Über das Leben in den Kümmerlhäusern
Lebensbilder aus den Kümmerlhäusern in der Erinnerung der ältesten Ober St. Veiter. Letzter Teil zur Serie „Ein Amtsweg durch St. Veit, vor 235 Jahren als die Häuser Nummern bekamen“, „Die ersten Fabriken Ober St. Veits“ und „Schmelztiegel Ober St. Veit“
01.08.2007
Eine Beschreibung blieb vielen Zeitzeugen der Kümmerlhäuser in Erinnerung: Uralte Schaluppe, Wanzenburg, schon immer eine Ruine und zu allen Zeiten ein Kinderparadies.
Niemand bezweifelte die Kläglichkeit dieser Mietunterkünfte, die nur als Notlösung vor einer besseren Zukunft erträglich sein konnte, und doch mischte sich in fast jede Darstellung die Sehnsucht zurück nach diesen Zeiten. Natürlich war hier die „Alte Zeit“ mit im Spiel, die schon grundsätzlich für „Gut“ erklärt wird, denn die mühelosen Jahre der jungendlichen Vitalität schneiden im Vergleich zu den späteren Jahren ganz zwangsläufig besser ab.
Aber die Kindheit in den Kümmerlhäusern war schon ein Kapitel für sich. Eingebettet in unzählige Freundschaften, zahlreich genug für ein ganzes Fußballturnier, das Land voll unbeengter Abenteuer, die Menschen voller Geschichten. Ein Hemd, eine Hose, eine Jacke, ein Paar Schuhe, das reichte für das ganze Jahr, alles x-mal geflickt und die Schuhe manchmal nur Patschen aus irgend einem Gummi. Selbst Hunger war ein Fremdwort, schon die Natur sorgte reichlich und tat sie es nicht, dann halt die Eltern. Deren harte Arbeit und Entbehrungen wurden kaum bewusst, genauso wenig, wie die Armut insgesamt. Ganz im Gegenteil, schon das kleinste Geschenk wurde zur Sensation. Ein Stoffbündel, einer Puppe ähnlich, beflügelte die Phantasie und beschäftigte für Stunden. Ein Ball, selbst eine jämmerliche Wuchtel, wurde zum Statussymbol und brachte Schwung in eine ganze Horde. Irgendwann nannte sich die Horde Fußballmannschaft und reüssierte auf der Baumgartner Wiese. Ein gutmütiger Mäzen organisierte Leiberl und vielleicht auch Fußballschuhe und da stand er dann, der Bub, auf Wolke sieben. Daran änderte auch das Blut auf den Fersen nichts oder der abgefallene Zehennagel.
Langsam schlitterte man in den Ernst des Lebens. Mit einigen meinte Fortuna es ganz gut, sorgte für eine passable Lehre oder gar eine höhere Schulausbildung, sozialen Aufstieg inklusive, andere aber übersah sie oder schickte sie gar in den Krieg. Was blieb war die Erinnerung an die tolle Kindheit und jeder durfte sie teilen. Und wehe, irgend jemand äußerte sich abfällig über die Wanzenburg oder stellte gar die Rechtschaffenheit der Bewohner in Zweifel, der konnte was erleben! Gleich erfuhr er, der Laffe aus der besseren Gegend, wer gut ist und wer nicht und dass er sich auf seine Geburt als „Besserer Bürger“ gar nichts einzubilden brauche. Unvorteilhaftes über die Bewohner der Kümmerlhäuser durften nur sie selbst äußern, ihre Erwerbsmethoden nur sie in Kenntnis der Umstände beurteilen. Und ob dieses oder jenes fesche Mädchen sich etwas dazuverdiente, ging überhaupt niemanden etwas an.
Viel gäbe es auch über die erwachsenen Bewohner der Häuser zu erzählen; sie waren ein bunt gemischtes Völkchen, zusammengewürfelt aus den verschiedensten Gegenden und Gründen. Manche waren schon heimisch andere mehr oder minder „Auf der Durchreise“. Sicher gehörten nicht alle Bewohner zur ärmsten Schicht, so wie beileibe nicht alle Wohnungen nur dem niedersten Standard entsprachen. Manche waren durchaus geräumig und wohnlich, meist waren es die Wohnungen im ersten Stock, einzelne Gebäudeteile dürften sogar Zu- oder sogar Neubauten jüngeren Datums gewesen sein. Das Wasser und auch das Klo irgendwo draußen waren damals nicht unüblich, und der einfache Waschtisch samt Wasserkanne und Kübel eine gewohnte Ausstattung. Dieses „Damals“ lässt sich kaum eingrenzen, einerseits drang der Fortschritt nur sehr zögerlich in die Kümmerlhäuser und andererseits vermischen sich hier die Erinnerungen verschiedener Generationen. Die folgenden Menschenbilder fallen in die Spanne von der Gründerzeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Abbruch der Häuser im Jahre 1963.
