Revisoren der niederösterreichischen Postdirektion und durchleuchteten die gesamte Geschäftsführung und Gebarung der Wetschl'schen Postmeisterei bis ins Kleinste. Ergebnis: Alles untadelig, absolut nichts zu beanstanden. Am 12. Oktober 1882 schrieb man daher der Gemeinde zurück, es gäbe keinerlei Grund für die Abberufung des Postmeisters von Ober St. Veit (GAO 27.11.1882, beiliegende Korrespondenz). Postmeister Wetschi war also offensichtlich ein schwieriger Zeitgenosse, aber in seinem Amt fachlich perfekt und korrekt, und somit unangreifbar.

Nachdem Postmeister Wetschl den Versuch, ihn loszuwerden, gut überstanden hatte, setzte er ein Zeichen ganz anderer Art, das wohl ein "Hier-geh-ich-noch-lang-nicht-weg" signalisieren sollte: er verfasste im Frühjahr 1883 im Selbstverlag eine kleine Broschüre mit dem Titel "Skizzen von Ober-St. Veit an der Wien", die er über sein Postamt vertrieb. Nach einer eher belanglosen topographischen und historischen Einleitung ist ein gutes Drittel der Broschüre der Darstellung der Leistungen seines Postamtes gewidmet, danach beschreibt er noch kurz den Sicherheitsdienst, die Feuerwehr, die örtliche Geschäftswelt und bringt einige Annoncen lokaler Gewerbetreibender. Es handelt sich dabei um eine hervorragende Leistung frühgründerzeitlichen "Marketings" und heute um eine erstrangige lokalgeschichtliche Informationsquelle. Seine Lektion aus der Affäre um die Gemeindebeschimpfung im Neuen Wiener Tagblatt hatte Postmeister Wetschl freilich gelernt: Im topographischen Vorspannkapitel war nicht mehr vom fehlenden Schatten und von den ungepflegten Ortswegen die Rede, sondern er schrieb nun ganz manierlich, dass die Umgebung des Ortes voll Reiz und Naturschönheit (ist) und angenehm gangbare Wege nach allen Richtungen führen (August Wetschl, Skizzen von Ober-St. Veit an der Wien (Ober St. Veit 1883) 1; das Heftchen ist sehr rar, die Nationalbibliothek besitzt ein Exemplar). Das Heftchen dürfte jahrelang an die Kunden des Ober St. Veiter Postamtes verkauft, vielleicht auch verschenkt worden sein und erlebte 1888 sogar noch eine aktualisierte Neuauflage.

Ende 1882 lief der Mietvertrag des Postamtes im Gemeindehaus ab und wurde nicht verlängert (GAO 5.2.1881 Pt. 1). Vermutlich bereits zu diesem Zeitpunkt übersiedelte das Postamt in das Eckhaus h. Vitusgasse 1 / Wolfrathplatz 4, das heutige Trafiklokal, wo es bis zum Jahr 1900 verblieb (der nö. Amtskalender weist in den Jahren bis 1891 die Postämter nicht mit Adressen aus, erst für die Jahre 1892 bis 1900 ist die im Text angeführte Adresse erweisbar; in Wetschl's "Skizzen", S. 7 (1. Aufl. 1883) bzw. S. 13 (2. Aufl. 1888) wird die Adresse des Postamtes nur mit "Am Platze" angegeben - das passt zusammen, denn als den "Platz" bezeichnete man das oberste Stück der Hietzinger Hauptstraße zwischen h. Vitusgasse und h. Einsiedeleigasse).

