William Unger

Radierer, Kupferstecher und Aquarellmaler (Landschaften), geboren am 11.9.1837 in Hannover, gestorben am 5.3.1932 in Innsbruck. Lebte in Ober St. Veit.
11.09.1837

William Unger entsprang als zweites von fünf Kindern der Ehe des Juristen und Kunsthistorikers Friedrich Wilhelm Unger mit der Süddeutschen Ernestine Wurm, Tochter des kunstsinnigen und kunstfördernden Regierungsrates von Wurm (früher Polizeidirektor in Nürnberg).

William Ungers ältere Schwester Johanna hatte Erfolg als Malerin; sie war Schülerin des bekannten Historienmalers Leutze in Düsseldorf und später in München bei Lindenschmidt, dann Leiterin der Damen-Akademie in München. Sie war auch Lehrerin der Braut des Königs von Bayern und ein gern gesehener Gast in Possenhofen. Eine Krankheit führte zu ihrem frühen Tod im Jahre 1871. Die jüngere Schwester Therese verheiratete sich mit dem Juristen August Ubbelohde; deren Sohn Otto Ubbelohde wurde als Illustrator ein geschätzter Künstler und gehörte über lange Zeit der Malergruppe „Worpsweder“ an, ehe er eine eigene Schule kreierte und mit Erfolg radierte. Der Bruder Richard wurde Ingenieur, und die jüngste Schwester Auguste heiratete Julius Lott, den Erbauer des Arlberg-Tunnels.

William Unger ist Vater der 1873 geborenen Else Unger, der 1875 geborenen späteren Bildhauerin und Medailleurin Helene Unger (Hella studierte an der Wiener Kunstgewerbeschule bei Stefan Schwartz) und der 1877 geborenen Erna Unger. Später kamen noch die Söhne Rudolf und William hinzu.

Als William Unger eineinhalb Jahre alt war, zog die Familie nach Göttingen. Dort verbachte er eine fröhliche Kindheit mit einer Fülle an Eindrücken und Erlebnissen und so mancher wertvollen Freundschaft. Etwas zu leiden hatte er an seiner – wie er es selbst ironisierend bezeichnete – „Unterlebensgröße“, die ihm einen Mangel an Selbstbewusstsein bescherte. Dieses Gefühl konnte er nie gänzlich abbauen und es steigerte seine notorische Unzufriedenheit mit den eigenen Arbeiten. Er zerstörte Arbeiten, die seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht wurden, auch konnte er sich lange nicht entschließen, mit seinen Arbeiten an die Öffentlichkeit zu gehen.

Unterstützt durch das Milieu, in dem er aufwuchs, wurde in ihm bald der Sinn für die Kunst geweckt. Seine erste Radierung – ein Jupiterkopf – entstand unter Anleitung des Zeichenlehrers seiner Schwester, eines Herrn Neise. Herr Neise war begeistert, doch hatte William angesichts seiner mäßigen Leistungen zunächst die Schularbeiten ordentlich zu machen und sich nicht mit solchen „Spielereien“ abzugeben.

Schwierig fiel ihm dann im siebzehnten Lebensjahr die Wahl des Berufes, den er nach dem Ausscheiden aus der Schule ergreifen sollte. Trotz der Anfangserfolge hatte er zu wenig Vertrauen in seine Fähigkeiten, und die Aussicht auf eine ähnlich kümmerliche Existenz wie die der Künstler in seinem Umkreis schien ihm wenig verführerisch. Er wollte sich daher im Einvernehmen mit seinem Vater zu einem Architekten ausbilden lassen. Das tatsächliche oder nur vorgespielte (es mangelte ihm an Schülern) Entzücken Josef Kellers, des damals bedeutendsten Kupferstecher Deutschlands, über seine Arbeiten führten aber dann doch zur Künstlerlaufbahn.

Es folgte 1854 das Studium an der Düsseldorfer Akademie bei Josef Keller und ab 1857 in München bei Julius Thäter. Seine Entwicklung in diesen Studienjahren verdankte er aber nur zum Teil den oft sehr konservativen oder ihm nicht gelegenen Lehrinhalten und Unterrichtsmethoden in den Akademien. Künstlerisch und persönlich profitierte er auch sehr von den Freundschaften mit prominenten Malern, Schriftstellern und Musikern. An allen Aufenthaltsorten öffneten ihm Empfehlungen oder schlicht seine „gesellschaftlichen Talente“ mit etwas schauspielerischer und humoristischer Begabung die Türen.

