Die Färberei Winkler & Schindler

Auhofstraße 152–166. Färberei und Appretur von Textilien. Der Betrieb wurde am 31. März 1974 eingestellt.
1863

Im Folgenden wird die Geschichte des Unternehmens chronologisch geordnet wiedergegeben:

1835

Alois Winkler wird in Prossnitz in Mähren geboren. Er heiratet die bei Temesvar in Ungarn geborene Helene Kronberger. Er soll schon in seiner Heimat als Schafwollfärber gearbeitet haben. Die Geburtsorte ihrer Kinder zeigen die Wanderung der Familie: Emanuel, geb. 1863 in Wien 3; Siegfried, geb. 1864 in Gaudenzdorf; Hermann, geb. 1867 in Gaudenzdorf; Arnold, geb. 1869 in Gaudenzdorf; Pauline, geb. 1871 in Hacking; Emil, geb. 1872 in Hacking; Emma, geb. 1874 in Hacking. Hugo, geb. 1880 in Ober St. Veit und Oskar, geb. 1882 ebenfalls in Ober St. Veit sind Söhne von Alois Winkler aus der zweiten Ehe mit N. Freysperger. 

1863

Alois Winkler gründet das Unternehmen als kleine Färberei und errichtet die erste Betriebsstätte am Gaudenzdorfer Gürtel. Er befasst sich mit dem Färben von Wolle im Strang und bald auch von Baumwolle.

Über Wien nehmen zu dieser Zeit nicht nur die Strickgarne der böhmischen Kammgarnspinnereien, sondern auch die am "Brillantengrund" daraus hergestellten Rascheltücher ihren Weg in die Länder der Monarchie. Das Färben der Dochtgarne für die Fransen dieser Tücher gehört zu den Spezialitäten der jungen Färberei. Die Verflechtung mit dem Textilzentrum der Monarchie – den Ländern Böhmen, Mähren und Schlesien – wird später, wenn sich das Unternehmen dem Färben von Kunstseide zuwendet, weiter wachsen. Dank der in Wien befindlichen Zentralen der Seidenindustrie ist der gegenseitige Kontakt besonders innig und wird lange bestehen. 

1870

(ca.) Die steigenden Anforderungen der Woll- und Baumwollfärberei machen neue Fabrikationsanlagen nötig. Als Standort dafür findet man schließlich, dem Wasser nachgehend, das Gelände am rechten Wienufer im damals noch abgeschiedenen, dörflichen Ober St. Veit. Dort wird die Firma bis zu ihrem Ende bleiben. Auch ein verbrieftes Wasserrecht als wirtschaftlicher Eckpfeiler des Betriebes wird bis zuletzt Bestand haben.

Die Firma Winkler wird zu einem der wichtigsten Arbeitgeber in St. Veit. Unter den Beschäftigten sind allerdings viele, die erst wegen dieser Arbeit hierher gezogen sind. Nur einzelne Leitungskräfte werden aus dem Ausland geholt.

1882

Alois Winkler schließt sich mit seinem Schwager Simon Schindler, einem reichen Fünfhauser Fabrikanten, zur Offenen Handelsgesellschaft "Winkler & Schindler" zusammen. Dieser Zusammenschluss begünstigt den wirtschaftlichen Aufstieg der Fabrik: Von Alois Winkler kommt das Know-how, von Simon Schindler zusätzliches Kapital.

Der Betriebsgegenstand bleibt mit der Lohnfärberei von Wolle und Garn sehr eingeschränkt (die Druckerei von Garn und Stück ist nur von kurzem Bestand). Der große Wirtschaftsraum mit rd. 54 Mio. Menschen ermöglicht aber trotzdem, selbst bei gedrückten Preisen, ein erträgliches Auskommen. 

1888

Simon Schindler stirbt und seine Witwe wird abgefunden. Von da an ist die Fabrik – von den Zwangsmaßnahmen ab 1938 und der Partnerschaft mit dem ÖCI ab 1953 abgesehen – bis zu ihrer Stilllegung 1974 ausschließlich im Besitz der Familie Winkler. Der Firmenname Winkler & Schindler bleibt erhalten.