Niemand bezweifelte die Kläglichkeit dieser Mietunterkünfte, die nur als Notlösung vor einer besseren Zukunft erträglich sein konnte, und doch mischte sich in fast jede Darstellung die Sehnsucht zurück nach diesen Zeiten. Natürlich war hier die „Alte Zeit“ mit im Spiel, die schon grundsätzlich für „Gut“ erklärt wird, denn die mühelosen Jahre der jungendlichen Vitalität schneiden im Vergleich zu den späteren Jahren ganz zwangsläufig besser ab.
Aber die Kindheit in den Kümmerlhäusern war schon ein Kapitel für sich. Eingebettet in unzählige Freundschaften, zahlreich genug für ein ganzes Fußballturnier, das Land voll unbeengter Abenteuer, die Menschen voller Geschichten. Ein Hemd, eine Hose, eine Jacke, ein Paar Schuhe, das reichte für das ganze Jahr, alles x-mal geflickt und die Schuhe manchmal nur Patschen aus irgend einem Gummi. Selbst Hunger war ein Fremdwort, schon die Natur sorgte reichlich und tat sie es nicht, dann halt die Eltern. Deren harte Arbeit und Entbehrungen wurden kaum bewusst, genauso wenig, wie die Armut insgesamt. Ganz im Gegenteil, schon das kleinste Geschenk wurde zur Sensation. Ein Stoffbündel, einer Puppe ähnlich, beflügelte die Phantasie und beschäftigte für Stunden. Ein Ball, selbst eine jämmerliche Wuchtel, wurde zum Statussymbol und brachte Schwung in eine ganze Horde. Irgendwann nannte sich die Horde Fußballmannschaft und reüssierte auf der Baumgartner Wiese. Ein gutmütiger Mäzen organisierte Leiberl und vielleicht auch Fußballschuhe und da stand er dann, der Bub, auf Wolke sieben. Daran änderte auch das Blut auf den Fersen nichts oder der abgefallene Zehennagel.
Langsam schlitterte man in den Ernst des Lebens. Mit einigen meinte Fortuna es ganz gut, sorgte für eine passable Lehre oder gar eine höhere Schulausbildung, sozialen Aufstieg inklusive, andere aber übersah sie oder schickte sie gar in den Krieg. Was blieb war die Erinnerung an die tolle Kindheit und jeder durfte sie teilen. Und wehe, irgend jemand äußerte sich abfällig über die Wanzenburg oder stellte gar die Rechtschaffenheit der Bewohner in Zweifel, der konnte was erleben! Gleich erfuhr er, der Laffe aus der besseren Gegend, wer gut ist und wer nicht und dass er sich auf seine Geburt als „Besserer Bürger“ gar nichts einzubilden brauche. Unvorteilhaftes über die Bewohner der Kümmerlhäuser durften nur sie selbst äußern, ihre Erwerbsmethoden nur sie in Kenntnis der Umstände beurteilen. Und ob dieses oder jenes fesche Mädchen sich etwas dazuverdiente, ging überhaupt niemanden etwas an.
Viel gäbe es auch über die erwachsenen Bewohner der Häuser zu erzählen; sie waren ein bunt gemischtes Völkchen, zusammengewürfelt aus den verschiedensten Gegenden und Gründen. Manche waren schon heimisch andere mehr oder minder „Auf der Durchreise“. Sicher gehörten nicht alle Bewohner zur ärmsten Schicht, so wie beileibe nicht alle Wohnungen nur dem niedersten Standard entsprachen. Manche waren durchaus geräumig und wohnlich, meist waren es die Wohnungen im ersten Stock, einzelne Gebäudeteile dürften sogar Zu- oder sogar Neubauten jüngeren Datums gewesen sein. Das Wasser und auch das Klo irgendwo draußen waren damals nicht unüblich, und der einfache Waschtisch samt Wasserkanne und Kübel eine gewohnte Ausstattung. Dieses „Damals“ lässt sich kaum eingrenzen, einerseits drang der Fortschritt nur sehr zögerlich in die Kümmerlhäuser und andererseits vermischen sich hier die Erinnerungen verschiedener Generationen. Die folgenden Menschenbilder fallen in die Spanne von der Gründerzeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Abbruch der Häuser im Jahre 1963.
Da war zunächst die Frau „Generalin“. Sie wohnte im „Schneidertrakt“, dem ein schöner Garten mit uralten, schattigen Bäumen zugehörte. Durch ihre bevorzugte Stellung blieb sie den Menschen in lebhafter Erinnerung, ohne jedoch genaueres über sie zu wissen. Generalin war sie offensichtlich nach ihrem verstorbenen Mann, einem richtigen General, aber auch ihr Auftreten dürften diesen Titel gerechtfertigt haben.
