Über die Weihnachtsbäckerei

Historisches über Mehl und Zucker oder Historisches über Bäckereien und Konditoreien.
01.11.2005

Immer wieder freuen wir uns auf das Weihnachsfest. Nach der Geschäftigkeit der Vorweihnachtszeit wird es ruhiger und wir erleben im Familienkreis stille Freuden. Begleitet wird diese Zeit von köstlichen Düften; größten Anteil daran hat die Weihnachtsbäckerei. Mit dieser angenehmen „Begleiterscheinung“ des Weihnachtsfestes und verwandten historischen Themen beschäftigt sich der folgende Artikel.

Ein Teil der Weihnachtsbäckerei geht noch mit bestimmten Bräuchen einher und die Opferung oder der Verzehr sollen persönliches oder allgemeines Wohlergehen fördern. Dazu werden meist gewöhnliche Hausbrotformen oder „Gebildbrote“ in unterschiedlichster äußerer Gestaltung und unter Verwendung kräftiger Nahrungsmittel wie Dörrobst, Mohn oder Nüssen verwendet.

Der andere Teil der Weihnachtsbäckerei dient ohne tieferer Bedeutung nur der Erhöhung der Festtagsfreude. Auf den Tisch kommen „bessere“ Hausbrote, Kletzenbrote, Weihnachtsstriezeln, Christstollen, Gugelhupfe und sonstige Kuchen, Mohn-, Nuss- und viele andere Strudeln, Beugeln, Brezen, Krapfen, Lebzeltereien usw.

Den Christbaum verzieren Stücke aus Mürbteig, Lebkuchen, Zuckermasse, Marzipan, Windmasse und anderen Materialien, viele davon halb- oder ganz in Schokolade getunkt oder aus reiner Schokolade.

Die höchste Ausprägung findet die individuelle Kreativität in den zahllosen Keksen und sonstigem Konfekt, das kunstvoll aus den verschiedensten Zutaten gefertigt und effektvoll auf Platten und Schüsseln aufgelegt wird: Was wäre Weihnachten ohne einem Vanillekipferl?

Gebacken wird auch heute noch gerne in der eigenen Küche, darüber hinaus versorgen uns die Bäcker, die Zuckerbäcker und natürlich die Industrie.
Die Geschiche dieser Köstlichkeiten ist eng an seine beiden „Grundstoffe“ gebunden: das Mehl und den Zucker. In diesen beiden Stoffen kristallisieren sich alle nur denkbaren Gegensätze: Mehl als wichtiges Grundnahrungsmittel versus Zucker, dem „König der graziösen Überflüssigkeiten“. Das Getreide und seine Folgeprodukte waren als Rückgrat der Ernährung breiter Bevölkerungsschichten verschiedensten Regulierungen unterworfen. Von den ab dem Mittelalter genannten drei Gewerbegattungen, den Brot-, Semmel- und Luxusbäckern waren es die letzteren, die das Publikum mit fortgeschritteneren Backwaren versorgten, wie z.B. mit kiphen (auch kipfen, Weizenbrote in Form eines kleinen zweispitzigen Weckens). Viele aus dem Kreis dieser Luxusbäcker rekrutierten sich schon anfangs des 14. Jahrhunderts aus„wälschen“, also italienischen Bäckern und sie gelten als Vorläufer der Zuckerbäcker.
Der Beck: Nachdruck eines Holzschnittes aus 1568.
<p>Der Beck: Nachdruck eines Holzschnittes aus 1568.</p>
Als Ursprung des Zuckers bzw.des Rohstoffes Zuckerrohr wird Neuguinea genannt. Länger haltbar war aber erst der von den Persern hergestellte kristallisierte Zucker. Die dazu verwendeten kegelförmigen Ton- oder Holzgefäße gaben ihm die für lange Zeit typische Form des Zuckerhutes. Erst im 12. Jahrhundert soll er in die deutschsprachigen Gebiete gelangt sein. Zucker oder mit Zucker veredelte Produkte (z.B. Konfekt, in Zucker getauchte Früchte) waren eine ausgesprochene Rarität und Raritäten pflegten Heilkräfte zuerkannt zu werden. Deswegen wurde Zucker zunächst in Apotheken verkauft und erst ab dem 16. Jahrhundert von den zu dieser Zeit vermutlich aus den Niederlanden nach Österreich gekommen Zuckerbäckern in kreativerer Weise benützt.