Die Färberei Winkler & Schindler. Die Familie Winkler in einer Fotografie aus dem Jahr 1890: stehend von links: die Söhne Emil, Siegfried und Arnold, Tochter Emma; sitzend von links: Sohn Hermann, Alois Winklers zweite Ehefrau N. Winkler, geb. Freysperger, Sohn Oskar, der Firmengründer Alois Winkler, die Söhne Hugo sen. und Emanuel, Tochter Pauline. © Familie Winkler
<p><b>Die Färberei Winkler & Schindler</b></p><p>Die Familie Winkler in einer Fotografie aus dem Jahr 1890: stehend von links: die Söhne Emil, Siegfried und Arnold, Tochter Emma; sitzend von links: Sohn Hermann, Alois Winklers zweite Ehefrau N. Winkler, geb. Freysperger, Sohn Oskar, der Firmengründer Alois Winkler, die Söhne Hugo sen. und Emanuel, Tochter Pauline.</p><p><i>&copy; Familie Winkler</i></p>
Die Färberei Winkler & Schindler. Ein Foto der Belegschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In der ersten Reihe sitzt der Firmengründer Alois Winkler (7. von rechts). © Familie Winkler
<p><b>Die Färberei Winkler & Schindler</b></p><p>Ein Foto der Belegschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In der ersten Reihe sitzt der Firmengründer Alois Winkler (7. von rechts).</p><p><i>&copy; Familie Winkler</i></p>
Auhofstraße 160. Die Hauptansicht der Auhofstraße 160, der Stammliegenschaft des Unternehmens. Früher war hier das Haus CNr. 326. Es gehörte bis 1874 der Familie Winkler, dann Simon Schindler und ging 1882 bzw. 1889 an Alois Winkler. Das im Bild zu sehende repräsentative Haus mit mehreren Wohnungen wurde (vermutlich 1907) für die Familie gebaut und später für Dienstwohnungen und Büros der Geschäftsleitung verwendet. Fotografiert kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. © Familie Winkler
<p><b>Auhofstraße 160</b></p><p>Die Hauptansicht der Auhofstraße 160, der Stammliegenschaft des Unternehmens. Früher war hier das Haus CNr. 326. Es gehörte bis 1874 der Familie Winkler, dann Simon Schindler und ging 1882 bzw. 1889 an Alois Winkler. Das im Bild zu sehende repräsentative Haus mit mehreren Wohnungen wurde (vermutlich 1907) für die Familie gebaut und später für Dienstwohnungen und Büros der Geschäftsleitung verwendet. Fotografiert kurz nach dem Zweiten Weltkrieg.</p><p><i>&copy; Familie Winkler</i></p>

1908

Die erste große Generationenübergabe findet statt: Der Firmengründer sowie seine Söhne Siegfried, Hermann und Arnold ziehen sich aus der Gesellschaft zurück, ihnen folgen die anderen Söhne Dr. Hugo Winkler sen. und Dr. Oskar Winkler. Die Söhne Siegfried, Hermann und Arnold gründen gemeinsam mit dem Gillet-Konzern aus Frankreich und anderen österreichischen Unternehmern die Vereinigte Wiener Seiden-Färbereien GmbH in Stadlau. 

1914

Anfang Februar fällt die Seidenfärberei einem Großbrand zum Opfer.

Im Ersten Weltkrieg wird Winkler & Schindler zum Heereslieferanten und kann mit der Konfektion von Uniformen etc. offensichtlich die kriegsbedingten Ausfälle in der Lohnfärberei ersetzen.

Die Färberei Winkler & Schindler. Ein Foto aus der Zeit, als es bei Winkler & Schindler (wahrscheinlich statt der Färberei) eine Konfektionsabteilung gab. In ihr wurden vor allem Uniformen für die Armee hergestellt. Hier ist der Nähsaal 3 zu sehen. Das Foto stammt vermutlich aus der Zeit des Ersten Weltkrieges. © Familie Winkler
<p><b>Die Färberei Winkler & Schindler</b></p><p>Ein Foto aus der Zeit, als es bei Winkler & Schindler (wahrscheinlich statt der Färberei) eine Konfektionsabteilung gab. In ihr wurden vor allem Uniformen für die Armee hergestellt. Hier ist der Nähsaal 3 zu sehen. Das Foto stammt vermutlich aus der Zeit des Ersten Weltkrieges.</p><p><i>&copy; Familie Winkler</i></p>

1918

Die Aufspaltung des geschlossenen Wirtschaftsraumes in mehrere Nationalstaaten stellt den Betrieb vor schwierige Anpassungsprobleme. Eine Weile noch läuft alles in den alten Geleisen und die Uniform-Konfektion kann den Betrieb über Wasser halten, doch eine Rückkehr zur angestammten Tätigkeit als reine Garnfärberei ist im kleinen österreichischen Wirtschaftsraum chancenlos. 

1922

Angesichts der galoppierenden Inflation der österreichischen Krone stellt Dr. Oskar Winkler die gesamte Buchhaltung von Winkler & Schindler auf Schweizer Franken um. Auf diese Weise können die inflationären Scheingewinne eliminiert werden. Mit Einführung des Schillings (1925) wird die Buchhaltung wieder auf die österreichische Währung (Schilling) umgestellt. 

