Maria Theresia und das Schloss Ober St. Veit
Eine Zusammenstellung von Dr. Gebhard Klötzl
03.03.2021
Vorbemerkung
Im Mai 2020 trat die Direktorin der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, die aus Hietzing gebürtige Frau Dipl.-Ing. Brigitte Mang, an das Bezirksmuseum Hietzing mit Fragen zu den Querverbindungen zwischen den Schlössern Schönbrunn und Ober St. Veit heran, da Ober St. Veit von 1762 bis 1779 im kaiserlichen Hofeigentum stand. Eine der Fragen war, wann und wie oft sich Kaiserin Maria Theresia eigentlich im Schloss Ober St. Veit aufgehalten hatte. Einzelne in der Literatur bzw. im „Wienerischen Diarium“ berichtete Besuche der Herrscherin wurden von Frau Dipl.-Ing. Mang bereits aufgespürt, aber mit der Frage insgesamt traf sie punktgenau eine der großen Wissenslücken in der Bezirksgeschichte. Das Bezirksmuseum gab die Sache an den Bezirkshistoriker Dr. Gebhard Klötzl weiter, für den es ein willkommener Anlass war, dieser nicht zum ersten Mal gestellten Frage nachzuspüren. Zu diesem Zweck erfolgte eine Auswertung der sogenannten „Hofzeremonialprotokolle“, das ist eine Art Tagebuch, in welchem das Obersthofmeisteramt nahezu täglich alles Tun des Allerhöchsten Hofes aufzeichnete. Das Haus-, Hof- und Staatsarchiv, das diese Protokolle verwahrt, hat diese vor einigen Jahren online gestellt – die Auswertung war daher nicht durch die coronabedingten Archivsperren behindert. www.1133.at kann somit den folgenden, vollständigen Überblick über alle noch quellenmäßig eruierbaren Besuche Maria Theresias im Ober St. Veiter Schloss präsentieren.
Besuche vor 1762
Vor 1762 stand das Schloss noch in erzbischöflichem Besitz, und Maria Theresia besuchte dieses mehrfach als Gast des Erzbischofs:
- Am 15. Juni 1741 begab sich Maria Theresia gemeinsam mit ihrem Gemahl Franz Stephan und Gefolge auf Einladung des Erzbischofs anlässlich des Vituspatroziniums nach Ober St. Veit. Von der Hofburg fuhr man gegen 10.00 Uhr vorerst nach Maria Hietzing zu einer heiligen Messe und von dort nach Ober St. Veit. Zum Mittagessen wurden sie, schreibt das Zeremonialprotokoll, vom Erzbischof „auf das herrlichste tractiret“. Am Nachmittag kamen noch die Erzherzoginnen Maria Anna und Maria Magdalena nach. Während Franz Stephan und sein Bruder Carl sich nach dem Essen „in der Gegend Burkerstorf mit der Hirschen=Birsch belustiget“, sah Maria Theresia „aus dem Schloß dem von denen aldortigen Hauer=Burschen gehaltenen Schwert=Tanz zu“. Das berichtete das Wiennerische Diarium zwei Tage später. Abends kehrte man zurück – es war also, wie auch alle späteren Besuche, nur ein Tagesausflug.
- Für einen Besuch am 22. Oktober 1743 gibt es gleich drei Quellen, das „Diarium“, das Tagebuch des Fürsten Khevenhüller-Metsch und das Zeremonialprotokoll. Erzbischof Kollonitsch inszenierte diesen Besuch als opulentes Fest. Der Bericht darüber in den Zeremonialprotokollen ist derart ausführlich, dass er hier nur gekürzt wiedergegeben werden kann:
„Beliebten Ihre königl. Mayt. mit dero Durchlauchtigsten Frauen Schwester, der Erzhertzogin Maria Anna, und Ihro Königlichen Hoheit (=Sohn Josef, Anm.) samt einem kleinen, eigens dazu benannten Hofstaat, nach vorhero beschehender geziemender Einladung nach St. Veit, ein dem hiesigen H. Cardinalem Erz=Bischoffen zugehörigen Lust=Schloß zu begeben, allwo Allerhöchst dieselben um halb 1 Uhr Mittags, unter Abfeuerung einiger Pöller, und Doppelhacken (= Musketen, Anm.), wie auch unter Anstimmung einer Wein=Lese=Musik bei freudigstem Jubelgeschrei des häufig versammelten Volkes eintrafen und am Wagen von dem H. Cardinalen Erzbischoffen empfangen, sodann in die Zimmer bedienet und mit einem prächtigen Mittagsmahl tractiret wurden, wobey das Confect besonders sehenswürdig war. Nach vollendeter Mittagsmahlzeit bereiteten sich die Allerhöchsten Herrschaften … zu der innerhalb der Gartenmauern befindlichen Lesen (=Weinlese, Anm.) allwohin sie mit der oberwehnten Musik begleitet wurden. Nachdem dieses vorbey war, so begaben sie sich in die Zimmer, und wurden mit einem schönen Musik=Conzert bedienet, worauf Ihro Mayt. die Königin den Tanz eröffnete, welcher bis nach 9 Uhr abends dauerte. Während der Zeit, als es finster zu werden begann, ist der Garten auf das angenehmste und zierlichste mit vielen 1000 Lampen illuminiert worden. Wie nun der Tanz geendiget war, beliebte Ihro Mayt. einem Taschenspiel zuzusehen, wonach man das Abendmahl … einnahm, nach welchem gegen halb 11 Uhren die Allerhöchste Herrschaft unter mehrmaliger Abfeuerung derer Pöller und Doppelhacken bei einer von etlich 100 Pechflammen eigens bis Schönbrunn gemachter Beleuchtung dahin zurückgekehrt…“
- Am 22. August 1745 gab es einen gänzlich anderen Anlass für einen Besuch der Herrscherin: Die neue Ober St. Veiter Kirche war soeben fertig gestellt worden, und Maria Theresia besuchte am Vormittag dort den Gottesdienst, um die neu erbaute Kirche in Augenschein zu nehmen. Danach wurde sie laut Zeremonialprotokoll „nebst den mitgenommenen jungen Herrschaften und einer ziemlichen Anzahl von Dames und Cavaliers“ im Schloss bewirtet und fuhr anschließend wieder nach Schönbrunn zurück.