Respektiert wurde sie von allen Hausgenossen, aus althergebrachter Autoritätsgläubigkeit oder tatsächlicher Achtung, die ihr selbst marxistisch inspirierte Mieter entgegenbrachten. Niemals wurde sie mit einem bösen Wort bedacht; selbst die tiefe Trauer, in der sie ihrem längst verstorbenen Gatten, dem Herrn General nachhing und die schwarzen Kleider, die sie seit seinem Tode nicht mehr ablegte, blieben ohne Spott. Recht ungewöhnlich, denn tiefere, um Ausdruck ringende Empfindungen waren dem Menschen recht fremd und das Spötteln war (und eigentlich ist) der Kommentar für alles, was eigene Worte und Werte nicht mehr zu reflektieren vermögen.
Das Ungewöhnliche an ihr soll vor allem die weibliche Mitbewohnerschaft gefesselt und ihr eine fast mythische Gestalt verliehen haben. Profaner nahmen es die Kinder, wenn sie ein Stück Schokolade erhielten, aber selbst sie erinnerten sich aller erzieherischer Maßnahmen und grüßten und dankten recht artig.
In Erinnerung blieb auch ein ehrsamer Wäscher im gleichen Gebäudekomplex. Die stets zwischen Einfahrt und Haus herumstehende Bottiche und Holzschaffeln ließen keinen Zweifel an der Zunft des Meisters aufkommen. Seine schlohweißen Haare, der graue oder braune Schurz, die eigentümliche Gelassenheit seiner Bewegungen und seine Wortkargheit machten ihn zu etwas Besonderem. Es umgab ihn etwas geheimnisumwittertes, das den braven und fleißigen Mann in mancher Augen sogar in biblische Nähe rückte. Dennoch soll er durchaus irdisch Werner Mitterbacher geheißen haben.
Im gleichen Haus dürfte noch eine Arbeiterfamilie gewohnt haben, bedacht mit reichem Kindersegen. Jedes Jahr schien der Segen weiter gewachsen zu sein. Alle hübsch, leichtsinnig und etwas verschlampt, echtes Wiener Armeleuteblut der Vorkriegszeit. Die reich gefüllte Schüssel der Frau Generalin dürfte besonders in den Jahren des ersten Weltkrieges von Bedeutung gewesen sein.
Gegenüberliegend (im Plan der Abb. 1 oberhalb des Schneidertrakts) befand sich der Trakt mit dem offenen Stiegenhaus. Eines der bekanntesten Fotos aus den Kümmerlhäusern zeigt es, wohl dekoriert mit kinderreichen Familien. (Siehe das in den Berichtskopf eingearbeitete Foto). Berichtet wird aber nur von einem alleinstehenden Herren, der dort eher zurückgezogen lebte. Gerne stand er auf der Vorveranda des offenen Stiegenhauses, den Blick über die spielenden Kinder hinweg in eine Ferne gerichtet. Er schien dort etwas geahnt zu haben.
Respektiert wurde sie von allen Hausgenossen, aus althergebrachter Autoritätsgläubigkeit oder tatsächlicher Achtung, die ihr selbst marxistisch inspirierte Mieter entgegenbrachten. Niemals wurde sie mit einem bösen Wort bedacht; selbst die tiefe Trauer, in der sie ihrem längst verstorbenen Gatten, dem Herrn General nachhing und die schwarzen Kleider, die sie seit seinem Tode nicht mehr ablegte, blieben ohne Spott. Recht ungewöhnlich, denn tiefere, um Ausdruck ringende Empfindungen waren dem Menschen recht fremd und das Spötteln war (und eigentlich ist) der Kommentar für alles, was eigene Worte und Werte nicht mehr zu reflektieren vermögen.
Das Ungewöhnliche an ihr soll vor allem die weibliche Mitbewohnerschaft gefesselt und ihr eine fast mythische Gestalt verliehen haben. Profaner nahmen es die Kinder, wenn sie ein Stück Schokolade erhielten, aber selbst sie erinnerten sich aller erzieherischer Maßnahmen und grüßten und dankten recht artig.
In Erinnerung blieb auch ein ehrsamer Wäscher im gleichen Gebäudekomplex. Die stets zwischen Einfahrt und Haus herumstehende Bottiche und Holzschaffeln ließen keinen Zweifel an der Zunft des Meisters aufkommen. Seine schlohweißen Haare, der graue oder braune Schurz, die eigentümliche Gelassenheit seiner Bewegungen und seine Wortkargheit machten ihn zu etwas Besonderem. Es umgab ihn etwas geheimnisumwittertes, das den braven und fleißigen Mann in mancher Augen sogar in biblische Nähe rückte. Dennoch soll er durchaus irdisch Werner Mitterbacher geheißen haben.
