Die Anfänge der Kindertagesheimstätte am Girzenberg
Eine Darstellung von Professor Felix Steinwandtner
13.07.1917
In einer Biographie über Bürgermeister Lueger stieß ich auf den Satz: „In Hütteldorf und Pötzleinsdorf wurden Tagesheimstätten für die Ferien geschaffen, wo täglich 2000 Kinder in Sonderwagons der Straßenbahn hin- und zurückbefördert wurden“. Diese Handlung wurde noch zur Lebzeit Dr. Karl Luegers, also vor 1910 gesetzt.
Auch in Ober St. Veit gibt es eine Kindertagesheimstätte, und zwar am Girzenberg. Ein bekanntes Foto zeigt das Areal mit dem Planschbecken, und immer wieder wurde gesagt, dass diese Tagesheimstätte Anfang der 1920er-Jahre entstanden sei. Eine Nachschau in den verschiedenen Hietzing-Büchern und Jahresberichten der Stadt Wien führte jetzt zu neuen Erkenntnissen über die Entstehung der Tagesheimstätte am Girzenberg.
Am 11. Juni 1916 beschloss der Gemeinderat, vier Grünflächen im Wald- und Wiesengürtel für Jugendfürsorgezwecke zu widmen, dabei war auch der Girzenberg mit 33.700 m².
Das Hietzinger Bezirksblatt berichtete im Sommer 1917:
Von unserer Tageserholungsstätte.
Für die Ausgestaltung der Tageserholungsstätten (die unseres Bezirkes befindet sich bekanntlich auf dem Girzenberg) hat der Stadtrat den Betrag von 62.455 Kronen bewilligt.
Und im Sommer 1918:
Die Kindererholungsstätte in Ober St. Veit.
Nach einem Referate des Stadtrates Zatzka wurde für die Ausgestaltung der Kindererholungsstätte auf dem Girzenberg im 13. Bezirke der Gesamtbetrag von 17.000 Kronen bewilligt. Die Erholungsstätte für Kinder ist nahezu fertig. Es sind noch einige Einrichtungen zu schaffen, wie Einleitung von Wasser für Trink- Nutz- und Badezwecke. Durch die neuerliche Schaffung eines Heimes für unsere erholungsbedürftigen Kinder hat die Gemeinde Wien abermals große Fürsorge, die sie unserer heranwachsenden Jugend mit vollem Eifer widmet, bekundet.
Bürgermeister war damals (1912-1919) der Christlichsoziale Dr. Richard Weißkirchner.
Eine Überraschung gab es bei der Nachschau im Archiv des Bezirksmuseums. Am 13. Juli 1917 wurde die Benützungsbewilligung für die Tagesheimstätte „Girzenberg“ erteilt. Sie erstreckt sich auf die beiden Unterkunftsbauten, jeder ca. 80m², und die Toilettenanlage. Da die Anlage sofort in Betrieb ging, gilt daher der Juli 1917 als Beginn der Tagesheimstätte.
Die ersten Gebäude waren zwei einfache, gartenseitig zu öffnende Hallen, dahinter ein Abortbau. Die Ausspeisung der Kinder erfolgte bis zur Fertigstellung eines Küchenpavillons durch die Küche des Versorgungsheimes. Im Zeitraum vom 19.8.–5.10.1918 beispielsweise wurden 100 Kinder betreut. Bis Ende 1918 wurde eine ca. 100 m² große Holzbaracke fertiggestellt, in der eine Küche, ein Magazin, ein Arztzimmer, die Kanzlei und ein Raum für den Wächter untergebracht waren. Der Sommerbetrieb 1919 begann mit 200 Kindern. Die Küchenbaracke wurde 1923 durch ein gemauertes Wirtschaftsgebäude, ca. 250m² groß, mit einer Wächterwohnung ersetzt. Interessanterweise fehlt im Gegensatz zu dem Gebäude von 1918 das Arztzimmer. Dieser wird wohl bei Bedarf das Büro der Leiterin benutzt haben. 1926 wurde eine weitere Tagraumbaracke mit ca. 100 m² Grundfläche und ein Geräteschuppen errichtet. Im September 1933 wurde die Bewilligung für ein Planschbeckens und für die Herstellung eines Vorratskellers erteilt. Das Bad wurde 1934 in Betrieb genommen – das bekannte Bild der Kinder im Planschbecken ist daher frühestens in diesem Jahr entstanden.
Leider waren keine Hinweise zu finden, wie die Kinder in den ersten Jahren die Tagesheimstätte erreichten, kann sein mit einem Sonderwagen der Straßenbahn nach Ober St. Veit, kann aber auch sein, dass sie damals bereits mit Autobussen gebracht wurden.
Das Bildmaterial stammt aus dem Archiv des Bezirksmuseums bzw. aus dem Archiv der Kinderfreunde. Für die tatkräftige Hilfe bei der Spurensuche bedanke ich mich besonders bei Herrn Rudolf Wawra. Über die weitere Geschichte des Areals wurde anläßlich der 60-Jahr-Feier des Kindergartens berichtet.