Naturschutzrecht in Österreich

In Österreich sind Umweltvereine schlechter gestellt als in anderen Ländern Europas!
17.02.2015

Verkehr, Industrialisierung, Zersiedelung und die touristische Nutzung wirken ab dem 19. Jahrhundert und verstärkt ab den 1950er-Jahren umweltschädigend. Erst ab den frühen 1970er-Jahren entstand ein neues Umweltbewusstsein (siehe Stockholmer Konferenz 1972), das der Umweltzerstörung durch neue naturschutzrechtlich vorgegebene Bewilligungspflichten entgegengwirkte. Mittlerweile emanzipierte sich das Naturschutzrecht zu einer weitgehend eigenständigen Rechts- und Verwaltungsmaterie, deren Entwicklung zunehmend auf der übergeordnete Ebene der Europäischen Gemeinschaft wahrgenommen wird. Ab den 1990er-Jahren übt sie mit der Schaffung des Netzwerkes Natura 2000 einen starken Druck auf die mitgliedstaatliche Gesetzgebung und Vollziehung aus. Allerdings konzentrieren sich auch diese Maßnahmen bloß auf die Abwehr schwerwiegender Eingriffe in eigens ausgewiesenen Schutzgebieten, sie verlangen keinen großflächigen Naturschutz. Vor allem im konkreten Verfahren stehen dann oft wettbewerbsgetriebene volkswirtschaftliche Interessen den Schutzinteressen diametral entgegen. Die unvermeidbare Interessensabwägung lässt dann den Naturschutz hinter die Sorge um Arbeitsplätze, Wohlstand und Standortsicherheit zurücktreten.

Die beim Aufbau des Netzwerkes Natura 2000 anzuwendenden Verfahren sind in der Vogelschutzrichtlinie und der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie festgelegt. Diese nennen die innerhalb der EU zu schützenden Lebensräume sowie Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse. Für diese Gebiete müssen die Mitgliedstaaten Erhaltungspläne vorlegen und im Rahmen der Berichtspflichten Auskunft über die Wahrung des günstigen Erhaltungszustandes der zu schützenden Arten und Lebensräume erteilen. Um die Ziele und Interessen des grenzüberschreitenden Natur- und Artenschutzes zu stärken, ist Österreich darüber hinaus verschiedenen Konventionen beigetreten: Alpenkonvention, Berner Konvention, Biodiversitätskonvention, Bonner Konvention, Ramsar Konvention, Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, Washingtoner Artenschutzabkommen.

In Österreich fallen Angelegenheiten des Naturschutzes nach der Generalklausel des Artikel 15 BVG in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder. Daher wird die Umsetzung der Richtlinien in nationale Gesetze von jedem Bundesland in eigenen Landesgesetze gegossen. In Wien geschah dies durch das Wiener Naturschutzgesetz. Die tatsächliche Errichtung der Schutzgebiete geschah auf dem Verordnungswege, wie zum Beispiel der Verordnung aus dem Jahr 1998, die den gesamten Hörndlwald zum Teil des Landschaftsschutzgebietes Hietzing Teil A – Wienerwald erklärte. Ergänzend gibt es Naturschutz-Leitlinien des Netzwerkes Natur Hietzing I aus dem Jahr 2002 wonach der Hörndlwald Lebensraum prioritär bedeutender und streng geschützter Pflanzen und Tierarten ist.

Für Verfahren nach dem Naturschutzrecht ist in Wien die Magistratsabteilung 22 Umweltschutz die zuständige Behörde. Parteistellung hat allerdings grundsätzlich nur der Antragsteller, der gegen die Interessen des Naturschutzes ein Vorhaben verwirklichen will. Andere Personen, die keine Rechtsinhaber sind und „bloß“ naturschützerische Interessen haben, sind vom naturschutzrechtlichen Verfahren ausgeschlossen. Mit dieser restriktiven Regelung der Parteistellung und des Klagerechts bleibt die österreichische Rechtsordnung hinter anderen Mitgliedstaaten der EU, aber auch hinter der Judikatur des EuGH zurück, der zur Klagslegitimation zwar auch eine individuelle Betroffenheit, nicht aber die Verletzung eines (verliehenen) subjektiven Rechts verlangt. Dies hat andere Staaten dazu veranlasst, Naturschutzverbänden (Vereinen) ein Klagerecht einzuräumen.

Die Einführung einer solchen Verbandsklage wurde auch in Österreich diskutiert aber dann verworfen. Erst nach der Besetzung der Hainburger Au im Jahr 1984 kam es zur Einrichtung von Landes-Umweltanwälten, die weisungsfrei und unabhängig sind. Sie dürfen Rechtsmittel einbringen und auch bei den Höchstgerichten Beschwerde führen. In Wien hat die Wiener Umweltanwaltschaft als unabhängige und weisungsfreie Instanz von Gesetzes wegen Parteistellung in den meisten Naturschutzverfahren. Geht man nach dem Internetauftritt der Wiener Umweltanwaltschaft, ist auch die Bürgerbeteiligung ein Arbeitsschwerpunkt der Umweltanwaltschaft. Gedacht und neuerdings auch rechtlich durchsetzbar ist das allerdings nur für Bürgerinitiativen und NGOs bei großen Projekten im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-Gesetz.

Die bessere Position des Antragstellers im naturschutzrechtlichen Verfahren konnte mit den Umweltanwaltschaften aber nicht ausgeglichen werden, da wirtschaftliche Interessen in der Regel besser artikuliert und bewertet werden können als ökologische oder gar ästhetische. Darüber hinaus muss das Vertrauen in die tatsächliche Unabhängigkeit der Umweltanwaltschaften gefestigt werden.

Eine gewisse Kontrolle könnte auch dem einzelnen Bürger durch das Umweltinformationsgesetz (UIG = ebenfalls die Umsetzung einer EU-Richtlinie) möglich werden, das durch das Wiener Umweltinformationsgesetz nun auch für Angelegenheiten in Wien gilt. Demnach hat jede natürliche oder juristische Person das Recht auf freien Zugang zu Umweltinformationen ohne Nachweis eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses. Erhältlich sein sollen Informationen über den Zustand von Umweltbestandteilen, Informationen über Umweltfaktoren, Berichte über die Umsetzung des Umweltrechts, Kosten/Nutzenanalysen und sonstige wirtschaftliche Analysen, Informationen über den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit. Inwieweit daraus auch Informationen aus konkreten Naturschutzverfahren gefordert werden können, bleibt abzuwarten.

Eine interessante Lektüre zum Umweltschutz in Österreich sind die Umweltkontrollberichte auf der Internetseite des Umweltbundesamtes.

hojos
17. Februar 2015