Im gleichen Haus dürfte noch eine Arbeiterfamilie gewohnt haben, bedacht mit reichem Kindersegen. Jedes Jahr schien der Segen weiter gewachsen zu sein. Alle hübsch, leichtsinnig und etwas verschlampt, echtes Wiener Armeleuteblut der Vorkriegszeit. Die reich gefüllte Schüssel der Frau Generalin dürfte besonders in den Jahren des ersten Weltkrieges von Bedeutung gewesen sein.
Gegenüberliegend (im Plan der Abb. 1 oberhalb des Schneidertrakts) befand sich der Trakt mit dem offenen Stiegenhaus. Eines der bekanntesten Fotos aus den Kümmerlhäusern zeigt es, wohl dekoriert mit kinderreichen Familien. (Siehe das in den Berichtskopf eingearbeitete Foto). Berichtet wird aber nur von einem alleinstehenden Herren, der dort eher zurückgezogen lebte. Gerne stand er auf der Vorveranda des offenen Stiegenhauses, den Blick über die spielenden Kinder hinweg in eine Ferne gerichtet. Er schien dort etwas geahnt zu haben.
Unter dem Stiegenhaus, gleich neben dem Tor zur Gstetten Richtung Amalienstraße, die zu betreten manchen Kindern verboten war, hauste verlassen und vollkommen vereinsamt eine uralte Frau. Mit ihrem gebeugten Rücken, den weiten grauen Röcken, dem stets um die Schulter geschlungenen Schal, einem tief in das hakennasige Gesicht gezogenen Kopftuch und dem Stock, auf den sie sich immer stützte, glich sie exakt dem Märchenbild einer Hexe. Da musste auch der Tag kommen, an dem sie von den Kindern wahrhaftig für eine solche gehalten wurde, und sie konnte sich bald des Haufens sie umschwirrender und spottender Gassenkinder nicht mehr erwehren, mochte sie ihren Stock noch so drohend gegen sie schütteln.
Aber der Unfug wurde von den Erwachsenen nicht lange geduldet und erfolgreich eingestellt. Oder war es doch die Scheu vor einer echten Hexe, die die Kinder wieder auf Distanz gehen ließ?
In einem anderen Gebäude, eingesäumt von dem zweiten Garten, war ein Milch- und Kaufmannsladen der Familie Schwarzer, zu dem auch eine in kleinbürgerlicher Behaglichkeit eingerichtete Zweizimmerwohnung gehörte. Der nette und reinliche Laden faszinierte durch den Überfluss der zu kaufenden Sachen. Mehr als der Geldbeutel der Bewohner jemals gestattete. Eine stets „ganserlgelb“ geriebene Holzstiege mit gleich gelbem etwas wackeligem Geländer führte hinab in das Schlaraffenland, in dem man außer Mehl, Milch und Zucker nicht nur so wie heute die guten Neapolitanerschnitten, Schokolade, saure Zuckerln, des Winters Christbaumstücke und des Sommers selbst bereitetes frisches Eis gegen einige Münzen einhandeln konnte, sondern auch bunt gefärbten Erdäpfelzucker, türkischen Honig und nicht zu vergessen den zur Geißel gebundenen kohlschwarzen Bärenzucker. Die um die Krampuszeit auftauchenden lustigen Bockshörnderln bereicherten auch den dürftigen Gabentisch und durften kein Jahr fehlen.
Im Stockwerk des gleichen Hauses, wenn auch nicht mehr andauernd, wohnte die Frau Kümmerle selbst. Die Stellung als Hausbesitzerin allein sicherten ihr Ruf und Ansehen. Von ihrem reich beschickten Gabentisch dürfte hie und da auch etwas für die ärmeren Kinder abgefallen sein. Eine nette Arbeiterfamilie und eine alleinstehende hochblonde, etwas exzentrisch veranlagte junge Dame ergänzten die Bewohnerschaft dieses Gebäudeteiles.
Aber der Unfug wurde von den Erwachsenen nicht lange geduldet und erfolgreich eingestellt. Oder war es doch die Scheu vor einer echten Hexe, die die Kinder wieder auf Distanz gehen ließ?