Das Gewerbe der Zuckerbäcker - ab 1744 in einer eigenen Zunft organisiert - war immer in einer schwierigen Position. Zunächst war ihm das Mehl von der Bäckerzunft vorenthalten worden und bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts sorgte der kostspielige importierte Rohrzucker für einen elitären Charakter der Zuckerwaren. Wer immer sich dieses teure Vergnügen leisten konnte, verfügte über eigenes Personal zu dessen Herstellung. Auch die Bevölkerung, die noch lange mit Honig süßte und erst viel später mit Zucker, versorgte sich selbst, da blieb nur wenig Geschäft für das Zuckerbäckergewerbe.
Der Zuckerbäcker: Stich von Christoph Weigel.
<p>Der Zuckerbäcker: Stich von Christoph Weigel. </p>

Eine wesentliche Erweiterung des Repertoires der Zuckerbäcker (neben dem Gefrorenen und den Likören) brachte die Schokolade. Auch hier war es der Zucker, der die von den Spaniern zunächst als „Sautränke“ abgekanzelten gerösteten und zerquetschten Kakaobohnen Mexikos genießbar machte. Schokolademacher gab es in Österreich ab der Mitte des 18. Jahrhunderts, in die Konditoreien hielt dieses Produkt aber erst viel später Einzug.

Dies war, als die Dehnes und Demels zeigten, welche Möglichkeiten der Zucker tatsächlich birgt und Konditoren wie Lehman, Heiner und Gerstner (unter anderem mit zuckerbehangenen Christbäumen) ihrem Beispiel folgten. Die Konditoreien waren aus ihrem phlegmatischen Dasein am Rande erwacht und hatten sich zu prunkvollen Attraktionen entwickelt. Einem Nicht-Zuckerbäcker namens Sacher war es dann vorbehalten, mit einem dunklen, glasig-glatten Tortenüberzug die damals beliebte Linzer-Torte auf den zweiten Platz zu verweisen. Dies alles änderte aber nichts an der Konditorei als elitäre Bühne für die (Erfolg-) Reichen.

Wirklich demokratisiert wurden die süßen Verführer erst, als der Rübenzucker den Rohstoff verbilligte. Die Konditoreien profitierten kaum, denn zur nach wie vor übermächtigen Konkurrenz der privaten Haushalten gesellten sich auch noch Großbetriebe wie z.B. Victor Schmidt und nicht zuletzt das Gebot der schlanken Linie.

Erst der deus ex Espresso-Maschine ermöglichte den Konditoreien ein etwas besseres Leben. Sie wurden zu Café-Konditoreien und konnten etwas anbieten, was bisher nur den Kaffeehäusern vorbehalten war. Das Auto trieb ihnen dann noch weitere Anhänger zu, schließlich gestattete der promillefreie Betrieb nur Fruchtsäfte statt Whisky. Endgültig zum Allgemeingut wurden die Café-Konditoreien durch die dem Massenbetrieb Rechnung tragenden Nivellierungen einer Aida oder Janele.

Mehr zur Geschichte der Bäcker und Zuckerbäcker finden Sie HIER.

Quellen:
Ressel, Gustav Andreas: Das Archiv der Bäckereigenossenschaft in Wien; Wien 1913
700 Jahre Wiener Bäcker-Innung; Wien 1927
Witzelsberger Richard: Das Wiener Zuckerbäckerhandwerk; Wien 1946
Skrach, Hans: Die Wiener Konditorei; Wien 1958
Burgstaller, Ernst: Österreichisches Festtagsgebäck; Wien 1958
Leitich, Ann Tizia: Das süsse Wien; Wien 1964
Peter Friedl: Die Lebensmittelversorgung der spätmittelalterlichen Stadt am Beispiel Wiens, Diplomarbeit 1995
Haslinger-Patka-Jesch: Der süße Luxus; Wien 1996

exzerpiert von hojos
im November 2005