- Am 16. Juli 1753 und am 16. August 1758 gab es laut den Tagebüchern des Fürsten Khevenhüller-Metsch ebenfalls Besuche im Schloss. Die Zeremonialprotokolle dieser Tages wissen davon nichts, sondern berichten für den 16. Juli 1753 nur von einem Aufenthalt in Schönbrunn mit Eidesablegungen hoher Hofbediensteter. Die Tagebücher des Fürsten aber vermerken für diesen Tag, wenn auch lapidar: „Den 16. (Juli, Anm.) speisten Ihre Majestäten en petite Compagnie bei dem Herrn Erzbischof zu St. Veit.“ Für den 16. August 1758 berichtet das Zeremonialprotokoll nur von einer Ausfahrt der Herrscherin in die Rochuskirche auf der Landstraßer Hauptstraße. Im Tagebuch Khevenhüller steht dazu etwas ausführlicher „…fuhren Ihre Majestäten auf die Landstraße zum Hochamt wegen des St. Rochi-Fests und überfielen dann auf Mittag den Ertzbischoffen zu St. Veit, welcher sich dessen gar nicht versehen und nur eine ganz kleine Compagnie geladen hatte.“
Besuche nach 1762
Erst am 17. Mai 1765 findet sich in den Zeremonialprotokollen wieder ein Bericht über einen kaiserlichen Besuch im Schloss: „…begaben sich die allerhöchsten und höchsten Herrschaften nach dem k.k. Lustschloß St. Veit, allwo in allerhöchst dero Gegenwart die eheliche Einsegnung des k.k. Kammer Fräuln Freyin Gabriella von Reischach mit dem wirkl. Geheimen Rath, und Feldmarschall Lieutenant auch nunmehrigen Obersten Kämmerer Sr. Majestät des Kaisers in Toscana Herrn Franzen Grafen von Thun von dem HH. Cardinalen Erzbischofen in Beyseyn des Hof- und Burg Pfarrers vor sich ginge, und hiernach M(ittagessen) an einer Tafel von etlich 30 Couverts eingenommen wurde.“
Als das Schloss schon im kaiserlichen Hofeigentum stand, ist die Bilanz der kaiserlichen Besuche also äußerst dürftig, und bestand nur aus genau dem einen Besuch am 17. Mai 1765. Die übrige Zeit war das Schloss wohl weitestgehend unbenützt. Das im Schloss wohnhafte Personal bestand aus dem noch aus erzbischöflichen Diensten übernommenen, mindestens bis 1775 dienenden Gärtner Anton Mayer und einem ihm unterstellten Zimmerwärter. Unterhalb, im heute nicht mehr bestehenden Meierhof (=heute Pfarrhof) amtierte der kaiserliche Grundherrschaftsverwalter. Die beiden Schlossbediensteten müssen, wie man heute salopp sagen würde, eine sehr „ruhige Kugel geschoben“ haben. Ein Zimmerwärter namens Moritz Leopold stellte mit Erlaubnis des Gärtners im Schlosspark private Bienenstöcke auf und bekam dann offenbar ein schlechtes Gewissen, das ihn dazu trieb, um die allerhöchste Erlaubnis für seine Bienenstöcke anzusuchen. Er erhielt die schroffe Antwort „die Hofcommission findet dieses Begehren sehr ungereim“ und man befahl ihm, die Bienenstöcke sofort zu entfernen, „da sie in einem k.k. Lust- und Hofgarten nichts verloren hätten“.
Das Schloss war wohl, wie man aus heutiger Perspektive sagen muss, mangels Nutzung ein unwirtschaftlicher Luxus. 1778 ging die Verwaltung des Schlosses vom Obersthofmeisteramt (einer Hofbehörde) an die Hofkammer (eine Staatsbehörde, Vorläufer des heutigen Finanzministeriums) über. Diese erkannte offenbar die Unwirtschaftlichkeit und durchleuchtete insbesondere die mit dem Schloss verbundene Grundherrschaft St. Veit. So entdeckte man, das seit 1776 ein unfähiger Verwalter namens Marcellus Nachbauer, ein ausgedienter Rechnungsoffizier der Armee, diese wirtschaftlich zugrunde gerichtet hatte. Nachbauer hatte schlampig und schwer defizitär gewirtschaftet, verabsäumt, die Steuern ordentlich einzuziehen, Mündelgelder veruntreut, u.a.m. Eine kaiserliche Kommission versuchte mit viel Mühe, die Buchhaltung in Ordnung zu bringen – nur mit teilweisem Erfolg. Der Verwalter Nachbauer wurde entlassen und er wurde in einem Schadenersatzprozess zur Rückzahlung des verschwundenen Geldes verurteilt. Es waren wohl die Finanzleute der Hofkammer, die unter diesen Umständen die Initiative ergriffen, das ungenützte, ja aus staatlich-kaiserlicher Sicht unnötige Schloss St. Veit samt seiner heruntergewirtschafteten Herrschaft schnellstens zu verkaufen, was Ende 1779 von Maria Theresia genehmigt wurde und dann raschestens geschah.