In Düsseldorf, wo sich Professor Keller trotz seiner unbestrittenen künstlerischen Fähigkeiten als „wenig sympathischer Mensch“ entpuppte, war es das gesellige Sammelbecken jüngerer Künstler im „Malkasten“, das ihm diese alternativen Anreize bot. In dieser Zeit verfestigte sich auch sein Bestreben, die Technik des strengen Kupferstiches durch eine freiere, künstlerischere und koloristisch wirkende zu ersetzen und der Radierung mehr Beachtung zu schenken.

Zurück in Göttingen wurde er veranlasst, seine – in seinen Augen nach wie vor schwachen – Fähigkeiten für diverse Tätigkeiten einzusetzen. Sie brachten ihm schließlich ein Honorar ein, dass er auf Anraten seines Vaters für eine Reise zur Besichtigung hervorragender Sammlungen verwendete. Die Reise führte ihn – mit ausreichend Geld und Empfehlungsbriefen ausgestattet – nach Kassel, Dresden, Wien und Venedig.

In Kassel machte er erste Bekanntschaft mit der hervorragenden Galerie alter Meister, die später Gegenstand seines künstlerischen Schaffens werden sollte. Nach Wien kam er im Frühjahr 1858, als gerade mit dem Abbruch der Stadtmauern und -tore begonnen wurde. Er konnte wohl mit einigen ihm mitgegebenen Vorurteilen aufräumen, was die Güte etwa der hiesigen italienischen Bilder betraf, und er fand vieles, das ihm imponierte, allem voran die unvergleichliche Rubenssammlung. Dennoch veranlasste ihn trotz guter Betreuung ein Gefühl des völligen Fremd- und Alleinseins, den Aufenthalt in Wien abzukürzen. In Venedig wurden seine Erwartungen übertroffen, und er wurde von dem märchenhaften Zauber, der Farbenpoesie und der wunderbaren Romantik in Natur und Objekten überwältigt. Allerdings war es auch das Jahr vor dem Ausbruch des Krieges, in dem Österreich die Lombardei verlor. William spürte mitten im üppigen Leben der Reichen die aufgeregte Stimmung in der Bevölkerung, bemerkte die wiederholten Krawalle und auch das schroffe Verhalten der Einheimischen gegenüber den Österreichern und insbesondere gegenüber dem österreichischen Militär.

Sehr seltsam nimmt sich in den Lebensberichten Ungers die Schilderung einer Bergtour über die Ötztaler Alpen aus, die er nur mit gehörigem Glück überlebt zu haben scheint.

Während des Schuljahres in München fand er bestes Einvernehmen zu Professor Thäter, und er erfuhr eine wertvolle Schulung jenseits der schwerfälligen Technik des Stechens durch unmittelbares, freies Schaffen beim Übertragen von Originalen in die Form eines Stiches oder einer Radierung. Ebenso kamen ihm das Arbeiten direkt nach der Natur und das Training des Gedächtnisses, wie es Thäter betrieb, sehr zu statten. Aber auch in München war es wieder eine von der traditionellen Technik (der Historienmalerei) abweichende Lehre, die für William Ungers Entwicklung von wesentlichem Vorteil gewesen war. Es war dies die Piloty-Schule, die ihre Räume angrenzend an die Kupferstecherschule hatte und unter deren Schüler er enge Freunde fand, u. a. die Österreicher Makart und Gabriel Max. Darüber hinaus wurde ihm auch eine Fülle weiterer unvergesslicher Eindrücke im von den Wittelsbachern geförderten Kunstleben Münchens beschert: Der Festzug aus Anlass des 700. Jahrestages der Gründung der Stadt München (dieser und in anderer Art der Makartsche Festzug in Wien waren für ihn die besten je Gesehenen), zahlreiche andere lokale Veranstaltungen, die Künstlervereinigung „Jung München“ mit ihrem belebendsten Element Wilhelm Busch, Menschen wie der Maler und Illustrator Ludwig Richter, ein enger Freund Thäters.