Blättern wir in August Wetschls "Skizzen" das Kapitel über den Postdienst auf: Das Postamt war täglich, auch am Sonntag, vormittags und nachmittags geöffnet, und zwar für den Postbetrieb von 8 bis 12 Uhr und von 2 bis 6 Uhr nachmittags, nur am Sonntag war die Öffnungszeit etwas verkürzt. Die Wiener Privat-Telegraphengesellschaft betrieb im Postamt eine Telegraphenstation, die täglich von 7 Uhr früh bis 9 Uhr abends zum Senden und Empfangen von Telegrammen geöffnet war. Ab 1. Mai 1888 übernahm das staatliche Telegraphenamt dann den Betrieb bei unveränderten Öffnungszeiten. Kurz nach 6 Uhr morgens langten die Morgenzeitungen, gegen 5 Uhr nachmittags die Abendzeitungen am Postamt ein. Die Abonnenten konnten die Blätter dann entweder selbst beheben oder gegen einen halben Kreuzer Aufschlag pro Exemplar sich auch durch einen Boten ins Haus bringen lassen. Das Ober St. Veiter Postamt war zwischen 6 Uhr früh und 6 Uhr abends durch fünfmaligen Posttransport mit der Wiener Hauptpost verbunden, jeweils eine halbe Stunde vor Abfahrt dieser Postkurse, also fünf Mal täglich (!), wurden die drei Briefkästen des Ortes geleert und ihr Inhalt gleich weiterbefördert. Man konnte also etwa in der Früh einen Brief in die Stadt schicken und am Abend schon die Antwort in Händen halten. Ankommende Briefe, Pakete und Geldsendungen lagen grundsätzlich (nur) am Postamt zur Abholung bereit, die Zustellung durch den Briefträger ins Haus musste eigens gewünscht und mit 1 Kreuzer pro Brief extra bezahlt werden. Der Briefträger ging vormittags und nachmittags je eine Zustelltour. Briefmarken waren auch bei den Kaufleuten Johann Melan und Alfred Krammer erhältlich. Zu den irgendwie erstaunlichen Tatsachen gehört, dass man damals Pakete bis zu einem Höchstgewicht von 50 kg aufgeben konnte, obwohl die gesamte Manipulation mit Menschen- bzw. Pferdekraft erfolgte, während die heutige Post trotz vollmechanisierter Beförderungslogistik das absolute Höchstgewicht von Paketen mit 31,5 kg limitiert (http://www.post.at/content/produkte/pakete/produkte_pakete_755.htm, abgefragt am 22.11.2004).

Gegen seine Kundschaft war Postmeister August Wetschl je nachdem auch misstrauisch und konnte sehr unangenehm werden. Im März 1885 erkundigte sich der in Ober St. Veit, Wiengasse 284 (h. Tuersgasse 5) neu zugezogene Schuhmachergehilfe Ignaz Wingert an mehreren Tagen nacheinander auf dem Postamt, ob nicht aus der Steiermark ein schon längst erwartetes Paket für ihn eingelangt sei. Paket war keines da, aber die mehrmalige Nachfrage erregte so sehr das Misstrauen des Postmeisters, dass er der Wiener Polizeidirektion eine "vertrauliche Mitteilung" machte, in welcher er darauf hinwies, dass Ignaz Wingert in die Wohnung eines Schlossergehilfen eingezogen sei, der wegen sozialistischer Umtriebe ausgewiesen worden war. Das sei doch ein verdächtiger Zusammenhang...  Über Ersuchen der Polizei beauftragte Bezirkshauptmann von Kutschera daraufhin tatsächlich die unauffällige Überwachung des Verdächtigen, welche vom Postmeister höchstpersönlich, diesmal aber im amtlichen Auftrag unter Beiziehung des Gendarmeriepostens Hietzing vorgenommen wurde. Als sich bis 30. Mai 1885 nicht der geringste Hinweis auf "sozialistische Umtriebe" ergab und auch kein verdächtiges Paket einlangte, veranlasste die Hietzinger Gendarmerie den Abbruch der Aktion. Heraus kam nichts (WStLA Bezirkshauptmannschaft Sechshaus, A 1/6, Akt 56 Pr/1885).

Im Jahr 1900 übersiedelte das Ober St. Veiter Postamt neuerlich, und zwar in das Haus Hietzinger Hauptstraße 148 (nö. Amtskalender 1901, S. 425: siehe dazu auch das rare Foto des Postamtes in der Hietzinger Hauptstraße 148 aus dem Jahr 1907 in: Karl Fischer, Wien in alten Ansichtskarten – Hietzing und Schloss Schönbrunn (Zaltbommel 1989) Bild Nr. 31). August Wetschl blieb insgesamt 30 Jahre (bis 1908) Postmeister von Ober St. Veit, er überlebte also sogar noch um 17 Jahre den Untergang der Gemeinde, die ihn einst loswerden wollte (der nö. Amtskalender 1909, S. 599 weist das Ober St. Veiter Postamt erstmals als nicht mehr von August Wetschl geleitet aus). Als letzter Ober St. Veiter Postmeister folgte ihm noch ein gewisser Heinrich Reif bis 1914 (nö. Amtskalender 1910, S. 615). Dann wurde das Ober St. Veiter Postamt ein ärarisches (staatliches) Post- und Telegraphenamt und übersiedelte in das damals neu erbaute Wohnhaus Einsiedeleigasse 5, wo es sich noch heute befindet (Hietzinger Bezirksblatt Nr. 23 (1.10.1914). Beim Umbau der Jahre 1982/83 hat man leider die gesamte, damals noch erhaltene Originaleinrichtung des Jahres 1914 vernichtet.

