Der Christbaum
Ein paar Beiträge zu seiner Etablierung in Wien und in den Bundesländern
01.12.2024
Die meistgelesene Darstellung der Geschichte des Christ- oder Weihnachtsbaumes ist wohl die auf Wikipedia, die dort angeführte wissenschaftliche Literatur stammt fast ausschließlich von Autoren aus Deutschland. Das ist jedoch nicht verwunderlich, schließlich wurde dieser Brauch von dort aus in alle Welt getragen. Ein Exote in dieser Literaturliste ist der Tiroler Historiker Anton Dörrer mit seiner im Alpenboten 1946 veröffentlichten volkskundlichen Studie „Die ersten Christbäume in Österreich“. Doch täuscht dies, die das Brauchtum um die Weihnachtsfeiertage von allen Seiten beleuchtende Literatur ist unüberschaubar und erreicht einen ersten Höhepunkt mit den Beiträgen des Historikers und Volkskundlers Richard Gugitz 1922 und zweibändig 1949/50. Die für unsere Region relevante Wien-Wiki zitiert jüngere Aufsätze in geschichtlichen Sammelpublikationen und Feuilletons von Felix Czeike, Otto Erich Deutsch, Hannelore und Helmut Paul Fielhauer.
Dörrers Tirol-zentrierte Darstellung beginnt mit einem Literaturhinweis auf den ersten Christbaum Tirols in der Weihnacht des Jahres 1575 auf Schloss Ambras, dem Renaissanceidyll des Erzherzogs Ferdinand II. von Tirol und seiner heimlich angetrauten Gemahlin Philippine Welser aus Augsburg. Diese Darstellung sieht er aber auch als ein Produkt der Phantasie, abgeleitet von der Tatsache, dass im Vorderösterreichischen (Anm: Sammelname für die früheren Besitzungen der Habsburger westlich von Tirol und Bayern) wie auch in den österreichischen Alpen zu Weihnachten grünes Tannenreis ins Haus gesteckt wurde, Maien (Zweige) soll man nachweislich schon im 14. Jahrhundert zu diesem Zweck aus dem Wald geholt haben.
Ein weiterer Hinweis Dörrers betrifft eine Chronikstelle über die Bürger Wiens, die Herzog Leopold dem Glorreichen huldigten, als er am Weihnachtsabend des Jahres 1194 durch ihre Gassen ritt und sich am munteren Treiben seiner Untertanen erfreute. Hinter den Fenstern ihrer Häuser leuchteten geschmückte Bäumchen. Für die damaligen Wiener war es nicht schwer, sich ein Wintergrün zu verschaffen, reichte doch der Wiener Wald bis zum innersten Kern der Stadt, bis zum „Stock-im-Eisen". Jedenfalls gab es den bändergeschmückten Nadelholzbaum in irgend einer Form schon in frühen Zeiten. Bald galt er als Lebens- oder Wunschbaum, bald als Maienzier und als Huldigung, und das bis heute, man denke an den Maibaum.
Somit führt Dörrer einzelne Bestandteile des Christbaumbrauches auf überlieferte mystisch-religiöse Vorstellungen in den Alpenländern zurück und auch auf den vorchristlichen Glauben an die befruchtende Kraft des Immergrüns und an die Geister abwehrende, nach innen leuchtende Macht des Lichts.
Den Christbaum als kleines Nadelbäumchen, geschmückt mit Backwerk und Obst, jedoch ohne Kerzen, brachte ursprünglich der hl. Nikolaus, begleitet vom Krampus, am 6. Dezember ins Haus, doch war dies kein genereller Brauch. Der Protestantismus des 16. Jahrhunderts verdrängte das Nikolausbrauchtum in weitem Umfang und in vielen Ländern. Im alten Österreich vermochte es sich aber einigermaßen aufrecht zu erhalten. Den entscheidenden Übergang vom Nikolausbrauch zur Weihnachtsbescherung unterm strahlenden Christbaum stellt der kerzenbesteckte Nikolausbaum dar, wie er sich z. B. um 1782, also in der josephinischen Zeit, in Wien als Bürgersitte nachweisen lässt. Die Gesellschafterin Karoline Pichler im Metternichschen Wien erzählt in einem Brief vom 5. Dezember 1817, dass sie die Bescherung nach alter österreichischer Sitte am Nikolaustag abhalten und der Krampus den Bescherungsbaum voll Lichter und kleinen Gaben bringen werde. Die älteste bildliche Darstellung dieses Brauchs ist laut Felix Czeike jene im Erinnerungsbuch der Familie Baumann (siehe Quellenangaben).