1859 kehrte William Unger nach Göttingen zurück, und nach einigen Arbeiten dort entschloss sich sein Vater, ihm eine weiteres Studienjahr in Düsseldorf zu finanzieren. Es wurde ein Jahr voller Enttäuschungen, Selbstquälerei und materieller Schwierigkeiten. Die Lehre beim Kupferstecher Massau brachte ihn nicht weiter, Arbeiten misslangen, und das Gefühl, dem Vater immer noch zur Last fallen zu müssen, quälten ihn. Die hellen Momente im „Malkasten“ brachten nur wenig Unterbrechungen in seine trübe Stimmung. Schließlich erkrankte er. Die Pflege seiner Schwester Johanna ermöglichte ihm nach schweren Wochen die Rückkehr in das Elternhaus.

Im Alter von 25 Jahren hatte er eingesehen, sich auf die bisherige Weise keine selbständige Position erwerben zu können, und er folgte dem Rat seines Vaters, in Leipzig, der großen Zentrale des Buchhandels, durch Arbeiten für den Buch- und Kunsthandel einen Boden für seine technischen Fähigkeiten zu erwerben. Durch seinen Jugendfreund Fritz Vogel konnte er sich eine erste Basis schaffen, wiederum lernte er zahlreiche Größen des Kunst- und Kulturlebens kennen. Arbeitsmäßig schuf er sich eine erste Selbstständigkeit mit künstlerisch nicht sehr hochstehenden Aufgaben, erst nach und nach kamen anspruchsvollere Aufträge herein. Ein Auftrag des Verlegers Wigand verschlug ihn nach Weimar, das Unternehmen musste aber wegen finanzieller Schwierigkeiten Wigands aufgegeben werden. William Unger hatte in der Zwischenzeit Beziehungen zu mehreren Verlegern wie Brockhaus und E. A. Seemann geknüpft. Die Arbeit für Seemanns vor kurzem gegründete „Zeitschrift für bildende Kunst“ sollte mehrere Jahre dauern und für seine ganze spätere Tätigkeit als Radierer bestimmend werden.

Unger schlug vor, ein Album über die Kasseler Galerie in Radierungen herauszugeben, im Einvernehmen mit Seemann sollte aber zuerst ein Versuch über die Braunschweiger Galerie (1868) erfolgen. Das Interesse für die Reproduktion alter Meister stieg, und die Technik Ungers gefiel. Die Kunstzeitschrift mit Seemann als Verleger, C. von Lützow als Kunstredakteur und Unger als Künstler wurde zum viel gelesenen Organ für Kunstinteressenten. Unger hat es wohl die Existenz ermöglicht, sein Beitrag zum Erfolg der Zeitschrift scheint aber nicht in gebührender Weise honoriert worden zu sein. Der Aufenthalt in Braunschweig war für Unger aber dennoch ein sehr ersprießlicher: Er vermochte seine Technik des Radierens zu vervollkommnen und ihr Reize abzugewinnen, wie sie der Stich nicht bieten konnte. Unger haftete nicht mehr an einer bestimmten Methode, sondern verfuhr in unterschiedlicher Weise, angepasst an die Malweise des Künstlers unter Anwendung der verschiedensten Hilfsmittel.

Bei einem Aufenthalt in Weimar wurde William Unger erst bewusst, wie bekannt er durch seine Arbeiten für die Zeitschrift geworden war. Schließlich wurde ihm vom Großherzog von Sachsen-Weimar als Zeichen der Wertschätzung der Professorentitel verliehen. Zahlreiche Einladungen und Besuche im Atelier (z.B. durch den Großherzog in Begleitung Liszts) folgten.

