Die Rothschild-Stiftung und das Neurologische Krankenhaus Rosenhügel
Ein Beitrag von Heinz Gerstbach
10.04.2020
Die Familie Rothschild
Der Stammbaum der jüdischen Familie Rothschild reicht bis Uri in der Schweiz um 1500 zurück. Der Name „Rothschild“ entstand im 17. Jahrhundert in Frankfurt am Main. Dort wurde 1744 im Frankfurter Ghetto in ärmlichsten Verhältnissen Meyer Amschel Rothschild geboren. Ohne dass es damals vorstellbar war, sollte er zum Stammvater einer der bedeutendsten und reichsten Familien Europas werden.
Roman Sandgruber hat in seinem Werk „Rothschild – Glanz und Untergang des Wiener Welthauses“ (Molden-Verlag, 2018) die Geschichte der Familie und vor allem des Wiener Zweiges eindrucksvoll beschrieben.
Der Beginn der Geschäftstätigkeit von Meyer Amschel als 11-jähriger war ein Münzhandel, sein Weg führte nach ersten Bank- und Wechselgeschäften über die Tätigkeit im Hannoveraner Bankhaus Oppenheim zur eigenen Bank.
1810 gründete er mit seinen fünf Söhnen in Frankfurt die Firma „Meyer Amschel Rothschild & Söhne“ mit Niederlassungen in London, Neapel, Paris und Wien (später wurde der Name nur mehr ´Mayer´ geschrieben. Seine fünf Söhne gründeten in diesen Ländern Familien, die Frankfurter, Londoner, Neapolitaner, Pariser und (durch Salomon Mayer Rothschild) die Wiener Rothschild-Linie. Die letztere wird für Hietzing eine große Bedeutung erlangen.
Im Buch von R. Sandgruber ist der Stammbaum der Wiener Linie enthalten. Der „Wiener“ Enkel des Stammvaters war Anselm Salomon, als Eigentümer der Credit-Anstalt einer der reichsten Männer Österreichs, aber auch ein wichtiger Financier staatlicher Projekte wie des Eisenbahnbaues. Durch seine Verdienste wurde er geadelt und war als Angehöriger der altösterreichischen jüdischen Familie Rothschild eine wichtige Persönlichkeit Österreichs.
Zwei seiner Söhne waren für unser Gebiet bedeutsam, Nathaniel und Albert. Nathaniel war der ältere der Brüder, hatte aber für Bankgeschäfte weniger übrig und widmete sich eher den Künsten und sozialen Dingen. Albert war im Gegensatz zu seinem Bruder der Geschäftsmann. Beide waren nicht nur reich sondern auch sehr sozial eingestellt. Das war generell auch weiter ein Kennzeichen der Familie Rothschild.
Die Rothschild-Stiftung
Das heutige Neurologische Spital wurde aufgrund des Testamentes des sehr begüterten und sozial denkenden Nathaniel Freiherr von Rothschild (1836 – 1905) gegründet, der offensichtlich die neurologischen Probleme der damaligen Bevölkerung kannte und dagegen etwas tun wollte. Am 13. Juni 1905 verstarb er kinderlos in Wien.
In seinem Testament bestimmte er ein Kapital von 20 Millionen Kronen zur Errichtung einer Stiftung, die den Namen „Nathaniel Freiherr von Rothschild´sche Stiftung für Nervenkranke“ tragen sollte, aus deren Erträgnissen Nervenanstalten zur Unterstützung mittelloser Österreicher ohne Rücksicht auf Nationalität, politische Richtung und Konfession, die unter psychischen und neurologischen Problemen leiden, errichtet und erhalten werden sollten. Zu den „Österreichern“ heißt es im Stiftungsstatut konkret „mittellose Nervenkranke österreichischer Staatsbürgerschaft“. Dazu ist anzumerken, dass der Text aus der Monarchie des Jahres 1907 stammt und es zahlreiche offizielle Nationalitäten gab.