In einem anderen Gebäude, eingesäumt von dem zweiten Garten, war ein Milch- und Kaufmannsladen der Familie Schwarzer, zu dem auch eine in kleinbürgerlicher Behaglichkeit eingerichtete Zweizimmerwohnung gehörte. Der nette und reinliche Laden faszinierte durch den Überfluss der zu kaufenden Sachen. Mehr als der Geldbeutel der Bewohner jemals gestattete. Eine stets „ganserlgelb“ geriebene Holzstiege mit gleich gelbem etwas wackeligem Geländer führte hinab in das Schlaraffenland, in dem man außer Mehl, Milch und Zucker nicht nur so wie heute die guten Neapolitanerschnitten, Schokolade, saure Zuckerln, des Winters Christbaumstücke und des Sommers selbst bereitetes frisches Eis gegen einige Münzen einhandeln konnte, sondern auch bunt gefärbten Erdäpfelzucker, türkischen Honig und nicht zu vergessen den zur Geißel gebundenen kohlschwarzen Bärenzucker. Die um die Krampuszeit auftauchenden lustigen Bockshörnderln bereicherten auch den dürftigen Gabentisch und durften kein Jahr fehlen.
Im Stockwerk des gleichen Hauses, wenn auch nicht mehr andauernd, wohnte die Frau Kümmerle selbst. Die Stellung als Hausbesitzerin allein sicherten ihr Ruf und Ansehen. Von ihrem reich beschickten Gabentisch dürfte hie und da auch etwas für die ärmeren Kinder abgefallen sein. Eine nette Arbeiterfamilie und eine alleinstehende hochblonde, etwas exzentrisch veranlagte junge Dame ergänzten die Bewohnerschaft dieses Gebäudeteiles.
Aber auch der Garten neben dem Haus beherbergte eine interessante Mietpartei. In ihm gab es jedes Jahr im Sommer eine Schildkröte. Sie lag zwar meistens in ihr Gehäuse zurückgezogen und zeigte nur selten ihren vorsintflutlichen Kopf und die Füße. Sehnsüchtig drückten die Kinder an dem durchbrochenen metallenen Gartengitter die Nasen platt, um doch dieses Weltwunder zu sehen.
Zwischen diesem Garten und der Stiege, die von der Auhofstraße in den Hof herunterführte, stand eine winzig kleine gemauerte Hütte, das Pförtnerhäuschen. In einer sehr fernen Zeit soll hier der „Hausmaster“ residiert haben, als solcher aber kaum aufgefallen sein, denn die Verwaltungsagenden erledigte ein Hausverwalter und die Reinigung der desolaten Gebäude erübrigte sich oder blieb den Hausbewohnern vorbehalten. Nur nächtens mit der Einnahme des „Sperrsechserls“ trat er markanter in Erscheinung. Ansonsten genoss er den Vorzug, alleine wohnen zu dürfen.
Natürlich gab es in den Kümmerlhäusern auch einen Gastwirt mit Frau und Kindern, dessen winziger Gastgarten gerade Platz für drei alte Bäume bot. Und auch dort war, wie überall in den Kümmerlhäusern nichts zu sehen, was an modische Neuerungen erinnerte.
Die Gastwirtschaft (und übrigens auch einen Krämerladen) gab es gleich, als die Häuser zu Mietobjekten wurden. Rosina Kellner, Wilhelm Gündel und Leopold Schröder waren die überlieferten Besitzer. Auch die Bezeichnungen wechselten, einmal war es die Cafe-Restauration „Zum Eisenbahner“ und später „Zum Ober St. Veiter Drahrer“. Möglicherweise, weil der Ober St. Veiter Drahrerclub dort einige Zeit sein Vereinslokal hatte. Lange Zeit war dieses Gasthaus auch Vereinslokal des Ober Sankt Veiter Fußballklubs.
Natürlich gab es in den Kümmerlhäusern auch einen Gastwirt mit Frau und Kindern, dessen winziger Gastgarten gerade Platz für drei alte Bäume bot. Und auch dort war, wie überall in den Kümmerlhäusern nichts zu sehen, was an modische Neuerungen erinnerte.
Die Gastwirtschaft (und übrigens auch einen Krämerladen) gab es gleich, als die Häuser zu Mietobjekten wurden. Rosina Kellner, Wilhelm Gündel und Leopold Schröder waren die überlieferten Besitzer. Auch die Bezeichnungen wechselten, einmal war es die Cafe-Restauration „Zum Eisenbahner“ und später „Zum Ober St. Veiter Drahrer“. Möglicherweise, weil der Ober St. Veiter Drahrerclub dort einige Zeit sein Vereinslokal hatte. Lange Zeit war dieses Gasthaus auch Vereinslokal des Ober Sankt Veiter Fußballklubs.