Erst 1869 kam das Abkommen mit Seemann über ein Album der Kasseler Galerie zustande. Die Tätigkeit in der Galerie bereitete Unger einen Hochgenuss. Die von den Einheimischen kaum besuchte Galerie stieg allmählich im Interesse der Kunstfreunde. Das Verhältnis zwischen Unger und Seemann wurde aber zusehends getrübt, was wohl in der unterschiedlichen Auffassung über den Anteil am Erfolg der Projekte begründet lag. Seemann meinte, Unger erst bekannt gemacht zu haben, Unger meinte, wesentlichen Anteil am Erfolg der Zeitschrift zu haben. Das jämmerliche Honorar jedenfalls reichte nach Abzug der Reisespesen und der Kosten für Probedrucke nicht aus, die bescheidenen Ansprüche Ungers zu befriedigen. Weitere Vorkommnisse erschienen Unger pietätlos und kränkten ihn zutiefst.

Positiv berichtet Unger über Aufenthalte in Weimar, die ihm u.a. auch zeitraubende aber gerne geleistete Lehraufgaben abverlangten. In diese Zeit fiel eine gemeinsam mit Freunden unternommenen Fahrt nach Leipzig, um dort ausgestellte Bilder Makarts zu sehen. Alle waren vom Zauber der Farben, der Komposition, von Schönheit, Geschmack und Technik angetan, schlicht von einer Kühnheit in der Anwendung der Mittel, die einzig dastand und die nur Makart wagen konnte.

Unger heiratete im Jänner 1870. Die schöne Zeit danach mit Befriedigung in der Tätigkeit und Glück in der jungen Ehe wurde bald durch die sich zuspitzenden Verhältnisse zwischen Frankreich und Deutschland getrübt. Erduldete Provokationen, Wut und grenzenlose Begeisterung über die Kriegserklärung bestimmten die deutschen Gemüter, Erfolge am Kriegsschauplatz und Siegesbewusstsein brachen wieder Ruhe ins Land. Die düsteren Eindrücke des Krieges warfen noch eine Zeit lang ihre Schatten. Elend und Entsetzen prägten sich in Ungers Gedächtnis ein, als er an dem Bahnhof, an dem sich seine Frau am Labedienst beteiligte, die Verwundetentransporte sah oder den Zug mit Gefangenen, die stehend auf offenem Wagen mit nur 30 Zentimeter hohen Wandungen dicht aneinandergedrängt ein- und festgefroren waren.

Die Arbeit trat in dieser bewegten Zeit wohl in den Hintergrund, aber der Krieg hatte auf den geschäftlichen Verkehr, selbst auf den Kunstmarkt keinen wesentlichen Einfluss. Noch im selben Jahr erhielt Unger Auftragsarbeiten mit interessanten Aufenthalten etwa in Berlin, Frankfurt, Darmstadt und München und auch viel Lob für seine Arbeiten. Es folgten weitere Aufträge, einer beinhaltete Radierungen für die neu gegründete „Gesellschaft für vervielfältigende Kunst“ in Wien im Februar 1871, der zweite Radierungen der berühmten Frans Halsschen Bilder in Haarlem, Holland für den Verleger Sijthoff im Herbst 1871.

Wien präsentierte sich Unger wesentlich verändert, ohne die alten Befestigungswerke, mit Ringstraße, Stadtpark, Kai, Oper, stattlichen Zinshäusern und Brücken an ihrer Stelle. Dadurch wirkte die Stadt auf ihn zwar weniger gemütlich aber entschieden großartiger. Für sein künstlerisches Empfinden allerdings war Unger zu viel von dem intimen malerischen Reiz verloren gegangen. Einige dieser Spezialitäten fand er noch vor, wie z. B. das Bürgerspital als Konglomerat alter, verwahrloster Häuser um einen großen Hof, mit Stiegenaufgängen außerhalb der Häuser, hölzernen Galerien, baufällig und wie in Italien mit viel Wäsche auf den Galerien.

Unger wurde in Wien liebenswürdig aufgenommen, traf wieder alte Freunde, z. B. den Landschaftsmaler Eduard von Lichtenfels und dessen Schwager, den Tiermaler Rudolf Huber. Die „Gesellschaft für vervielfältigende Kunst“, war durch Lichtenfels‘ Zutun aus dem nicht mehr lebensfähigen sogenannten älteren Wiener Kunstverein entstanden und wollte durch gute Reproduktionen in Stich oder Radierung das Interesse für graphische Kunst fördern. Das Vorhaben wurde vom Publikum lebhaft begrüßt. Ungers gestiegene Begeisterung für die Radierung, das gute Verhältnis zu der Gesellschaft und ein Abkommen mit ihr und anderen Auftraggebern, das ihm ein jährliches Mindesthonorar sicherte, ließen in ihm den Entschluss reifen, nach Wien zu übersiedeln. Er war der Überzeugung, hier festen Fuß fassen zu können. Zu den ersten Aufträgen zählten auch solche der Kunsthandlung H.O. Miethke. Zu Herrn Miethke sollte sich eine nachhaltige Beziehung entwickeln, die letztendlich für Ungers Nähe zu Ober St. Veit verantwortlich war.