Der Christbaum selber mit seinen Vorstellungen vom Christkind und seinen gesellschaftlichen Begleitformen wuchs nicht unmittelbar aus dem Brauchtum der Alpenländer heraus, sondern wurde von außen als etwas Ganzes herein- und von oben ins Volk getragen. In dieser Form ist er etwas mehr als 200 Jahre alt.
Die ersten in Österreich nachweisbaren Christbäume erschienen in der Zeit der österreichischen Volksaufrichtung, in der z. B. auch zum ersten Mal die Ausdrücke „Volkskunde“, „Volksschauspiel“ gebraucht wurden. Evangelische Beamte aus dem
ehemaligen römisch-deutschen sollen solche Bäume um 1813 besorgt haben.
Die in der Literatur gleichlautend festgemachten ersten schriftlichen Nachweise eines Christbaums in Wien haben mit dem Einheiraten evangelischen Damen aus Deutschland nach Wien zu tun:
- Franziska Arnstein, Tochter eines evangelisch getauften jüdischen Bankiers, die nach Wien heiratete und ein sehr gastfreundliches Haus führte. Die Familie des Bankiers Nathan Adam Arnsteiner hatte nicht nur ein Palais in der Innenstadt und eines in Dreihaus (heute zum 15. Bezirk gehörig), sondern auch einen riesigen Besitz in Hietzing, aus dem später die „Neue Welt“ wurde. Während des Wiener Kongresses wurde die Familie Arnstein ob ihrer Preussenfreundlichkeit besonders überwacht. Ein Rapport der Geheimpolizei vom 26. Dezember 1814 berichtet: „Bei Arnstein war vorgestern nach Berliner Sitte ein sehr zahlreiches Weihbaum- oder Christbaumfest. Es waren dort Staatskanzler Hardenberg, ..... Fürst Radizwill, ..... sowie alle getauften und beschnittenen Anverwandten des Hauses. Alle gebetenen, eingeladenen Personen (hier folgt wieder eine Aufzählung) erhielten Geschenke oder Souvenirs vom Christbaum. Es wurden nach Berliner Sitte komische Lieder gesungen und durch alle Zimmer ein Umgang gehalten. ...“
- Ein mächtiger Anstoß zur Einbürgerung und weiteren Verbreitung des Christbaums im Wiener Raum folgte zwei Jahre später im Rahmen der Weihnachtsfeier Erzherzog Karls, der mit Henriette von Nassau-Weilburg (1797–1829) verheiratet war. Im Stadtpalais in der Annagasse 20, Ecke Seilerstätte 30, überraschte die Prinzessin ihren Gemahl und ihren ersten Sprössling, die am 31. Juli 1816 geborene Maria Theresia Isabella zu Weihnachten 1816 mit einem Christbaum, wie er in ihrer Heimat und Familie üblich geworden war. Der Kaiser, der an der Weihnachtsfeier teilgenommen hatte, gab daraufhin den Auftrag, auch in der Hofburg eine kerzengeschmückte Tanne aufzustellen.
Der Wiener Adel und Wiener Künstlerkreise folgten zwar dem Beispiel des Hofes, doch dauerte es längere Zeit, bis sich der Christbaum in der Bevölkerung gegenüber der das Fest beherrschenden Krippe durchsetzte; es ist ja bis heute vielfach üblich, eine kleine Krippe unter den Christbaum zu stellen. Rudolf von Alt soll 1817 einen Christbaum in seinem Elternhaus gehabt haben, der Burgschauspieler Heinrich Anschütz soll noch 1821 mit seiner geplanten Christbescherung mit Christbaum auf Unverständnis in der Bevölkerung gestoßen sein.
Im Widerspruch zu diesen Darstellungen zu den ersten Christbäumen in Wien steht die Verordnung der Niederösterreichischen Regierung vom 1. August 1815, in der beim „Abstämmeln und Ausgraben der Bäume zum Behuf der Fronleichnams-Prozessionen, Kirchenfeste, Weihnachtsbäume und dergleichen“ die Einhaltung der Vorschriften der Waldordnung aus 1813 empfohlen wurde, andernfalls drohte die Konfiskation an den Linien Wiens und wohl auch eine Geldbuße. Doch sollte man bei der Würdigung dieser Verordnung eine gewisse Unschärfe bzw. Parallelität mit dem wohl noch verbreiteten Nikolausbäumchen in Erwägung ziehen. Der Lichterbaum als winterliches Festzeichen war wohl zur Zeit des Wiener Kongresses 1814/15 nichts Neues, neu war wohl bloß die zeitliche Verschiebung unter dem Einfluss der deutschen Zuzügler und die Einführung des Christkindes als Geschenkegeber.