Für die Strenge, mit der er über Frau und Kinder herrschte, war der Schlossermeister Alexander Dolleisch bekannt, der sich im schmalen ebenerdigen Gebäude in Hof gegenüber niedergelassen hatte. Dem nicht gerade kleinen, aber dünnen und unansehnlichen Mann hätte eine solche Härte niemand zugemutet. Seine blonde Frau war besonders schlank und hochgewachsen und hatte große, stets von einem geheimen Kummer umschattete grauen Augen. Das ihr so ähnliche Töchterchen, die schöne kleine Käthe, soll schon mit 7 Jahren gesagt haben: „Ich darf nicht spielen, ich muss der Mutter in der Küche helfen.“ Die großen grauen Augen waren von kindlicher Trauer erfüllt. Von dem Tag an, da sie zur Schule ging, wurde sie im Hof kaum noch gesehen.
In merkwürdigem Kontrast zum melancholischen Schatten über der Familie des Schlossermeisters standen die wöchentlichen Hauskonzerte. Jedes Familienmitglied konnte ein Instrument und wenn sie im Hof aufspielten, fanden sie große Aufmerksamkeit, auch von den Gästen des Restaurants.
In merkwürdigem Kontrast zum melancholischen Schatten über der Familie des Schlossermeisters standen die wöchentlichen Hauskonzerte. Jedes Familienmitglied konnte ein Instrument und wenn sie im Hof aufspielten, fanden sie große Aufmerksamkeit, auch von den Gästen des Restaurants.
Unter dem Stiegenhaus des mittleren, an des Spitzerhaus angrenzenden Gebäudeteiles wohnte ein Tischler, anderswo im Haus ein hübscher, netter, aber leider der Trunksucht verfallener Flickschuster, eine stolze Witwe nach einem Handwerksmeister, die sich, wie ihren beiden Töchter, deren eine die exzentrische war, als etwas Besseres fühlte, ein Arbeiter, der in der Militärverwaltung Dienst machte und mit seiner zahlreichen Familie bewies, dass die Militärverwaltungen aus der Zeit des ersten Weltkriegs ihre Arbeiter gut leben ließ (konnte die Familie doch einen beinahe bürgerlichen Lebensstandard aufrechterhalten), eine einsame alte Frau, hager und groß, unterm Dachboden wohnend, von der die Hauslegende zu berichten wusste, dass sie Jahr und Tag die Wiederkunft ihres Sohnes erwarte, der im Streit straffällig geworden war und flüchten musste und sonst noch einiges Armeleutgesindel.
Inmitten der Dachbodenbewohner wohnte für kurze Zeit ein junges Ehepaar, er lustig und voll des Humors, sie aber fast ein wenig schwermütig und so weichherzig, dass sie darüber zum Spielball des Lebens wurde. Und da war ein kleiner blondgelockter Knabe, der, kaum noch der Sprache mächtig, schon so wunderbar zeichnete, und da ein kleines Mädchen, minder hübsch und minder begabt, doch wachen Sinnes und allen Eindrücken aufgetan, der Mutter, die sie so sehr liebte ähnlich und dem strengeren Vater so gut wie der Mutter.
Inmitten der Dachbodenbewohner wohnte für kurze Zeit ein junges Ehepaar, er lustig und voll des Humors, sie aber fast ein wenig schwermütig und so weichherzig, dass sie darüber zum Spielball des Lebens wurde. Und da war ein kleiner blondgelockter Knabe, der, kaum noch der Sprache mächtig, schon so wunderbar zeichnete, und da ein kleines Mädchen, minder hübsch und minder begabt, doch wachen Sinnes und allen Eindrücken aufgetan, der Mutter, die sie so sehr liebte ähnlich und dem strengeren Vater so gut wie der Mutter.
Und dann gab es eine Anzahl von Menschen, die Arbeiteten die ganze Nacht und schliefen Tagsüber. Wozu eine teure Wohnung? Wozu ein eigenes Bett? Sie mieteten für wenig Geld ein fremdes Bett, schliefen dort, solgange es frei war und verschwanden dann wieder - man nannte sie Bettgeher. Einer Volkszählung zufolge gab es im Jahre 1870 noch 25 Bettgeher, die meisten von ihnen vermutlich Arbeiter in Bäckerein und viele ihrer Betten standen wahrscheinlich hier.
An bemerkenswerten Einrichtungen der Anlage gab es noch einen mächtigen Oleanderbaum, von einem Mieter so gut gepflegt, dass er jedes Jahr mit einem Blütensegen dankte. Es gab auch einen romantischen, aber meist defekten Ziehbrunnen, der, als er den Raum dieser Erinnerungen betreten hatte, kaum noch benutzt wurde. Zur Entlastung dieses Ziehbrunnens und um der modernen Zeit eine Konzession zu machen, wurde nämlich in der Hauseinfahrt des mittleren Gebäudeteiles eine Wasserleitung installiert. Sie war die einzige für alle umliegenden Anrainer und um sie im offenen Stiegenhaus während des Winters vor Frost zu schützen, hatte man ein kleines braunes Holzhäuschen rund um sie herum gebaut, das in einem spitzen Dächelchen auslief. Also doch nicht ganz ohne modische Neuerungen, diese Kümmerlhäuser.