Nach dem Aufenthalt in Holland vom Herbst 1871 bis ins Frühjahr 1872 (Arbeiten für Sijthoff) mit vielen Eindrücken zu Land und Leuten, der zunächst fremden Sprache, den eigenen Sitten und Gebräuchen, aber auch mit viel Freude über den künstlerischen Reichtum, ließ sich Unger endgültig in Wien nieder.

Wieder konnte er bestehende Freundschaften vertiefen und neue schließen. Sehr nahe stand ihm die Familie Lott, mit der schon von früher Jugend an freundschaftliche Beziehungen bestanden. Deren älterer Sohn Julius war mit Ungers jüngster Schwester Auguste verheiratet. Die älteste Tochter der Familie Lott war mit Hofrat Rudolf von Eitelberger, die andere mit dem Historiker Professor Ottokar Lorenz verheiratet. Der jüngste Sohn Dr. Gustav Lott war Mediziner und später auch Hausarzt der Ungers. Diese Bande erleichterten Unger die Etablierung in Wien.

Von den von Unger erwähnten weiteren Freunden in Wien seien hier – ohne Gewichtung oder korrekter zeitlicher Reihenfolge des Kennenlernens – einige angeführt:

Angeli, Heinrich von, Porträtmaler
Böcklin, Arnold, Maler
Bucher, Bruno, Kunsthistoriker
Charlemont, Hugo, Maler
Conze, Alex. Chr. Leopold, Archäologe
Jacoby, Professor Louis, Kupferstecher
Lenbach, Porträtmaler
Lippmann, Dr. Friedrich, Kunstschriftsteller
Rosner, L., Buchhändler
Schöne, Hermann, Schauspieler
Schönn, Alois, Wiener Genremaler
Spitzer, Daniel, Schriftsteller
Thausing, Moritz, Kunstschriftsteller, Direktor der Albertina
Thimig, Hugo, Schauspieler.

Miethke beauftragte für die Weltausstellung im Mai 1873 ein Bild von Makart, das Unger gleichzeitig als Radierung herstellen sollte. Unger bereitete sein Teil der Arbeit zwar Schwierigkeiten, weil Makart wiederholt ganze Gruppen änderte, konnte dabei aber erleben, mit welch unglaublicher Leichtigkeit Makart schuf. Er lernte auch die Ateliers Makarts kennen und schätzen, gefüllt mit prachtvollen alten Möbeln, Gobelins, Teppichen und Kostbarkeiten aller Art. Er lernte auch die vielen Künstler kennen, die dort verkehrten. Überschwänglich berichtet Unger von dem großen Kostümfest und der Erscheinung der Catarina Cornaro.

Natürlich weiß Unger auch über Makart selbst zu berichten, etwa seine Schweigsamkeit in der Gegenwart von ihm Unbekannten und den klassischen Ausspruch der Schauspielerin Gallmeier, als er eine Zeit lang schweigend neben ihr gesessen war: „Na, lieber Makart, reden wir von was anderem.“ Es war ihm nicht gegeben, einen zu ihrer Unterhaltung passenden Ton anzuschlagen. Im Kreise von Bekannten konnte er aber sehr wohl angeregt und anregend seine Ideen entwickeln und nur schwer ein Ende finden. Er war ein Meister in allem, was er anpackte. Zur Zeit des großen Festzuges bereitete den Fachmännern der Schnitt der Ärmel für Frauengewänder unüberwindliche Schwierigkeiten. Makart nahm eine Schere und schnitt aus einem kostbaren Stoff, ohne vorher aufzuzeichnen, eine unglaubliche Form heraus und sagte anschießend: „Also, jetzt näht’s zusammen“. Der Ärmel passte tadellos.