Sein Bruder Albert Freiherr von Rothschild (1844 – 1911), Universalerbe und Nachlassverwalter, konstituierte 1907 ein Kuratorium von 12 Persönlichkeiten unter seinem Vorsitz, dem unter anderen bekannte Persönlichkeiten wie Prof. Dr. Julius Wagner-Jauregg und der Wiener Magistratsdirektor und spätere Bürgermeister Dr. Richard Weisskirchner angehörten.
Mit dem Kapital wurden zwei Krankenanstalten errichtet, die „Nathaniel Freiherr von Rothschild Stiftung Rosenhügel“ (Eröffnung 1912) und das „Maria-Theresien-Schlössel“ in Döbling (1914).
Für das Spital am Rosenhügel mussten vorher einige Hindernisse überwunden werden. Das gewählte Gebiet (ca. 24 ha) lag im Gemeindegebiet von Mauer bei Wien, damals noch in Niederösterreich, aber in unmittelbarer Nähe der Grenze zu Wien am südlichen Abhang des Rosenberges bei Speising. Da wegen der Infrastruktur (Wasser- und Kanalanschlüsse) die Eingliederung des Gebietes nach Wien gewünscht wurde, erfolgten nach dem Abschluss des Kaufes der Flächen von den bisherigen Grundeigentümern die Verhandlungen über die Gebietsänderung zwischen Wien und Mauer sowie über den notwendigen niederösterreichischen Landtagsbeschluss, der am 6. Juli 1910 erfolgte. Dieses Gebiet wurde dem 13. Bezirk angeschlossen.
Gottfried Roth schreibt im Artikel „Das neurologische Krankenhaus Wien-Rosenhügel im Wandel der Zeit“ in „80 Jahre Rothschild Stiftung“ (1992), dass am 12. Juni 1910 die kaiserlich-königliche niederösterreichische Statthalterei dem Kuratorium die Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer Nervenheilanstalt erteilt hat. Nach diesen positiven Ergebnissen konnte mit dem Bau der Anlage begonnen werden. Im Buch von Ruth Koblizek und Gernot Schnaberth „Neurologie Rosenhügel – Rothschildstiftung“ (Verein MEMO, 2002) sind alle Vorgänge und die relevanten Dokumente verzeichnet.
Trotz der tragischen Jahre des 1. Weltkrieges und der schwierigen Nachkriegszeit entwickelte sich das Krankenhaus gut. Allerdings mussten in den Satzungen der Stiftung die Probleme der Inflation der „Zwischenkriegszeit“ berücksichtigt werden. G. Roth berichtet, dass das Stiftungskapital durch die Geldentwertung zunichte gemacht worden war. Die Grundflächen und Gebäude blieben aber als Basis für die Krankenanstalten erhalten.
Allerdings mussten die Verpflegungsgebühren durch ein Übereinkommen mit den Krankenkassen mit der Höhe der Eigenkosten in Einklang gebracht werden. Zur Hebung der Frequenz wurden aus wirtschaftlichen Gründen außer den neurologisch Kranken auch Patienten mit organischen Hirn- und Rückenmarksleiden aufgenommen, womit der Fortbestand der Anstalt in finanzieller Hinsicht gesichert war. Von den Leitern der Heilanstalt wurden zahlreiche wissenschaftliche Facharbeiten mit neurologischer und psychiatrischer Thematik publiziert.
Die Zeit des Nationalsozialismus
Nach diesen trotz aller Probleme erfolgreichen Jahren kamen das berüchtigte Jahr 1938 und die nationalsozialistische Diktatur. Alles jüdische Eigentum wurde von den neuen Machthabern „arisiert“, also den Eigentümern ersatzlos abgenommen und sie selbst verfolgt und „bestenfalls“ aus dem Land gejagt. So erfolgte es auch mit der Familie Rothschild.