1923

Die Gesellschafter entschließen sich, die Ausrüstung von Trikotstoffen in Lizenz einer Schweizer Firma als Betriebsgegenstand aufzunehmen. Der zweite Lizenznehmer ist ein mit Winkler & Schindler befreundetes Unternehmen am Zürcher See. Die Veredelung der kunstseidenen Schlauchtrikots kann jeden Qualitätsvergleich mit ausländischen Fabrikaten standhalten und ermöglicht der rasch aufblühenden Wirkerei sogar namhafte Exporte, besonders nach Großbritannien.

Im selben Jahr 1923 verlegt die Familie Winkler ihren Wohnsitz in die von Alois Uzel 1899/1900 erbaute repräsentative Familienvilla in der Kopfgasse in Hietzing. Alois Uzel war der Schwiegervater von Dr. Hugo Winkler sen. und als Schneider mit dem Titel eines k. u. k. Kammerlieferanten für Kaiser Franz Josef, Kaiserin Elisabeth, den Kaiserhof und die Aristokratie in Wien sehr erfolgreich. Der Architekt Hermann Müller hatte die Villa unter Mitarbeit von Oskar Laske sen. und Victor Fiala entworfen.

Die Wohnungen in der Auhofstraße dienen jetzt meist als Dienstwohnungen für leitende Angestellte. 

1925

Ein neuer Zoll bringt die Exporte nach Großbritannien zum Erliegen. Es beginnt wiederum eine Suche nach Ersatzartikeln. In diesen Jahren macht sich der Inhaber Dr. Oskar Winkler gemeinsam mit dem Seidenindustriellen Friedrich Tilgner um die Vereinbarung und Aufrechterhaltung des aktiven und passiven Seidenveredelungsverkehrs mit der Tschechoslowakei verdient. Der zollfreie Seidenverdelungsverkehr mit den überwiegend im nordmährischen Raum liegenden "Websälen" kommt der österreichischen Seidenstückveredelung und nach Schaffung entsprechender Einrichtungen auch Winkler & Schindler sehr zustatten. Der weltweite Seidenboom Ende der 1920er-Jahre kann damit von der österreichischen Seiden- und Veredelungsindustrie optimal genützt werden.

1930

Dr. Oskar Winkler richtet eine Konfektionsherstellung ein. Der Betrieb hat seine Zentrale in Wien 1, Fischerstiege 9. Die Leitung des Betriebes in Ober St. Veit fällt Dr. Hugo Winkler sen. nun fast zur Gänze zu. Wegen der gesundheitlichen Schwäche von Dr. Oskar Winkler wird die Konfektionsproduktion im Jahr 1930 auf Wunsch von Dr. Hugo Winkler sen. wieder aufgegeben und Dr. Oskar Winkler beschäftigt sich wieder ausschließlich mit dem Betrieb in Ober St. Veit. 

1931

Die Weltwirtschaftskrise lässt ab diesem Jahr auch bei Winkler & Schindler die Inlands- und Exportumsätze schrumpfen. Wiederum beginnt die Suche nach Ersatz.

Im gleichen Jahr stirbt Dr. Hugo Winkler sen. im Alter von 51 Jahren. Bruder Oskar übernimmt den Betrieb alleine. Da er kinderlos ist, werden Hugo Winklers Söhne Hugo jun. und Heinrich auf die Übernahme des Betriebes vorbereitet. Heinrich arbeitet bereits im Unternehmen, Hugo studiert Jus.

Dr. Oskar Winkler kann einen Teil der krisenbedingten Umsatzeinbußen durch österreichische Jerseyartikel kompensieren, die zusammen mit der Konfektion zum Exportschlager werden. Ebenso wie ein paar Jahre vorher die Seidengarnfärberei der Mode folgend durch eine Stückfärberei ersetzt worden war, wird nun Anfang der 1930er-Jahre das Färben von Wollgarnen durch Einbeziehung gewirkter und gewebter Wollstoffe erweitert. 

1932

Nach einem großen Streik mit anschließenden Massenentlassungen „ist halb Ober St. Veit arbeitslos“ (Auskunft von Herrn Johann Brennig).

Im gleichen Jahr promoviert Hugo jun. und bekommt ein Jahr "Freiheit". Er widmet dieses Jahr – neben dem Gerichtsjahr – seinen Leidenschaften Kunst und Musik. 

1933

Am 1. Mai beginnt Dr. Hugo Winkler jun. im Unternehmen, und zwar als Lehrling.

