Die Mauer um den Lainzer Tiergarten
1787
Der Lainzer Tiergarten als geschlossenes Waldgebiet, wie wir es heute kennen, entstand letztendlich mit der Fertigstellung der gemauerten Einfriedung.
Nordwestlich und westlich von Wien, vom Kahlenberger Dörfel südwärts, soll schon um die Wende vom 16. ins 17. Jahrhundert die „Wildpräth-“ oder „Wienerwaldplanke“ bestanden haben. Das war ein hölzerner Zaun mit einer Länge von 20 km. Sein Zweck war der Schutz von landwirtschaftlichen Kulturen, insbesondere der Weinberge, vor dem Tierwechsel. Er wurde aber auch als Jagdeinrichtung genutzt, indem man das Wild gegen diese Absperrung trieb. In unserem Raum soll die Planke vom Wienfluss bis in die Gegend von Kalksburg gereicht haben. Der Blick in den Brequin-Plan von 1755 zeigt allerdings keine durchgehenden, dem Wald folgenden Planken, sondern die Weinbaufächen umrundende Zäune.
Im unten abgebildeten „Ideal-Plaan“ des vorgeschlagenen Sau-Gartens aus dem Jahr 1770 sind die geplanten Einfriedungen des Tiergartens in unserem Bereich als „Veitinger- und Hackinger Weingeburg Planken“ eingezeichnet.

Das in diesem Plan umzäunte Gebiet war wesentlich kleiner als der spätere Tiergarten. Am 4. April 1772 erließ die Kaiserin ein Patent zur Schaffung des Lainzer Tiergartens in der endgültigen Gestalt und Ausdehnung. Innerhalb des mit einer Mauer einzufriedenden Areals lagen der Königskloster Wald, die Dorothea Wiese, der Jacober Wald, die Lorenzer Wiese, der Schottenwald, das Bischofsmais, der Vösendorfer Wald, der Erlaaer Wald und der Mauer Wald. Josef II. ließ dann in Durchführung des Patentes seiner Mutter die Mauer errichten.
Philipp Schlucker (1748–1820), der Erbauer der Tiergartenmauer, soll bis dahin als ein des Lesens, Schreibens und Zeichnens unkundiger Maurergehilfe in Alland gearbeitet haben. Umgerechnet auf die Mauerlänge soll sein Angebotspreis 2 Gulden pro Klafter (1 Klafter = ca. 1,9 Meter) betragen haben, alle anderen Bewerber setzen ihre Preise nicht unter 12 Gulden an. Josef II. erhöhte Schluckers Angebot persönlich um 30 Kreuzer und gab ihm den Auftrag. Begonnen wurde der Bau der Tiergartenmauer 1781 beim Kreuztor ins Gütenbachtal. Die Arbeiten wurden in mehrere Teilabschnitten abgerechnet und dauerten bis 1787.
Die Steine wurden aus Steinbrüchen der Umgebung des Tiergartens entnommen, zum Teil aber auch an Ort und Stelle gebrochen. Ein Teil, insbesondere die Ziegel zur Abdeckung der Mauer wurden zugeführt.
Ganz Problemlos scheint der Bau nicht gewesen zu sein, Beschädigungen der neuen Tiergartenmauer führten zu Disputen bei Abrechnung und Vorschüssen, es gab Vorschläge zu Einsparungs-Varianten, im 5. Abschnitt des Baues der Tiergartenmauer bestand große Gefahr durch den Wienfluss. Trotz allem wurde am 18. August 1787 die Bewilligung zur Vollendung der Tiergartenmauer erteilt. Dieser Abschnitt betraf die Gemeinde Laab.
Die Mauer hat nach Angaben des Erbauers umgerechnet eine Höhe von 2,3 Meter und eine Länge von 24.225 Meter. Laufende Renovierungen und Erneuerungen sowie Änderungen in der Ausdehnung des Tiergartens (teilweise Besiedelung und Bau der Westautobahn) haben die Mauer im Laufe der Zeit grundlegend verändert. An einzelnen Stellen ist die Bausubstanz früherer Zeiten noch ersichtlich.
Nach Vollendung des Baues wurde Schlucker die Stelle eines „Waldamtsbaumeisters“ verliehen und Josef II schenkte ihm den Grundbesitz, der zum seinerzeitigen „Bergwirtshaus in Alland“ gehörte. Über Auftrag des Kaisers wurden von ihm und seiner Gattin Ölgemälde angefertigt, die sich im Besitz der Forstverwaltung befinden.
Die Bezeichnung „Armer Schlucker“ wird oft auf diesen Baumeister zurückgeführt, war aber schon zu Hans Sachs' Zeiten geläufig.