Dem „Chef“ der Wiener Linie Albert war sein Sohn Alfons (1878 – 1942) nachgefolgt, der rechtzeitig vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten Österreich verlassen konnte. Sein Bruder Louis (1882 – 1955) konnte für Familienangehörige noch die Flucht organisieren, er selbst wurde aber auf dem Flughafen verhaftet und war 14 Monate bei der Gestapo am Wiener Morzinplatz in Haft. Erst nachdem er und die Familie der Übergabe des Eigentums an die NS zugestimmt hatten, wurde er für ein „Lösegeld“ von 21 Millionen US-Dollar freigelassen und verließ sofort das Land.
Eine Weiterführung des Spitals war unter den neuen politischen Verhältnissen nicht möglich, das bisherige Kuratorium konnte seine Tätigkeit nicht fortsetzen. Am 19. Dezember 1938 wurde die Auflösung der Rothschild-Stiftung verfügt. Das Vermögen der beiden Spitäler der Rothschildstiftung wurde 1939 der Stadt Wien zugeordnet, die am 27. Jänner 1939 die Nervenanstalt Rosenhügel übernahm.
Auf Anordnung der Machthaber wurde 1941 vom Areal der nunmehr städtischen „Nervenheilanstalt Rosenhügel“ eine Grundfläche von mehr als 67.000 m² an die Wien-Film-GmbH abgetreten, wodurch sich das Gesamtausmaß des verbleibenden Stiftungsgrundes auf 162.382 m² verringerte.
Während des Zweiten Weltkrieges diente die Nervenanstalt als Lazarett mit 400 Betten.
Die Nachkriegszeit
Nach 1945 wurde die Krankenanstalt von der Stadt Wien weitergeführt. Sofort nach Kriegsschluss halfen gemäß dem Bericht von G. Roth alle Bediensteten, die ärgsten Kriegsschäden zu beheben. In der Folge wurden von der Gemeinde Wien viele Millionen Schilling in den Aus- und Umbau des Spitals investiert.
Mit Beschluss der Wiener Landesregierung wurde am 24. Juli 1956 die „Nathaniel Freiherr von Rothschild´sche Stiftung für Nervenkranke“ mit den beiden Institutionen Nervenheilanstalt Rosenhügel und Maria-Theresien-Schlössel in ihrer Rechtspersönlichkeit formell mit den Satzungen wiederhergestellt, wie sie am 10. März 1938 vor dem gewaltsamen „Anschluss“ bestanden haben. Es war aber nur eine theoretische Wiederherstellung ohne Restitution, denn das Eigentum wurde nicht den früheren Eigentümern zurückgegeben, sondern der Gemeinde Wien übertragen, was deren Nachkommen nunmehr als widerrechtlich ansehen.
Die Begründung für diese Maßnahme war, wie Publikationen zu entnehmen ist, dass zu diesem Zeitpunkt das frühere Kuratorium nicht mehr bestand und auch kein Kontakt mit der Stifterfamilie existierte. Interessant ist aber, dass schon 1948 auf Bundesebene die ersten Rückstellungsbescheide betreffend die Domänen Waidhofen an der Ybbs und Göstling an Louis de Rothschild erlassen wurden, später folgten manche andere für Familienmitglieder.
Als Louis Nathaniel Rothschild 1947 nach Wien zurückkehrte, beschloss er, das Wiener Bankhaus nicht mehr zu errichten. Er übergab seinen ganzen von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Immobilienbesitz nach langwierigen Verhandlungen der österreichischen Regierung unter der Bedingung, dass damit ein Pensionsfond für die ehemaligen Rothschildschen Angestellten und Pensionisten gegründet würde, was auch geschah. Dazu gibt es ein eigenes Bundesgesetz vom 10. September 1949.
Bezüglich der Rothschildstiftung geschah auch später weder eine Restitution noch gab es eine Vereinbarung mit der Stifterfamilie. Die Verwaltung und Vertretung der Stiftung wurden aufgrund des genannten Landtagsbeschlusses von der Stadt Wien übernommen und Magistratsabteilungen damit beauftragt, zunächst die MA 12. Eine Rückgabe der Stiftungsgelder und der Liegenschaften erfolgte allerdings nicht. Am 21. November 1962 wurde zwischen der MA 12 (Stiftungsverwaltung) und der rechtlich zuständigen Magistratsabteilung der Stadt Wien ein „Restitutionsvergleich“ abgeschlossen, ebenfalls ohne Rücksprache oder gar Vereinbarung mit der Familie Rothschild.