Die Färberei Winkler & Schindler. Ein Teil des hell- und dunkelblau lackierten Fuhrparks in den 1930er-Jahren mit den Chauffeuren der großen Lastkraftwagen. Sie erledigten die Transporte, insbesonders von und nach Vorarlberg. © Familie Winkler
<p><b>Die Färberei Winkler & Schindler</b></p><p>Ein Teil des hell- und dunkelblau lackierten Fuhrparks in den 1930er-Jahren mit den Chauffeuren der großen Lastkraftwagen. Sie erledigten die Transporte, insbesonders von und nach Vorarlberg.</p><p><i>&copy; Familie Winkler</i></p>

1937

Ab 16. März ist Dr. Hugo Winkler jun. für das Unternehmen zeichnungsberechtigt. Im Dezember vereinbaren Dr. Oskar Winkler und Werner Schetty (Basler Stückfärberei) einen Zusammenschluss der beiden Gesellschaften. Die Umsetzung kommt durch den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich nicht mehr zustande. 

1938

Am 15. März muss die gesamte Belegschaft unter Führung eines „NS-Einpeitschers“ (lt. Dr. Hugo Winkler jun.) auf den Heldenplatz jubeln fahren.

Am 25. April wird die Übergabe der Firma vom Onkel Dr. Oskar Winkler an seine Neffen Dr. Hugo und Heinrich vertraglich fixiert. Es steht aber noch nicht fest, ob Dr. Oskar als durch die nationalsozialistischen Rassengesetze Belasteter angesehen und ob die Transaktion als "Arisierung" des Betriebes anerkannt wird. Fürsprachen von vielen Seiten inkl. der NS-Vertreter aus der Belegschaft führen zur Genehmigung. In Erfüllung einer Auflage wird der betriebstechnische Leiter Architekt Heinrich Schopper mit Gesellschaftsvertrag vom 17. Oktober als Gesellschafter aufgenommen. Es werden allerdings weiterhin Vorwürfe erhoben und geprüft. Erst im März 1940 scheint der Fall endgültig ad acta gelegt zu werden.

Aus den durchwegs positiven Stellungnahmen von so vielen Stellen des In- und Auslandes (Kunden, Lieferanten, Verbände, Belegschaft) erfahren wir auch einiges über das Unternehmen: Es hat rund 500 Mitarbeiter, verarbeitet besonders hochwertige Materialien, unter anderem für die Weltruf genießende Wiener Krawatte, und hat einen hohen Exportanteil. 

1945

Im Frühjahr besetzt sowjetisches Militär die "kriegswichtige" Fabrik und lässt sie nun für sich arbeiten – im Gegenzug sorgt der sowjetische Kommandant für eine ausreichende Lebensmittelversorgung der Arbeiter.

Die Wiederaufnahme des Betriebes kann nur schrittweise erfolgen, denn die Anlagen sind durch acht Bombentreffer teilweise zerstört, und die Farbstoff- und Chemikalienlager sind geleert.

Dr. Oskar Winkler ist einer der Gründer der Vereinigung Österreichischer Industrieller und ist bis zu seinem Tod Vorstandsmitglied dieser Vereinigung.

Bei der Neuerrichtung der Kammern der Gewerblichen Wirtschaft (heute: Wirtschaftskammern) vertritt Dr. Oskar Winkler eine freiwillige Mitgliedschaft der Unternehmen im Gegensatz zu Ing. Julius Raab, der eine Zwangsmitgliedschaft befürwortet. Ing. Raab setzt sich durch und die Pflichtmitgliedschaft der Gewerbebetriebe bei den Kammern der Gewerblichen Wirtschaft wird festgelegt.

Nach dem Ende der kriegswirtschaftlichen Fertigungen knüpft das Unternehmen an seine Vorkriegstätigkeit an. Das Färben und die Appretur von Stoffen bleiben der wesentliche Unternehmensgegenstand. Die diesbezüglichen Lohnarbeiten werden jetzt hauptsächlich für inländische Kunden, mit hohem Anteil der Vorarlberger Textilindustrie, durchgeführt.