Soviel zu den Kümmerlhäusern. Wer etwas über die Menschen des stadtauswärts angrenzenden Spitzerhauses (Auhofstraße 120) erfahren möchte, dem empfehlen wir das antiquarisch noch erhältliche Buch „Erlebtes und Erlauschtes aus Wiens Vorstadt“ des Ober St. Veiter Heimatdichters J. Vinzenz (Vinzenz Jerabek). Er war im Spitzerhaus geboren worden und erzählte über dessen Bewohner wie kein anderer. 1958 fiel das Spitzerhaus und 1963 die Kümmerlhäuser der Spitzhacke zum Opfer und Ober St. Veit entwickelte sich ein Stück weiter in Richtung Schlafstätte der Wiener.
Aber nicht nur die zur Auhofstraße gerichteten Häuser sollen hier erwähnt werden, sondern auch die kleineren auf den Kümmerlgründen dahinter. Dies soll als Besprechung des im Folgendenen dargestellten Fotos geschehen:
An bemerkenswerten Einrichtungen der Anlage gab es noch einen mächtigen Oleanderbaum, von einem Mieter so gut gepflegt, dass er jedes Jahr mit einem Blütensegen dankte. Es gab auch einen romantischen, aber meist defekten Ziehbrunnen, der, als er den Raum dieser Erinnerungen betreten hatte, kaum noch benutzt wurde. Zur Entlastung dieses Ziehbrunnens und um der modernen Zeit eine Konzession zu machen, wurde nämlich in der Hauseinfahrt des mittleren Gebäudeteiles eine Wasserleitung installiert. Sie war die einzige für alle umliegenden Anrainer und um sie im offenen Stiegenhaus während des Winters vor Frost zu schützen, hatte man ein kleines braunes Holzhäuschen rund um sie herum gebaut, das in einem spitzen Dächelchen auslief. Also doch nicht ganz ohne modische Neuerungen, diese Kümmerlhäuser.
Soviel zu den Kümmerlhäusern. Wer etwas über die Menschen des stadtauswärts angrenzenden Spitzerhauses (Auhofstraße 120) erfahren möchte, dem empfehlen wir das antiquarisch noch erhältliche Buch „Erlebtes und Erlauschtes aus Wiens Vorstadt“ des Ober St. Veiter Heimatdichters J. Vinzenz (Vinzenz Jerabek). Er war im Spitzerhaus geboren worden und erzählte über dessen Bewohner wie kein anderer. 1958 fiel das Spitzerhaus und 1963 die Kümmerlhäuser der Spitzhacke zum Opfer und Ober St. Veit entwickelte sich ein Stück weiter in Richtung Schlafstätte der Wiener.
Aber nicht nur die zur Auhofstraße gerichteten Häuser sollen hier erwähnt werden, sondern auch die kleineren auf den Kümmerlgründen dahinter. Dies soll als Besprechung des im Folgendenen dargestellten Fotos geschehen:
Das Foto zeigt die Rückseite des Hauses Amalienstraße 30 und wurde vermutlich im Jahre 1941 aufgenommen. In dem ebenerdigen Gebäude wohnten 6 Parteien, 2 auf der Seite zur Amalienstraße und 4 nach hinten. Die „Parteien“ waren oft umfangreiche Familien, sodass das unscheinbare Haus an die 30 Menschen beherbergte. Die Wohnungen bestanden meist aus Zimmer und Küche und hatten weder Wasser noch Toilette. Das Wasser wurde Sommers wie Winters vom nahegelegenen Hydranten geholt. Im Winter war der Platz in seinem Umkreis völlig vereist und das Wasserholen daher sehr gefährlich. Zwei Klosetts in Bretterverschlägen gab es neben der hinteren Einfahrt in die Kümmerlhäuser. Sie waren versperrbar, der große Schlüssel steckte meistens oder wurde von der Weinberger Peperl aufbewahrt. In der Nacht wurden die Klos nicht benützt, jede Wohnung hatte einen Kübel.
Ganz rechts im Bild ist Frau Josefine Weinberger zu sehen („Die Weinberger Peperl“). Sie war nie anders zu sehen, als auf dem Bild, immer das gleiche Kleid und das gleiche Kopftuch. Sie bewohnte Gemeinsam mit ihrem Mann Vinzenz Zimmer, Küche und eine selbstgebaute Veranda, vor der die Gruppe gerade steht. Sie hatten eine kleine „Landwirtschaft“. Das waren eine Kuh, ein Pferd, ein Leiterwagen und eine Championzucht. Die Tiere und der Wagen waren hinten im Hof des Nebenhauses Amalienstraße 28 untergebracht.
