Die Attraktivierung der Verbindungsbahn
Bemerkungen zur ÖBB-Präsentation in der VHS Hietzing vom 25. bis 28. Juni 2018
16.07.2018
Das „Attraktivierung der Verbindungsbahn“ genannte Projekt geschieht aus einem wesentlichen Grund: Die ÖBB brauchen eine Alternative für den Lainzer Tunnel von Wolf in der Au (Westportal) bis Meidling bzw. Inzersdorf (Ostportale). Die historische Trasse der Verbindungsbahn von Hütteldorf nach Meidling ist dafür unerlässlich.
Die mit den baulichen Änderungen einhergehende Verbesserung der öffentlichen Verkehrsanbindung (kürzere Intervalle und mehr Stationen der S 80) wird im Bezirk mehrheitlich postitiv gesehen, die Nachteile (Zunahme des Güterverkehrs durch den Bezirk und Verlust von Auto-Querungsmöglichkeiten) will man aber nicht. Auch die Hochlage mit Lärmschutzwänden sorgt für Diskussion. Oft erhoben wird die Forderung, im Rahmen diese umfangreichen Projektes auch eine direkte Verbindung zur S45 mit Anbindung an die U4 im Bereich Unter St. Veit zu schaffen.
Die Diskussionen im Bezirk – soweit sie öffentlich wahrnehmbar sind – leiden an einem erheblichen Informationsdefizit. Die oben genannte Informationsveranstaltung sollte dies verbessern. Im Rahmen der gebotenen Präsentationen wurden auch durchaus weitere Einblicke gewährt und vom anwesenden Team des Projektmanagements mit DI Ullrich an der Spitze die Fragen weitgehend beantwortet. Die genährte Hoffnung, dass alle dort präsentierten Grafiken, zum Beispiel zu den verschiedenen Tieflegungsvarianten und zu den Frequenzstatistiken, auch im Internet abrufbar sein werden, erfüllte sich allerdings nicht. Dementsprechend oberflächlich und nichtssagend war dann auch die öffentliche Nachlese dieser Veranstaltung.
Hier soll nur auf drei Aspekte eingegangen werden:
Vordergründig präsentiert und als nicht machbar dargestellt wurde eine Untertunnelung des Wienflusses mit Auswirkungen von Wolf in der Au bis zur Stranzenbergbrücke.
Siehe auch hier. Eine genauere Darstellung mit Seitenprofil inkl. Höhenangaben wurde allerdings nicht angeboten und wurde auch bis heute nicht nachgeliefert. Nicht nachvollziehbar sind vor allem die behaupteten Probleme westlich des Bahnhofs Hütteldorf. Dort ist vom Bahnhof Wolf in der Au bis zur Brauhausbrücke/Bergmillergasse genügend Platz vorhanden, um eine Tieflage ohne Beeinträchtigung heute bestehender Querungen zu erreichen und einen tiefliegenden Bahnsteig in Hütteldorf zu schaffen. Ähnlich flach müsste der Verlauf in Hietzing gewählt werden, eventuell mit der Station Stranzenbergbrücke noch in Tieflage. Ohne Seitenprofil (siehe oben) ist allerdings auch das nicht beurteilbar. Natürlich sind diese Lösungen mit hoher temporärer Umweltbelastung und hohen Kosten verbunden. Die Nachrüstung einer Ersatzroute in innerstädtischer Lage wegen – langfristig betrachtet – zu geringer Dimensionierung des Lainzer-Tunnels ist aber keinesfalls einfach. Vor allem dann, wenn man eine langfristig belastbare Lösung erreichen will.
Abseits des Veranstaltungsraumes wurden aber neun weitere Varianten skizziert, und das sogar in grafisch übersichtlicherer Weise. Sie alle vermeiden die Untertunnelung des Wienflusses und betreffen damit nur Hietzinger Gebiet. Obwohl sie allesamt „nach Prüfung ausgeschieden“ wurden, sind sie eine nähere Betrachtung wert, natürlich mit dem Vorbehalt, dass es die Ideallösung nicht gibt. Begonnen wurde die vorgestellte Serie mit der Variante „H-N“, das ist die von den ÖBB als einzig machbare Lösung propagierte Hochlage. Ich glaube vernommen zu haben, dass die gemischte Lösung H-T1 trotz der negativen Erstbeurteilung durchaus Freunde bei den ÖBB und im Bezirk gefunden hat. Diese Lösung hätte den Vorteil, dass die technisch nicht machbaren Querungen bei der Veitingergasse und bei der Jagdschloßgasse in nächster Nähe durch eine Verbindung ersetzt würden, die im Bereich der Lainzer Straße vermutlich sehr gut eingebunden werden könnte. Die derzeit verkehrsberuhigte Titlgasse hätte dann aber erheblichen Durchzugsverkehr zu tragen. Im übrigen gilt hier auch das zur Wienfluss-Untertunnelung Gesagte: Man könnte die Tieflage bis nach der Stranzenbergbrücke fortsetzen.
