Mittheilungen Zur Einsiedelei bei St. Veit nächst Wien
Franz Kornheisl in den Blättern für Landeskunde von Nieder-Österreich.
05.08.1865
Die prächtigen Umgebungen, welche Wien vor vielen anderen Hauptstädten Europas auszeichnen, sind weit und breit berühmt. Der Wiener, man muss es gestehen, weiß dieses Geschenk der Natur auch zu schätzen. An Sonn« und Feiertagen der besseren Jahreszeit ziehen so große Scharen der Wiener Bevölkerung hinaus in’s Grüne, dass die Verkehrsmittel häufig nicht ausreichen. Zu den bekanntesten Orten in der Umgegend Wiens gehört die Einsiedelei zwischen Lainz und Ober St. Veit. Auf einem Hügel gelegen bietet sie eine der reizendsten Ausfichten nach der Residenz und nach allen Richtungen der Windrose. Das Gebäude der Einsiedelei, in welchem seit mehr als dreißig Jahren eine Gastwirtschaft sich befindet, ist ziemlich ansehnlich, hat ein Stockwerk und nach zwei Außenseiten hin eine lange Fensterreihe. Dies so wie ein Türmchen über der Einfahrt des Hauses gibt dem Gebäude ein klosterähnliches Aussehen und veranlasste ohne Zweifel die Sage, dass hier einmal ein Kloster bestanden habe. Allein die Einsiedelei war nie ein Kloster. Ihre Geschichte ist nach den Aufzeichnungen des Pfarrgedenkbuches von Ober St. Veit (Band A Seite 119 und Band D Seite 486) Folgende:
Im Jahre 1747 beschlossen der Rollist in der kaiserl. Reichskanzlei Leopold Zetl und der Stallmeister des Prinzen von Hildburghausen ihre Ämter nieder zu legen und ein einsames Leben zu führen. Sie bekamen von dem Regel-Pater der Franziskaner das Kleid der Einsiedler des h. Antonius. Der erste erhielt den Namen Bruder Arsenius, der zweite den Namen Konrad.
Sie baten den damaligen Erzbischof von Wien Kardinal Kollonitz um die Erlaubnis, auf dem erzbistumlichen Landgute St. Veit eine Wohnung für zwei Personen bauen zu dürfen. Der Kardinal ließ ihnen nicht nur einen anständigen Platz im Weingebirge, eine Viertelstunde von St. Veit, allwo ein frisches Wasser aus dem anliegenden Berge hervorquillt, anweisen, sondern spendete auch einen ansehnlichen Beitrag zu den Baukosten. Mit diesem Beitrage, mit ihrem eigenen Gelde und den Spenden von Guttätern bauten sie im Jahre 1748 die Einsiedelei, deren Baurechnung auf 1540 Gulden 30 Kreuzer sich belief. Die Klause bestand aus zwei Kammern, einer Küche und einer ungeweihten Kapelle. In der Kapelle hing ein Marienbild und das Kapelleutürmchen hatte eine Glocke, welche von Joseph Primminger zu Wien im Jahre 1746 gegossen wurde. Die beiden Brüder durften die Einsiedelei nur unter der Bedingung beziehen, „dass sie jeder Zeit unter der geistlichen Gerichtsbarkeit des jeweiligen Pfarrers stehen, dass sie die ihnen zukommenden Kirchendienste verrichten, ohne Erlaubnis des Pfarrers nicht ausgehen, des Sammelns für alle Zeit sich enthalten und entweder von ihren eigenen Mitteln, einer anständigen Handarbeit oder auch von dem Almosen der Guttäter ohne allem Überlauf und Beunruhigung der Untertanen sich ernähren.“ Es dauerte aber kaum ein Jahr, so trennte sich wegen Verschiedenheit der Gesinnungen der Krater Konrad von seinem Mitbruder Arsenius und verlangte die Zurückzahlung der von ihm aufgewendeten Baukosten. Als die Sache vor den Kardinal kam, erhielt Bruder Konrad den Auftrag, seinen Antheil an der Einsiedelei entweder selbst zu bewohnen oder denselben unentgeltlich seinem Mitbruder zu überlassen, welcher ohnehin den größeren Teil der Baukosten bestritten hat. Auf dieses hin verließ Bruder Konrad freimütig die Einsiedelei.
P. Roman aus dem Orden der Franziskaner, welcher damals die Bruderschaft der Einsiedler leitete, wollte dem Arsenius einen anderen Frater beigeben und versuchte, die Einsiedelei seinem Orden als Eigentum zuschreiben zu lassen. Beides misslang und Kardinal Migazzi gesellte dem Arsenius den Bruder Hilarion bei, welcher früher Herrschaftskoch war. Als die Herrschaft St. Veit im Jahre 1762 an die Kaiserin Maria Theresia verkauft wurde, kam Frater Hilarion in das erzbischöfliche Schloss nach Neudorf und Arsenius blieb wieder allein. Nach der Aufhebung der Einsiedler-Bruderschaft durch Kaiser Joseph II. im Jahre 1782 kaufte der Wiener Handelsmann Ignaz Leopold Strodl bei der Versteigerung am 14. September 1782 die Einsiedelei um 350 Gulden, riss die alte Klause nieder, verpflanzte das Missionskreuz auf den St. Veiter Pestfreithof, kaufte zwei Weingärten, führte ein ordentliches Wohngebäude mit Stallungen auf, machte eine Zufahrt, ließ durch den erzbischöflichen Schlossgärtner Schmid einen kleinen Park und zwei Obstgärten anlegen und benutzte die Besitzung zum Sommeraufenthalte. Im Jahre 1810 kam die Einsiedelei um den Preis von 11.980 Gulden Bankozettel aus dem Besitze der Familie Strodl an den k. k. Kabinetscourier Joseph Kraus. Von diesem kaufte sie 1815 der Grundrichter und Webermeister zu Fünfhaus Friedrich Schwarsee um 8000 Gulden W. W., verlängerte das Haus an der Westseite und baute einen Kuhstall. Dessen Witwe verkaufte die Besitzung im Jahre 1817 an den Hof-Federschmücker Joseph Schwer um 11.000 Gulden W. W. Von diesem kaufte sie im Jahre 1823 Andreas Seufert für 3000 Gulden C. M.. Durch Regierungsdekret vom 6. Juni 1827 und 9. September 1830 „erhielt er das Recht auszuschänken und auszukochen.“ Er verwandelte die von Strodl angelegte Zufahrt in eine bequeme Straße, baute einen ordentlichen Weinkeller, neue geräumige Stallungen und Remisen für sich und die Gäste. Seit dieser Zeit ist die Einsiedelei, welche von dem Gebäude der Brüder Arsenius und Konrad nichts mehr hat als den Namen, eine Gastwirtschaft geblieben.