In der nächsten Wohnung lebten Leopold und Auguste (5. von links) Machart. Leopold war Kutscher bei Herrn Kümmerle, dessen Pferde und Wägen standen in der Amalienstraße 34. Auch sie hatten Tiere im Hof des Hauses Amalienstraße 28 und zwar 1 Schwein, 1 Truthahn und Hasen. Deren Tochter Gusti Machart (3. von links) wurde einmal die geteerte Straße zum Verhängnis. Über die staubigen Straßen wurde zur Festigung der Oberfläche dünnflüssiges Teer gegossen. Sie und ihre Kusine Grete Polt (ihre Mütter waren Schwestern) tollten über die Straße, als Gusti mit ihren einfachen Sandalen (zerschnittene Autoreifen, die mit Riemen am Fuß festgehalten wurden) hängen blieb und der Länge nach hinfiel. Das Teer war noch recht frisch und beschmierte sie von oben bis unten. Sie rannten zu Grete Polts Großvater in der Amalienstraße 29. Er hatte eine Wäscherei und reinigte Gusti zunächst komplett mit Petroleum und dann im Bottich.
Weitere Parteien waren die 6-köpfige Familie Deußner. Im Bild sind die Mutter Deußner Therese (Heimarbeiterin, 2. von links) und die Töchter Deußner Steffi (4. von links) und Deußner Poldi (2. von rechts). Recht zurückgezogen lebte in diesem Haus die Familie Neidhart, er war ebenfalls Kutscher und sie stammte aus dem Sudetenland.
Hinter dem niederen Gebäude ist noch die hohe Seitenwand des nächsten, 2-stöckigen Hauses, Amalienstraße 28, zu sehen. Es wurde 1911 gebaut und 1918 von Franz und Auguste Binder erworben. Eine Zeit lang hatte hier auch eine Familie Glasauer gewohnt. Vom darauffolgenden Haus, Amalienstraße 26 ist vielen noch die darin gewesene Konditorei Nedbal bzw. später die Konditorei Lang in Erinnerung.
Ganz rechts im Bild ist Frau Josefine Weinberger zu sehen („Die Weinberger Peperl“). Sie war nie anders zu sehen, als auf dem Bild, immer das gleiche Kleid und das gleiche Kopftuch. Sie bewohnte Gemeinsam mit ihrem Mann Vinzenz Zimmer, Küche und eine selbstgebaute Veranda, vor der die Gruppe gerade steht. Sie hatten eine kleine „Landwirtschaft“. Das waren eine Kuh, ein Pferd, ein Leiterwagen und eine Championzucht. Die Tiere und der Wagen waren hinten im Hof des Nebenhauses Amalienstraße 28 untergebracht.
In der nächsten Wohnung lebten Leopold und Auguste (5. von links) Machart. Leopold war Kutscher bei Herrn Kümmerle, dessen Pferde und Wägen standen in der Amalienstraße 34. Auch sie hatten Tiere im Hof des Hauses Amalienstraße 28 und zwar 1 Schwein, 1 Truthahn und Hasen. Deren Tochter Gusti Machart (3. von links) wurde einmal die geteerte Straße zum Verhängnis. Über die staubigen Straßen wurde zur Festigung der Oberfläche dünnflüssiges Teer gegossen. Sie und ihre Kusine Grete Polt (ihre Mütter waren Schwestern) tollten über die Straße, als Gusti mit ihren einfachen Sandalen (zerschnittene Autoreifen, die mit Riemen am Fuß festgehalten wurden) hängen blieb und der Länge nach hinfiel. Das Teer war noch recht frisch und beschmierte sie von oben bis unten. Sie rannten zu Grete Polts Großvater in der Amalienstraße 29. Er hatte eine Wäscherei und reinigte Gusti zunächst komplett mit Petroleum und dann im Bottich.
Weitere Parteien waren die 6-köpfige Familie Deußner. Im Bild sind die Mutter Deußner Therese (Heimarbeiterin, 2. von links) und die Töchter Deußner Steffi (4. von links) und Deußner Poldi (2. von rechts). Recht zurückgezogen lebte in diesem Haus die Familie Neidhart, er war ebenfalls Kutscher und sie stammte aus dem Sudetenland.
Hinter dem niederen Gebäude ist noch die hohe Seitenwand des nächsten, 2-stöckigen Hauses, Amalienstraße 28, zu sehen. Es wurde 1911 gebaut und 1918 von Franz und Auguste Binder erworben. Eine Zeit lang hatte hier auch eine Familie Glasauer gewohnt. Vom darauffolgenden Haus, Amalienstraße 26 ist vielen noch die darin gewesene Konditorei Nedbal bzw. später die Konditorei Lang in Erinnerung.