Allmählich wurde es in Wien auch in katholischen Kreisen selbstverständlich, am Weihnachtsabend einen Christbaum aufzustellen. Der erste Christbaum in Währing stand, wie eine Tagebuchnotiz beweist, 1829 in der Villa Friedrichs von Gentz (18, Währinger Straße 169–171). Im selben Jahr wurden beim Schottentor bereits Bäume zum Verkauf angeboten. 1851 soll der Platz Am Hof in der Vorweihnachtszeit einem Wald geglichen haben und auch in Mariahilf wurden zahlreiche Bäume zum Kauf angeboten.
Der neue Brauch hatte für die Kaiserstadt das Gute, dass das Weihnachtsfest, das sich bisher ziemlich lärmend in den Gassen und Straßen abgespielt hatte, sich nun ins Häusliche und Familiäre verlagerte. Die Angehörigen versammelten sich in ihren Salons oder besten Zimmern um den Christbaum. Dort fanden die Geschenke, die bisher am Nikolaustag nur Kindern geboten wurden, für alle Mitglieder ihre Aufstellung. In der Zeit und im Geist des österreichischen Biedermeiers breitete sich der Christbaumbrauch im Donaureich aus, allerdings mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und sehr unterschiedlicher Durchdringung.
Es gibt aber auch Literatur, die keineswegs auf eine ungeteilte Anerkennung des Christbaums hindeutet und Weihnachten als zunehmendes Konsumfest kritisiert. Schon Gugitz wies 1924 darauf hin, dass sich nun alle Spielwarenhändler und Kaufleute für die neuen Marktbedürfnisse einzurichten begannen. Selten aber doch wird in diesem Zusammenhang ein Tagebucheintrag Erzherzog Johanns, des Bruders Erzherzog Karls, zum 24. Dezember 1823 zitiert. In diesem Jahr hatte die kaiserliche Familie zur Weihnachtsfeier in das geerbte und umgestaltete Palais Albertina eingeladen.
„... Abends ging ich mit Bruder Ludwig zu Bruder Carl. Da es Heiliger Abend ist, so waren alle Kinder vereinigt und was von uns da ist, versammelt. Obgleich ich einige Freude hatte, alle die Kleinen, welche die Hoffnungen des Hauses ausmachen, zu sehen, so verstimmt mich gleich die große Hitze durch die vielen Lichter. In früherer Zeit, als ich klein war, gab es ein Kripperl, welches beleuchtet war, dabei Zuckerwerk – sonst aber nichts. Nun ist kein Kripperl mehr! Wir sahen einen Graßbaum mit vielem Zuckerwerk und Lichteln und ein ganzes Zimmer voll Spielereien aller Art und wahrlich manches sehr Schönes und Vieles, welches in wenigen Wochen zerschlagen, zertreten, verschleppt sein wird und welches gewiß tausend Gulden gekostet. So war das Bett für die Puppen allein, welches 400 fl. Münze soll gekostet haben. Dies verstimmte mich noch mehr. ... Es stand vor mir das Elend meiner Kinder im Gebirge, wo manches kaum mehr einen guten Rock hat. Da zog es mir das Herz zusammen. Gott, hätte ich das Geld, was da (Anm: Gemeint ist auch die teure modische Ausgestaltung der Albertina) stecket! Wieviel Tränen getrocknet, wieviel Mißmutige wieder aufgerichtet, wieviele wieder meinem guten Kaiser gewonnen! Doch still davon, solche Gefühle sind der Hauptstadt fremd. Ich habe sie in meinen Bergen gefunden, mit diesen bin ich dem hiesigen Leben fremd geworden. Ach, mein Brandhof mit seinen glatten Zimmern und Wänden ist auch warm, ist auch rein, ist auch schön und wer vorbeigeht siehet ihn dort gerne an. Hätte ich noch so ein großes Einkommen, ich würde diesen doch nicht anders bauen. Es sind gar so viele, die brauchen und jetzt ist es nicht an der Zeit zu solchem großen Aufwand. Die Menschheit will Hilfe und dies muß man nicht höhnen, dadurch, daß man soviel baut ..."
Erzherzog Johann, ein Anreger der österreichischen Volkskunde, war somit einer der Ersten, die das Geschenk als raschlebiges Konsumgut erkannten.