Die Weltausstellung, deren Vorarbeiten Unger viele Eindrücke bescherte und deren Erfolg garantiert zu sein schien, wurde durch den Zusammenbruch der Börsenspekulationen, an denen sich auch das Publikum rege beteiligt hatte, und anderes Ungemach, sehr beeinträchtigt. Die allgemein trübselige Stimmung verbesserte sich wohl, ein materieller Erfolg konnte die Ausstellung aber nicht mehr werden. Das Bewusstsein, etwas Großartiges geschaffen und es der Welt gezeigt zu haben, spornte jedoch zu intensiveren Anstrengungen besonders auf dem Gebiet der Kunst und Kunstindustrie an.

Vor allem eine umfangreiche Publikation der hervorragendsten Bilder des Trippenhuys in Amsterdam führte Unger ab 1874 für drei Jahre wieder nach Holland.

Zur weiteren künstlerischen Tätigkeit in Wien ist neben den Aufträgen der „Gesellschaft für vervielfältigende Kunst“ die Zusammenarbeit mit Miethke hervorzuheben, die in der gemeinsamen großen Publikation der hervorragendsten Bilder aller Schulen aus der Sammlung des Belvedere mit Texten von Carl von Lützow gipfelte. Der Erfolg sicherte das Unternehmen und Unger fand damit die volle Anerkennung der Fachwelt.

Unger war all die Jahre reichlich beschäftigt. Aber auch während Hochstimmungen am Kunstmarkt mit hohem Interesse und Bedarf an Drucken, Katalogen etc. reichte sein Einkommen als Reproduktionsradierer nur für ein bescheidenes Leben. Als die Familie größer geworden war (drei Töchter) übersiedelte sie in ein Haus der befreundeten Familie des Bildhauers und Architekten Schönthaler in der Viktorgasse und machten das Haus zu einem bescheidenen, aber gerne aufgesuchten Treffpunkt für Künstler und Kunstfreunde.

Die privaten Beziehungen zu Miethke hatten sich Anfang der siebziger Jahre entwickelt und waren durch Sommeraufenthalte in Ober St. Veit gefördert worden. Dort hatte Miethke einen Besitz erworben und diesen zu einem Zentrum werden lassen, wo sich die Bekannten zusammenfanden. Selbst die entsetzlichen Fahrten mit dem Stellwagen wurden nicht gescheut. Die Arbeiten am Belvederewerk nahmen Unger voll in Anspruch und wurden nur durch eine Reise nach Süditalien und Sizilien unterbrochen, die auf Anregung des Frankfurter Kunstfreundes Otto Günther gemeinsam mit Miethke und Lützow Anfang März 1878 unternommen wurde. Unger verfolgte auch die Idee, Skizzen für eine spätere Publikation von Radierungen anzulegen. Skizzen und einige Radierungen entstanden, insgesamt verlief die Sache aber im Sande. Die Eindrücke der Reise blieben Unger jedoch unvergesslich und regten ihn an, sich mehr mit Originalradierungen zu beschäftigen.

1881 erhielt Unger die Professur an der Kunstgewerbeschule des k.k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie. Er wurde vom Ministerium aufgefordert, schon vor der Aktivierung der Tätigkeit im Oktober sich für die Schule nutzbar zu machen, ohne „das Budget der Schule zu belasten“. Die Schule für Radierkunst war durch Unger erst zu gründen und machte ihm, gemeinsam mit den Arbeiten im Belvedere, sehr zu schaffen. Der künstlerischen Tätigkeit ganz entsagen wollte Unger aber nicht, und er erbat sich zunächst Urlaub für ein Jahr.

Das Belvederewerk wurde 1888 beendet und es kamen weitere Aufträge von Miethke, Tooth and son in London, der „Gesellschaft für vervielfältigende Kunst“, des Berliner Museumswerkes, für Heck, Ed. Weber und andere. Auf Ausstellungen errang er große goldene Medaillen, er wurde Mitglied der Akademie Berlin und Ehrenmitglied der Akademie München, Stockholm und Brüssel.