Die Färberei Winkler & Schindler. Ein Foto aus dem Jahr 1945. Die Übersetzung der Eintragung auf der Rückseite lautet: "Ein Erinnerungsgeschenk an den Chef der Färberei für die Zeit der gemeinsamen Arbeit in der Fabrik. Leutnant Bozhin 19.6.1945". Hintergrund war, dass eines Tages ein Offizier (vielleicht der erwähnte Leutnant Bozhin) der russischen Besatzungstruppen – die für den 13. Bezirk vorgesehenen Engländer waren noch nicht im Bezirk eingerückt – Stoffballen zu Dr. Oskar Winkler brachte. Diese sollten für die russische Militärverwaltung dunkelblau („temnosinijy“) gefärbt werden. Die Stoffe waren von den russischen Truppen wahrscheinlich anderswo beschlagnahmt oder sonstwie beschafft worden. Allerdings hatte die Fabrik weder Kohle noch die weiteren notwendigen Rohstoffe (Chemikalien). Außerdem verfügte man über zuwenig Arbeitskräfte. Die russische Militärverwaltung beschaffte die Rohstoffe und stellte sie zur Verfügung. Weitere, von der Wehrmacht entlassene und zurückgekehrte Arbeiter wurden eingestellt, und die Fabrik konnte erstmals nach Kriegsende wieder produzieren (färben). Die Qualität der Rohstoffe war mittelmäßig, aber es funktionierte. Der Auftrag erfolgte vermutlich im Mai 1945 und war am 19.6.1945 offensichtlich erfüllt und übergeben. Parallel dazu wurden Aufräumarbeiten und erste Reparaturen nach den erheblichen Kriegsschäden (Bombentreffer) vorgenommen. Das Foto mit der Belegschaft der Fabrik zeigt Dr. Hugo Winkler (3. von links in der 1. Reihe sitzend) und rechts neben ihm Dr. Oskar Winkler. Anschließend zwei russische Soldaten, von denen einer Leutnant Bozhin sein muss. © Familie Winkler
<p><b>Die Färberei Winkler & Schindler</b></p><p>Ein Foto aus dem Jahr 1945. Die Übersetzung der Eintragung auf der Rückseite lautet: "Ein Erinnerungsgeschenk an den Chef der Färberei für die Zeit der gemeinsamen Arbeit in der Fabrik. Leutnant Bozhin 19.6.1945". Hintergrund war, dass eines Tages ein Offizier (vielleicht der erwähnte Leutnant Bozhin) der russischen Besatzungstruppen – die für den 13. Bezirk vorgesehenen Engländer waren noch nicht im Bezirk eingerückt – Stoffballen zu Dr. Oskar Winkler brachte. Diese sollten für die russische Militärverwaltung dunkelblau („temnosinijy“) gefärbt werden. Die Stoffe waren von den russischen Truppen wahrscheinlich anderswo beschlagnahmt oder sonstwie beschafft worden. Allerdings hatte die Fabrik weder Kohle noch die weiteren notwendigen Rohstoffe (Chemikalien). Außerdem verfügte man über zuwenig Arbeitskräfte. Die russische Militärverwaltung beschaffte die Rohstoffe und stellte sie zur Verfügung. Weitere, von der Wehrmacht entlassene und zurückgekehrte Arbeiter wurden eingestellt, und die Fabrik konnte erstmals nach Kriegsende wieder produzieren (färben). Die Qualität der Rohstoffe war mittelmäßig, aber es funktionierte. Der Auftrag erfolgte vermutlich im Mai 1945 und war am 19.6.1945 offensichtlich erfüllt und übergeben. Parallel dazu wurden Aufräumarbeiten und erste Reparaturen nach den erheblichen Kriegsschäden (Bombentreffer) vorgenommen. Das Foto mit der Belegschaft der Fabrik zeigt Dr. Hugo Winkler (3. von links in der 1. Reihe sitzend) und rechts neben ihm Dr. Oskar Winkler. Anschließend zwei russische Soldaten, von denen einer Leutnant Bozhin sein muss.</p><p><i>&copy; Familie Winkler</i></p>

1947

Dr. Oskar Winkler vereinbart das erste Kompensationsgeschäft der Zweiten Republik: Wegen Devisenmangels können die österreichischen Textilveredelungsunternehmen keine Farben von den Schweizer Herstellern (Ciba, Geigy, Sandoz) anschaffen (die deutschen Farbenhersteller – die IG Farben – sind nicht in der Lage zu liefern). Dr. Oskar Winkler vereinbart mit dem Edelstahlhersteller Böhler und der Kabelwerke Brugg AG in Brugg, Schweiz, die Lieferung von Stahldraht zur Herstellung von Stahlseilen von Böhler an die Kabelwerke Brugg AG und im Gegenzug die Lieferung von Farben für die österreichische Textilveredelungsindustrie. Der Kaufpreis für den Stahldraht wird von der Kabelwerke Brugg AG an die Farbenhersteller in Basel gezahlt, während der Kaufpreis für die Farben von den österreichischen Veredelungsbetrieben an die Stahlwerke Böhler geleistet wird. Auf diese Weise kann die österreichische Veredelungsindustrie auch ohne Zuteilung von Devisen durch die Österreichische Nationalbank Farben von den Schweizer Farbenherstellern ankaufen. 