Den breiten Mittelstand soll der Christbaum gegen 1850 erreicht haben, nicht aber die Unterschichten, die Bauern trugen am wenigsten zu Vermittlung bei. Eine ganz neue Gesellschaftsschicht dieser Zeit waren die Industriearbeiter. Aus ihrem Milieu wurde zeitkritisch auch auf den Missbrauch der Weihnachtsfeiern hingewiesen, wenn sich der Generaldirektor mit kleinen Geschenken einstellt um die Verbundenheit mit den Arbeitenden zu erhöhen. Die Journalistin und Mitbegründerin der sozialdemokratischen Frauenbewegung Adelheid Popp erzählte in ihren Erinnerungen, wie beeindruckt sie als armes Schulkind von einer wohltätigen Weihnachtsbescherung war, zu der ein reicher Fabriksbesitzer geladen hatte, welch mächtiges Licht die Tanne gab und welch mildtätiges Herz der reiche Mann für die Armen hatte, doch erst später konnte sie beurteilen, dass die Quelle seines Großmutes ihre verwitwete Mutter war, die für drei Gulden Wochenlohn täglich 12 Stunden arbeiten musste. Über den ersten Christbaum in ihrem Haus berichtete die 1869 geborenen Adelheid Popp für das Jahr 1873. Die nicht immer harmonischen Umstände mag ihre folgende Erzählung erhellen:
„Ein Weihnachtsabend, an dem ich noch nicht ganz fünf Jahre alt war, ist mir noch immer in Erinnerung. Beinahe hätte ich dieses eine Mal einen Weihnachtsbaum bekommen. Meine Mutter wollte mir, ihrem jüngsten Kinde, auch einmal zeigen, was das Christkind ist. Wochenlang hatte sie immer einige Kreuzer zu erübrigen getrachtet, um ein kleines Kochgeschirr für mich zu kaufen. Der Weihnachtsbaum war geschmückt mit bunten Papierketten, vergoldeten Nüssen und mit dem bescheidenen Spielzeug behängt. Mit dem Anzünden der Lichter wurde auf den Vater gewartet, der zum Fabrikanten gegangen war, um Ware abzuliefern. Er sollte Geld bringen. Es wurde 6 Uhr, dann 7 und endlich 8 Uhr, der Vater kam nicht. Wir waren alle hungrig und verlangten zu essen. Wir mußten die guten Mohnnudeln, Äpfel und Nüsse, allein ohne den Vater essen, worauf ich zu Bette gehen mußte, ohne daß die Lichter auf dem Weihnachtsbaum gebrannt hätten. Die Mutter war zu mißgestimmt und zu sorgenvoll, um den Baum anzuzünden. Ich lag schlaflos in meinem Bette; ich hatte mich so auf das Christkind gefreut, und nun war es ausgeblieben. Endlich hörte ich den Vater kommen, er wurde nicht freundlich empfangen, und es kam wieder zu einer heftigen Szene. Er hatte weniger Geld gebracht, als die Mutter erwartet hatte, dann war er unterwegs in ein Gasthaus gegangen. Er hatte fast zwei Stunden zu gehen und wollte sich einmal erwärmen. Er war dann länger sitzen geblieben, als er zuerst gewollt und kam angetrunken nach Hause. Ich guckte bei dem Lärm, der sich nun erhob, von meiner Schlafstelle nach den Eltern – und da sah ich, wie der Vater mit einer Hacke den Weihnachtsbaum zerschlug. – zu schreien wagte ich nicht, ich weinte nur, weinte, bis ich einschlief".
Zuletzt noch ein paar Zeilen zur Verbreitung des Christbaumes in den Bundesländern.
Clemens Graf Brandis wollte als neuer Landesgouverneur und Landeshauptmann von Tirol und Vorarlberg seinen beiden kleinen Buben Erich und Anton die bedrückte Häuslichkeit möglichst aufhellen. Ein Christbaum musste auf ihre Sinne und Seelen starken Eindruck machen. Am 24. Dezember 1841 trug Graf Brandis zum ersten mal in seine Tagebuchblätter ein, dass er einen Christbaum für seine Buben in der Innsbrucker Hofburg, die er als kaiserlicher Statthalter bewohnte, aufgerichtet habe. Er erwähnte es auch für die folgenden Jahre bis zum Revolutionsjahr, ein Zeichen, dass die Neuerung in der Tiroler Landeshauptstadt noch Ausnahme geblieben war. Das bezeugen auch die zeitgenössischen Schilderer Tiroler Zustände. Der Landeserforscher Eugen von Hartwig hebt in seinen „Briefen aus und über Tirol“, 1846 erschienen, ausdrücklich hervor, das schöne Kinderfest des weihnachtlichen Beschenkens kenne man in Tirol nicht.