Die Tore in der Tiergartenmauer
Der ummauerte Tiergarten konnte dann nur durch die dafür vorgesehenen Tore betreten, beritten oder befahren werden. Die Besitzer der Waldflächen hatten Schlüssel. Allerdings gestaltete sich deren Benützung, die eigentlich nur für die notwendigen Arbeiten der Holzbringung und Heuernte gedacht war, zunehmend unübersichtlich und missbräuchlich. Unerwünschte Besuche störten das Jagdvergnügen der hohen Herren. Trotzdem dauerte es bis 1839, dass ein Torwächter zumindest beim Lainzer Tor eingesetzt wurde, später auch beim Gittenbachtor und beim Dianator. Die Verpflichtung der Wächter auch zu anderen Arbeiten und deren Überforderung bereitete jedoch neuerliche Probleme.
Im vom k.k. Obersten Hof- und Landjägermeister Ernest Graf Hoyos veranlassten und im August 1823 aufgenommen Situations-Plan gab es bereits mehrere Tor-Bezeichnungen: ein „Hackenbergthor“ (westlich des Nikolaitores), das „Nikolaithor“, das „St. Veiter Thor“ (heutiges Adolfstor), das „Lainzer Thor“ (bei der heutigen Doktor-Schober-Straße), das „Neue Thor“, das „Dreymarkstein Thor“ (wo heute die verlängerte Maurer Langegasse an die Tiergartenmauer trifft), das „Gittenthor“ (heutiges Gütenbachtor), das „Diana Thor“, das „Gelbbergthor“ (beim Bischofs-Mais, dem Autobahnbau zum Opfer gefallen) und vierzehn weitere unbenannte „Thüren“. Der etwa zeitgleiche Franziszeische Katasterplan ist für die einzelnen Katastralgemeinde unterschiedlich genau ausgeführt, manchmal sind die Tore nicht eingezeichnet. Die Darstellung der Katastralgemeinde St. Veit an der Wien 1819 zeigt – unterschiedlich zum vorhin genannten Plan – in der Verlängerung der heutigen Adolfstorgasse ein „Hagenberger Thor“.
Damit zeigt sich eine über die Zeit hinweg nicht kontinuierliche Bezeichnung aller Tore in den Lainzer Tiergarten. Das beginnt schon mit der Information, dass der Mauerbau 1781 beim „Kreuztor ins Gütenbachtal“ begonnen worden war.
Der Franzisko-Josephinische Plan aus 1872 zeichnete erstmals oberhalb des „Hagenberg Thürls“ auch ein „Adolf Thürl“ ein. Dem folgten mit verschiedener Orthografie spätere Planversionen privater Verlage. Das gilt auch für das Jahr 1894, als die damalige Berggasse in Adolfstorgasse umbenannt worden war. Richtig sollte sie demnach Hagenbergtorgasse heißen. Doch möglicherweise wurde in den Plänen bloß ein Irrtum fortgeschrieben.
Erst Haase-Amon haben 1930 damit begonnen, zum „Hackenbergtor“ in Klammer „Adolftor“ dazuzuschreiben. Reisebeschreibungen der 1920er- und 1930er-Jahre sprechen oft von einem Hackenberg- bzw. Adolfstor. Heute ist es das Adolfstor.
Die in dieser Hinsicht beste und vollständigste Darstellung scheint mir die von Robert Messner 1971 erstellte Version des Franziszeischen Katasterplans 1819. Hier wurden alle bekannten Tore in heute noch gültiger Weise benannt, allerdings nur für den von ihm bearbeiteten Bereich von Hacking bis Mauer.
Ich zähle die darin ersichtlichen Tore von Nord nach Süd auf:
- Nikolaitor
- Hagenberg Türl
- Adolfs Tor
- Balleiten Tor
- St. Veiter Türl
- Schauschwanz Türl
- Streu Türl (alte Mauer)
- Lainzer Tor (alte Mauer)
- Neues Tor (alte Mauer)
- Leiten Türl (alte Mauer)
Von diesen genannten zehn Toren in der gezeigten Region sind heute nur drei für Besucher geöffnet. Bei der Betrachtung der Tor-Bezeichnungen fällt auf, dass nur eine einzige einen männlichen Vornahmen verwendet: das Adolfstor. Das gilt auch bei Berücksichtigung aller anderen Tore um den Lainzer Tiergarten, die in der Regel nach topografischen Merkmalen – meist Flurnamen – benannt wurden.
Im Dunkel bleibt allerdings die Herkunft dieser vermutlich 1872 erstgenannten Tor-Bezeichnung. Überlegt man etymologisch, ist der edle Wolf nicht weit. Sucht man nach passenden Personen zu dieser Zeit, gibt es der Adolfs nicht allzu viele. Da wäre etwa Prinz Gustav von Wasa (1799–1877), in dessen Familie Adolfs vorkamen. Er kaufte in Hacking einige Häuser; 1832 kaufte er das Schloss. In den Sinn kommen auch der Zeitgenosse Kaiser Franz Josephs I. Johann Adolf II. zu Schwarzenberg und sein Sohn Adolf Josef oder Adolf von Auersperg.