1949

Im Compass scheint Dr. Oskar Winkler wieder als Inhaber der Firma auf und Dr. Hugo Winkler als Prokurist. 

1950

Dr. Hugo Winkler jun. übernimmt die Leitung des Unternehmens und hat sie bis zur Betriebsschließung 1974 inne. Er heiratet Ingrid Stockert in Wien. Oskar jun. wird 1959 geboren. 

1951

In diesem Jahr sind die letzten Kriegsschäden beseitigt. Alle weiteren Investitionen sollen den Betrieb an die rasante Entwicklung der modernen Textilfaser anpassen.

Versuche einer vertikalen Diversifikation in den Konfektionsbereich in Zusammenarbeit mit namhaften Unternehmen der Textilbranche hat es schon vor dem Krieg gegeben und gibt es auch nach dem Krieg, z. B. 1972 mit der Vöslauer Kammgarn. Sie haben aber nie ein operativ nennenswertes Stadium erreicht.

Die Färberei Winkler & Schindler. Der Turmbau in den ersten 1950er-Jahren, von der Auhofstraße aus fotografiert. Noch stand der alte Schlot. Bauausführendes Unternehmen war Hofman & Maculan. © Familie Winkler
<p><b>Die Färberei Winkler & Schindler</b></p><p>Der Turmbau in den ersten 1950er-Jahren, von der Auhofstraße aus fotografiert. Noch stand der alte Schlot. Bauausführendes Unternehmen war Hofman & Maculan.</p><p><i>&copy; Familie Winkler</i></p>
Die Färberei Winkler & Schindler. Der Bau des neuen Turmtraktes Anfang der 1950er-Jahre, vom Rohbau des Turmes hinabfotografiert. Daneben ist ein Teil der Fabriksanlagen zu sehen. © Familie Winkler
<p><b>Die Färberei Winkler & Schindler</b></p><p>Der Bau des neuen Turmtraktes Anfang der 1950er-Jahre, vom Rohbau des Turmes hinabfotografiert. Daneben ist ein Teil der Fabriksanlagen zu sehen.</p><p><i>&copy; Familie Winkler</i></p>

1952

Der Einzug der Pummerin im April wird bereits vom neuen, vor Kurzem errichteten Turm aus beobachtet. Dieser markante Turm ist eine aufwendige Filteranlage mit Rückgewinnung der Energie der Abgase (Economizer) und hat den alten Schlot ersetzt.

Dr. Oskar Winkler hat maßgeblichen Einfluss auf die Ernennung von Prof. Reinhard Kamitz zum Finanzminister der Republik Österreich. Dr. Oskar Winkler ist eine der maßgebenden Personen, mit denen Prof. Kamitz die wichtigsten politischen Maßnahmen, die große Bedeutung für den österreichischen Wiederaufbau haben, diskutiert. Die beiden sind auch freundschaftlich verbunden. Dr. Oskar Winkler wird wegen seiner hervorragenden Kenntnisse der Nationalökonomie in den Generalrat der Österreichischen Nationalbank berufen. Er korrespondiert mit führenden Nationalökonomen wie etwa mit Prof. Wilhelm Röpke. 

1953

Die Österreichisches Credit-Institut AG (ÖCI, später fusioniert mit der Girozentrale AG, die in der Folge mit der Erste Bank der Österreichischen Sparkassen-AG fusioniert wird) erwirbt eine Beteiligung von 25% an Winkler & Schindler. Diese Beteiligung besteht bis zur Stilllegung des Betriebes. 

1958

Heinrich Winkler heiratet Erika Schlusche in Wien. Heinrich jun. wird 1959 geboren. 

1961

Dr. Oskar Winkler stirbt im 80. Lebensjahr. Über die Tätigkeit für sein Unternehmen hinaus hatte er zahlreiche andere Funktionen in Österreichs Wirtschaft erfüllt und war maßgeblich am Wiederaufbau Österreichs nach dem 2. Weltkrieg beteiligt. Seine Stimme war von Gewicht.

Im selben Jahr wird der Winkler & Schindler KG das Staatswappen verliehen. Das Unternehmen beschäftigt 800 Mitarbeiter und verfügt über einen eigenen Fußballclub, den FC Winkler & Schindler. 

1963

Die Winkler & Schindler Unterstützungseinrichtungs-Ges.m.b.H. wird gegründet und übernimmt die Verpflichtung zur Zahlung freiwilliger lebenslanger Zusatzpensionen an Arbeiter, die langjährig im Unternehmen beschäftigt waren.