Dennoch hatte das Beispiel des Landesgouverneurs in adeligen und hoher gestellten Bürgersfamilien etliche Nachahmung gefunden. In den übrigen Städten Tirols folgten die Bürger zögernd nach, seit Mitte der 1860er-Jahre setzten sich Christbäume in Hall, Schwaz, Nattenberg, Kitzbühel und Imst fest. In den Achtzigerjahren waren solche schon in vielen kleineren Orten bekannt, um 1890 in den meisten Tiroler Bürgerfamilien heimisch geworden.
Den ersten öffentlichen Christbaum in den österreichischen Alpen dürfte der Innsbrucker Elisabethverein am 27. Dezember 1852 im dortigen Redoutensaal bei einer musikalisch-dramatischen Veranstaltung aufgestellt haben. Er war mit 153 Gaben als Losgewinsten behängen und brachte 900 Gulden für wohltätige Zwecke ein. Von den Städten ging dieser Brauch der Verwendung für öffentliche Wohltätigkeitszwecke aufs Land, von karitativen und Jugendvereinen auf die Arbeiterschaft über.
Doch von einer allgemeinen Einführung des Christbaums im Tiroler Dorf und Bauernhaus kann man auch heute (Anm: das war Stand 1946) noch nicht sprechen. Da sind noch die alten Nikolaus- und Weihnachtsgebräuche und Hausandachten viel zu stark verwurzelt. Da blieb die Christmette im Mittelpunkt des Festes und die Krippe im Vordergrund der Stube, wie Hermann Mang in seinem Buch „Unsere Weihnacht“ und andere Volkskundler geschildert haben. Immerhin führte der Christbaumbrauch dazu, dass der Herrgottswinkel reicher mit Tannen- und Fichtenzweigen geschmückt, die Krippe damit umrandet, der Hochaltar ins Tannengrün gerückt und die Lichterfreude erhöht wird. So mancher Hausvater und Pfarrherr versteht es, Baum und Krippe in ein Stimmungsbild zu vereinigen und in die Kinderherzen hineinleuchten zu lassen.
Mit dem Christbaum erstanden viele Weihnachtslieder in Kirche und Haus und er trug auch im Gebirge dazu bei, das Weihnachtsfest und dessen Brauchtum zu bereichern, wenngleich er mancherorts von alten Vorstellungen und Gewohnheiten abzog und vielen Menschen als Um und Auf des Weihnachtsfestes Selbstzweck wurde.
Dass führende katholische Familien Tirols den Christbaum aufgenommen hatten, erleichterte ihm den Zutritt in den Ländern Salzburg und Oberösterreich. In der Stadt Salzburg sah man den Christbaum zum ersten Mal im Jahre 1853. Anfangs der Sechzigerjahre fand er in Oberösterreich Boden. Zuvor hatten katholischkirchliche Familien ihn als „protestantische Einführung“ abgelehnt. Dagegen breitete sich der Brauch in der Steiermark früh und rasch aus, aber auch hier knüpfte man nicht an altes Brauchtum, sondern trug die städtische Einrichtung aufs Land.
Die Verbesserung der Verkehrsmittel unterstützte die raschere Verbreitung der Neuerung. Tannen konnten in großer Zahl und ohne besonderen Kostenaufwand in die Städte – auch in weiter entfernte – gebracht werden. So erzählte z. B. ein großer Krippenfreund, der Finsterwirt von Brixen am Eisack, der Christbaum sei beim Bau der Südbahn (1866) in seine alte Bischofstadt gekommen. Doch nach wie vor vermögen sich Krippe und Christbaum bereichernd zu ergänzen und den Festgedanken der Christnacht in einer gemütsinnigen Häuslichkeit zu verankern.
Das schlichte, einfache Weihnachtslied zweier Dorfleute, das „Stille Nacht, heilige Nacht“ des Schulmeisters Franz Xaver Gruber und des Pfarrers Josef Mohr, im Jahre 1818 zu Oberndorf bei Salzburg entstanden, gab solcher versöhnender Harmonie und beglückender Weihnachtsseligkeit echt alpenländischen Ausdruck. Durch Tiroler Volkssänger weit verbreitet, galt es lang als Volkslied. Seine Melodie ließ man von Michael Haydn herrühren, bis die wahren Schöpfer festgestellt werden konnten. Wo immer in der Welt ein Christbaum erstrahlt, ertönt die Weise der „Stillen, heiligen Nacht“ als Ausdruck unseres innigsten Familienfestes.