Die Anzahl der die Verbindungsbahn passierenden Züge ist ein ganz wesentlicher Punkt. Ein tatsächlicher „Jahrhundertfehler“ könnte das Projekt vor allem dann werden, wenn zu hohe Zugsfrequenzen zu einer „Verkehrshölle“ mit massiver Entwertung der anliegenden Grundstücke führten. Dazu gibt diese in der Informationsveranstaltung gezeigte Grafik erstmals Auskunft:
Bei den oberirdisch fahrenden Personenzügen handelt es sich in erster Linie um die S 80, die ja im Viertelstundentakt fahren soll. Die den Tunnel frequentierenden Personenzüge haben mit der Inbetriebnahme des Hauptbahnhofes markant zugenommen, nicht aber die Güterzüge. Laut Auskunft soll der Lainzer Tunnel derzeit zu 2/3 ausgelastet sein, mit der Inbetriebnahme der neuen Verbindungsbahn im Jahr 2025 (das wäre in sieben Jahren) sollen es bereits 90% sein, also nahe an der Kapazitätsgrenze.
Bei dem mit 66 Fahrten pro Tag in etwa gleichbleibend prognostizierten Güterzügen auf der Verbindungsbahn soll es sich in erster Linie um Überstellungsfahrten (z.B. in die Werkstätte) handeln. Bei längerfristiger, über sieben Jahre hinausgehender Betrachtung ist angesichts des voll ausgelasteten Lainzer Tunnels von einem permanenten Druck zur Erhöhung der oberirdischen Frequenzen auszugehen.
Wesentlich ist auch die Frage, welche Züge im Falle von Wartungen im Lainzer Tunnel oder bei technischen Problemen „umlagerungsfähig“ sind, also oberirdisch über die Verbindungsbahn geleitet werden können. Laut Fußnote in der Grafik sollen das nicht alle, sondern „nur“ 15% der im Normalfall den Tunnel benützenden Züge (nur Güterzüge?) sein. Diese 15% bedürfen allerdings einer Präzisierung. Derzeit wird der Lainzer Tunnel etwa einmal im Monat in der Nacht von Sonntag auf Montag in den Stunden nach Mitternacht (= die Periode mit der geringsten Auslastung) gewartet. Noch unklarer ist die Situation im Falle einer außerordentlichen Störung des Betriebes im Lainzer Tunnel.
Breiter Raum wird in den ÖBB-Darstellungen dem geplanten Lärmschutz gewidmet. Tatsächlich bewerten kann dies der Laie allerdings erst nach Besichtigung (und „Anhörung“) einer vergleichbaren Strecke.
Diese Forderung wird immer lauter und soll auch schon im Gemeinderat Fuß gefasst haben; fast schon könnte man sie als Bedingung einer Zustimmung zum Projekt auffassen. Allerdings ist das eine Forderung mit ungeahnten Konsequenzen, die auf Basis von zu erhebenden Verkehrszahlen zu beurteilen ist. Der dabei unter die Räder kommende Bahnhof Hütteldorf ist nämlich der wichtigste Verkehrsknoten auf dem Weg in die Region westlich von Wien inklusive zahlreicher Busanschlüsse. Alle Nutzer dieser Anbindungen müssten für zwei Stationen in die U4 umsteigen.
Die unabhängig davon erhobene Forderung, einen barrierefreien Zugang von der projektierten Verbindungsbahn-Haltestelle bei der Hietzinger Hauptstraße zur nahen U4-Haltestelle Unter St. Veit zu schaffen, wird im aktuellen Vorprojekt ebenfalls nicht berücksichtigt. Die Möglichkeit einer späteren Errichtung soll aber erhalten bleiben.
Weitere Fotos von der Veranstaltung
Eine Darstellung der Geschichte der Verbindungsbahn ist HIER.