Die Färberei Winkler & Schindler. Dr. Hugo Winkler während der Feier zum 100-jährigen Bestehen des Unternehmens am 11. 10. 1963. © Familie Winkler
<p><b>Die Färberei Winkler & Schindler</b></p><p>Dr. Hugo Winkler während der Feier zum 100-jährigen Bestehen des Unternehmens am 11. 10. 1963.</p><p><i>&copy; Familie Winkler</i></p>
Die Färberei Winkler & Schindler. Ein Foto aus dem Jahr 1964 mit Blick vom 2. Tor in der Auhofstraße gegen die alte Abkocherei (links vorne, wird gerade demoliert) und die Brücke mit der „Haas-Hänge“ (eine Trockenanlage). Vorne rechts ist ein Teil der ebenfalls 1964 zur Hälfte abgetragenen „Hickel-Villa“ mit Labor und Personalbüro sichtbar. Rechts oben im Hintergrund erhebt sich die alte Seidenappretur. © Familie Winkler
<p><b>Die Färberei Winkler & Schindler</b></p><p>Ein Foto aus dem Jahr 1964 mit Blick vom 2. Tor in der Auhofstraße gegen die alte Abkocherei (links vorne, wird gerade demoliert) und die Brücke mit der „Haas-Hänge“ (eine Trockenanlage). Vorne rechts ist ein Teil der ebenfalls 1964 zur Hälfte abgetragenen „Hickel-Villa“ mit Labor und Personalbüro sichtbar. Rechts oben im Hintergrund erhebt sich die alte Seidenappretur.</p><p><i>&copy; Familie Winkler</i></p>

1968

Winkler & Schindler bietet in Stellenanzeigen noch „sichere Lebensstellungen“ an – zweifellos in gutem Glauben, aber die Veränderungen des Marktes und der Umweltschutz führen zu einem nicht mehr leistbaren Investitionsbedarf. 

1971

Dr. Hugo Winkler vereinbart mit Dr. Robert Thyll-Dürr (Mehrheitsaktionär der Vereinigten Färbereien AG, heute Linz Textil AG) die Fusion von Winkler & Schindler mit der Vereinigten Färbereien AG. Kurz nach der Vereinbarung stirbt Dr. Thyll-Dürr. Der unerwartete Tod bewirkt, dass die Fusion nicht umgesetzt wird. 

1972

Dr. Hugo Winkler führt Gespräche mit dem Bankhaus Schoeller über die Fusion von Winkler & Schindler mit der AG der Vöslauer Kammgarn-Fabrik. Trotz grundsätzlicher Zustimmung bewirken die Detailverhandlungen, dass einvernehmlich von der Realisierung des Vorhabens Abstand genommen wird. 

1973

Während der Energiekrise wird der Brennstoffbedarf des Betriebes (Tagesverbrauch 30 t Heizöl schwer) durch tägliche Tanklasttransporte aus Ingolstadt/Deutschland gedeckt. Nach Normalisierung der Situation erfolgt die Versorgung wieder aus österreichischen Quellen.

Die Färberei Winkler & Schindler. Ein stimmungsvolles Foto aus der Auhofstraße Anfang der 1970er-Jahre. Die Autos gehörten Mitarbeitern von Winkler & Schindler, der VW-Käfer ganz links Herrn Prokurist Lhotka (Finanzen). Hinter der stilvollen Häuserfront dehnte sich das große Fabriksgelände aus. © Familie Winkler
<p><b>Die Färberei Winkler & Schindler</b></p><p>Ein stimmungsvolles Foto aus der Auhofstraße Anfang der 1970er-Jahre. Die Autos gehörten Mitarbeitern von Winkler & Schindler, der VW-Käfer ganz links Herrn Prokurist Lhotka (Finanzen). Hinter der stilvollen Häuserfront dehnte sich das große Fabriksgelände aus.</p><p><i>&copy; Familie Winkler</i></p>
Die Färberei Winkler & Schindler. Ein Foto aus den 1970er-Jahren vom Turm herab über die Fabriksanlagen nach Westen. © Familie Winkler
<p><b>Die Färberei Winkler & Schindler</b></p><p>Ein Foto aus den 1970er-Jahren vom Turm herab über die Fabriksanlagen nach Westen.</p><p><i>&copy; Familie Winkler</i></p>
Die Färberei Winkler & Schindler. Die zuletzt (1972 – 2 Jahre vor Betriebsschluss) gekauften Henriksen-Jet-Färbemaschinen zur Ergänzung des Maschinenparks. Sie hatten einen Durchmesser von knapp unter 3 Metern. Mit diesen Geräten wurden die aus synthetischen Materialien gefertigten Stoffe nach modernsten Methoden behandelt. An der Entwicklung der dafür notwendigen besonderen Farbrezepturen hatte Herr Dr. Hugo Winkler maßgeblichen Anteil. Die beiden sichtbaren Öffnungen dienten der Warenzuführung und -entleerung der Maschinen. Die zusammengeballten Stoffe rotierten im Farbgemisch innerhalb des kreisförmigen Rohrsystems. © Familie Winkler
<p><b>Die Färberei Winkler & Schindler</b></p><p>Die zuletzt (1972 – 2 Jahre vor Betriebsschluss) gekauften Henriksen-Jet-Färbemaschinen zur Ergänzung des Maschinenparks. Sie hatten einen Durchmesser von knapp unter 3 Metern. Mit diesen Geräten wurden die aus synthetischen Materialien gefertigten Stoffe nach modernsten Methoden behandelt. An der Entwicklung der dafür notwendigen besonderen Farbrezepturen hatte Herr Dr. Hugo Winkler maßgeblichen Anteil. Die beiden sichtbaren Öffnungen dienten der Warenzuführung und -entleerung der Maschinen. Die zusammengeballten Stoffe rotierten im Farbgemisch innerhalb des kreisförmigen Rohrsystems.</p><p><i>&copy; Familie Winkler</i></p>