c) Unter St. Veit

Über die Postverhältnisse in Unter St. Veit gibt es in Ermangelung von Quellen weit weniger zu berichten als über diejenigen in Ober St. Veit. Es ist nicht nachzuweisen, inwieweit die seit 1796 genannte St. Veiter Briefsammelstelle auch den neu entstehenden Ortsteil Unter St. Veit mit bediente. In den Jahren vor 1877 gehörte Unter St. Veit jedenfalls zum Bestellungsbezirk des Postamtes Hietzing. Anlässlich der Verselbständigung der Gemeinde Unter St. Veit wurden im Jahr 1870 durch die neue Grenzziehung eine ganze Reihe von Häusern der neuen Gemeinde zugeschlagen, die nach bisherigem "historischen Verständnis" zu Ober St. Veit gehört hatten. Trotz ihrer Umgemeindung mussten diese Häuser weiterhin ihre Briefsendungen am Ober St. Veiter Postamt beheben, wogegen sich die Betroffenen gemeinsam bei der Postdirektion beschwerten, weil sie es nach Hietzing näher und bequemer hätten (Abschrift dieser Beschwerde in AUV 123/1870). Die Postdirektion ließ daraufhin eine genaue Liste der betroffenen Häuser anlegen und verfügte, dass diese mit 1. April 1870 in den Bestellungsbezirk des Postamtes Hietzing überzugehen hätten (Schreiben der nö. Postdirektion vom 22.3.1870 samt Liste der "von Ober St. Veit nach Unter St. Veit zugefallenen Häuser", ebenfalls in AUV 123/1870).

Mit 1. Juni 1877 wurde in Unter St. Veit eine Postexpedition eröffnet. Diese diente nur der Annahme von Postsendungen aller Art, Paketen und Geldsendungen. Die Zustellung der von auswärts eingelangten Post wurde weiterhin durch das Postamt Hietzing besorgt (Wochenblatt für den politischen Bezirk Sechshaus und die Wiener Vororte Nr. 21 (27.5.1877) S. 5; die mit "Hauptstraße Nr. 30" angegebene Adresse dieser Postexpedition ist mit den vorhandenen Möglichkeiten leider keiner heutigen Adresse zuordenbar). Postexpedient in Unter St. Veit war von 1877 bis 1881 Matthias Sommerer, ihm folgte Carl Reif (nö. Amtskalender 1878, S. 381 und 1882, S. 405). Im Herbst 1886 nahm die Unter St. Veiter Postexpedition auch den Briefabgabedienst dazu und wurde damit zum nichtärarischen Postamt; Carl Reif führte von da an den Titel Postmeister (GAU 17.9.1886 Pt. 2; nö. Amtskalender 1887, S. 430). Einen Versuch, die politisch zu Unter St. Veit gehörenden Häuser der Lainzerstraße aus dem Unter St. Veiter Postrayon herauszunehmen und Hietzing zuzuschlagen, verhinderte die Gemeinde erfolgreich (GAU 2.5.1887 Pt. 2). 1888 erhielt das Unter St. Veiter Postamt – gleichzeitig mit dem Ober St. Veiter übrigens – eine Telegraphenstation (nö. Amtskalender 1889, S. 421). Per 6. August 1888 verlegte Postmeister Reif das Amtslokal in die Zwerggasse (h. Wittegasse) 8 und stellte gleichzeitig zwei neue Briefkästen im Ort auf (AUV 796/1888). 1892 finden wir das Postamt neuerlich verlegt, und zwar in die Kremsergasse 11 (nö. Amtskalender 1892, S. 425). In diesem heute noch bestehenden Haus sind in der Einfahrt noch Bemalungen aus der Zeit der Verwendung als Postamt erhalten. Carl Reif versah sein Amt noch bis etwa 1910, dann folgte ihm als letzter Unter St. Veiter Postmeister ein gewisser Franz Schmid (nö. Amtskalender 1912, S. 631). Im Jahr 1914 wurde auch das Unter St. Veiter Postamt in ein ärarisches (staatliches) Post- und Telegraphenamt umgewandelt und übersiedelte in die Hietzinger Hauptstraße 56 (nö. Amtskalender 1915, S. 599).

Quellen:
Klötzl, Gebhard: Die Gemeinden Ober St. Veit und Unter St. Veit 1848–1891. Dissertation an der Universität Wien, 2004, S 182–188.

Eingestellt von hojos
Im Juli 2011