Eine schwere Operation warf ihn aufs Krankenlager, ein Kuraufenthalt in Lovrana brachte wesentliche Besserung. Unger entwickelte eine Leidenschaft für diesen malerischen Ort und konnte mit ihm in weiterer Folge auch die schönsten Erinnerungen an eine hochpoetische und von ihm sehr emotionell empfundene Feier anlässlich seines 70. Geburtstages verknüpfen. Er erhielt auch viele Anregungen für seine Originalradierungen. Schließlich legte aber der Krieg sein unerbittliches Veto gegen weitere Aufenthalte ein.

1894 wurde Unger als Professor an die Akademie der bildenden Künste berufen. Einige Schüler blieben bei ihm, einige kamen hinzu und auch fortgeschrittene Schüler der Malerschulen erbaten sich Unterweisung in der Technik des Radierens, so z.B. Krauß, Jettmar, Roux, Schmutzer. Während in der Kunstgewerbeschule fast ausschließlich die Reproduktion gepflegt wurde, befassten sich auf seine Anregung die Schüler in der Akademie nur mit der Schaffung von Originalradierungen. Die Reproduktion hatte sich durch die Vervollkommnung der mechanischen Vervielfältigungsarten überlebt.

Bald nach der Pensionierung beendete Unger seine Tätigkeit als Radierer; Zeichnungen und Aquarelle vertrieben ihm die Zeit bis weit in das Alter. Die Abende verbrachte er eine Zeit lang mit dem Niederschreiben seines „Lebensganges“ woraus das von der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst 1929 herausgegebene Buch „Aus meinem Leben“ entstand, die Basis für diese Darstellung.

Riesige Schätze konnte Unger angesichts seines Einkommens und seiner Naturanlage nie anhäufen, seine Neigung zum Sammeln führte aber doch zu einem kleinen Bestand, den er nach der Pensionierung, als er sein Atelier räumen musste, versteigerte und dessen Erlös ihm die weitere Lebensführung erleichterte. Der Versteigerungskatalog von damals (1908) enthielt auch einige Werke mit Ober St. Veiter Motiven.

1893 hatte Unger durch Überlassung der Rechte auf einen Anteil an den Beständen der Platten und vorhandenen Drucke des Belvederewerkes die Ober St. Veiter Villa Miethkes in der Schweizertalstraße 26 erworben und seither dort gelebt. Als die Kinder ihre eigenen Häuslichkeiten in Wien, Innsbruck und Graz geschaffen hatten, wohnte er dort allein mit seiner Frau. Miethke selbst hatte einen umfangreichen Besitz in der Südsteiermark erworben.

Im Sommer 1919 verlor William Unger seine Frau. Damit hatte auch das behagliche Leben in Ober St. Veit sein Ende gefunden, Haus und Garten wurden vermietet. Mit einigen Sachen, die William Unger am wertvollsten erschienen, richtete er sich ein paar Zimmer anschließend an die Wohnung seines ältesten Sohnes in Hietzing ein, der Rest wurde veräußert. In den Jahren darauf war er auch öfters monatelang in Innsbruck bei seiner ältesten Tochter, bis er wegen der Nachwirkungen einer schweren Erkrankung ständig dortbleiben musste. Das Aquarellieren bot auch dann noch ein wenig Ablenkung.

Viele meinen, dass Unger die malerisch reproduzierende Radierung eigentlich erst begründet und auch zur höchsten Vollendung gebracht hat. Ungers Radierwerk umfasst 811 Nummern (vollständig im Bestand der Akademie Wien), darunter etwa 200 Originalblätter. Von diesen Originalradierungen sind Motive aus Lovrana bei Abbazia, aus Amalfi, Messina, Catania, Amsterdam und aus Ober St. Veit hervorzuheben sowie Bildnisse von Kaiser Franz Josef anlässlich der Kaiserjubiläen 1898 und 1908, von Papst Pius IX, dem Architekten H. von Ferstel, von Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich, B. Genelli, W. von Kaulbach, dem Maler Krohn und von A. Krupp.

Quellen:
Aus „William Unger: Aus meinem Leben“; Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, Wien 1929
Porträtfoto: Ferdinand Schmutzer [Public domain], via Wikimedia Commons

hojos
im Jänner 2005, bearbeitet Oktober 2018