1974

Die Eigentümer entschließen sich zur Stilllegung des Betriebes. Die vorhandenen Aufträge werden soweit als möglich erfüllt.

Über 60 langjährigen Arbeitern werden aus der Winkler & Schindler Unterstützungseinrichtungs-Ges.m.b.H. lebenslang freiwillige Zusatzpensionen ausbezahlt. Teilweise sind sie durch eine Pensionsrückstellung gedeckt; nach deren Verbrauch ergänzt Dr. Hugo Winkler aus seinem Privatvermögen. 

1976

Im Dezember wird mit dem fünften und modernsten Spannrahmen des Herstellers Krantz in Aachen die letzte Maschine Richtung Karachi abtransportiert. In wochenlanger Arbeit wird die Maschine von Technikern des Herstellers in seine Teile zerlegt, für den Seetransport vorbereitet, in Kisten verpackt und in Triest verschifft. Der Verkaufspreis beträgt zwischen ATS 600.000 und 700.000. 

1978

Von der Auhofstraße Nr. 152 bis 166 werden sämtliche Gebäude abgebrochen und in weiterer Folge eine große Wohnhausanlage errichtet.

Die Färberei Winkler & Schindler. Ein Foto vom Abbruch der Fabriksanlagen 1978. © Familie Winkler
<p><b>Die Färberei Winkler & Schindler</b></p><p>Ein Foto vom Abbruch der Fabriksanlagen 1978.</p><p><i>&copy; Familie Winkler</i></p>

1993

Es werden noch 30 Firmenpensionen bezahlt. 

1998

Die Winkler & Schindler KG wird im Firmenbuch gelöscht. 

2007

Der letzte Pensionsbezieher der ehemaligen Firma Winkler & Schindler stirbt.

Die Färberei Winkler & Schindler. Bezirksvorsteher Dipl.-Ing. Heinz Gerstbach gratuliert Dr. Hugo Winkler im Jahr 2009 zum 100. Geburtstag. © Familie Winkler
<p><b>Die Färberei Winkler & Schindler</b></p><p>Bezirksvorsteher Dipl.-Ing. Heinz Gerstbach gratuliert Dr. Hugo Winkler im Jahr 2009 zum 100. Geburtstag.</p><p><i>&copy; Familie Winkler</i></p>

2009

Am 1. November schließt mit Dr. Hugo Winkler auch der letzte Industrielle Ober St. Veits im 101. Lebensjahr für immer seine Augen.

Quellen:
100 Jahre Winkler & Schindler. Sonderdruck eines Beitrages von Herbert Krejci in der Zeitschrift „Die Industrie“ Nr. 41 vom 11. 10. 1963.
Klötzl, Gebhard: Die Fabriken des Wientales (13. und 14. Bezirk), in: Penzinger Museumsblätter, Heft 61. Hg. v. Museumsverein Penzing, 2004.
Eigentumsänderungen in der österreichischen Industrie 1938–1945, Branchen- und Falldarstellungen. Historikerkommission (Hg.): Ulrike Felber, Peter Melichar, Markus Priller, Berthold Unfried, Fritz Weber, Wien 2002.
Who’s Who in Austria 1957/58.
Auskünfte erteilten: Familie Winkler, Johann Brennig (Ober St. Veiter), Heinrich Lhotka (ehemaliger Prokurist des Unternehmens).
Dieser Beitrag wurde aus dem Buch "Holzapfel, Josef: Historisches Ober St. Veit. Handwerks-, Gewerbe- und Vereinsgeschichte" auf diese Plattform übertragen.

hojos
Übertragen im Oktober 2010