Damit überließ die „Stiftung“ der Stadt Wien die Weiterführung der beiden Nervenheilanstalten Maria-Theresien-Schlössel und Rosenhügel mit der Auflage, für deren Erhalt zu sorgen. Der Stadt wurde an beiden Liegenschaften ein Vorkaufsrecht eingeräumt. Außerdem verpflichtete sich die Stiftung (MA 12), das Benützungsverhältnis innerhalb der nächsten 50 Jahre (ab Beginn der Vertragsunterzeichnung am 5. April 1963), nicht aufzukündigen, d. h. somit bis 1. April 2013. Ob nach diesem Datum eine Kündigung erfolgte, ist nicht bekannt.
Diese Situation besteht für das Neurologische Spital am Rosenhügel.
Das Areal des Maria-Theresien-Schlössels in Döbling wurde aber inzwischen (2002) von der Stadt Wien verkauft. Die Krankenanstalt selbst, das „Neurologische Zentrum-Maria-Theresien-Schlössel“, wurde in das Otto-Wagner-Spital im 14. Bezirk verlegt. Insgesamt wurden für die drei Pavillons 3, 5 und 11 des „neuen“ Maria-Theresien-Schlössels nach der Presseaussendung der Stadt Wien vom 18.11.2002 19,2 Millionen Euro an Bau- und Errichtungskosten investiert. Überraschend war daher der Artikel „Eine Elite-Uni am Steinhof“ im Kurier vom 1. April 2020 über die Einigung zwischen Stadt Wien und der Central European University (CEU), gemäß dem das Areal ab 2025 der CEU zur Verfügung gestellt wird. Gemäß dem veröffentlichten Plan liegen auch die drei Pavillons des neuen „Maria-Theresien-Schlössels“ in dem Teil des Gebietes, und zwar in jenem, in dem sich die Unterkünfte für Studenten und Lehrpersonal befinden werden. Die dortigen 12 „baufälligen“ Pavillons wird die Stadt sanieren und an die CEU vermieten.
Über die weitere Zukunft des Maria-Theresien-Schlössels der Rothschild-Stiftung ist bisher nichts bekannt geworden.
Das Spital am Rosenhügel entwickelte sich in der Nachkriegszeit unabhängig von der rechtlichen Situation medizinisch sehr gut und hatte bald aufgrund der dort tätigen medizinischen Fachleute einen weit über Wien hinausreichenden eindrucksvollen fachlichen Ruf. Zwischenzeitlich erhielt es verschiedene Namen. Im Jahr 1966 erfolgte die Umbenennung der Nervenheilanstalt Rosenhügel in „Neurologisches Krankenhaus der Stadt Wien – Rosenhügel“.
Unter der Stadträtin Dr. Elisabeth Pittermann wurde das Krankenhaus zum Gedenken an den Stifter am 26. Oktober 2002, seinem Geburtstag, in „Nathaniel Freiherr von Rothschild´sche Stiftung für Nervenkranke – Neurologisches Zentrum der Stadt Wien“ umbenannt. Im Zuge der Neugliederung erfolgte allerdings 2006 (unter Weglassung des Namens der Stiftung) die Eingliederung in das Krankenhaus Hietzing (früher Krankenhaus Lainz, gegründet als Kaiser-Jubiläumsspital, Eröffnung 1913).
Der Verkauf des Areals des Maria-Theresien-Schlössels weckte den Verdacht auf ähnliche Verkaufsabsichten für die „Neurologie Rosenhügel“, da es solche Überlegungen schon 1980 und wieder 2007 gab, wogegen sich in beiden Fällen kritische Reaktionen erhoben.
Rückblick auf die Zeit ab 1980
Besonders die Ereignisse der Jahre 1980 und 1981 zeigen die Absichten der Stadt Wien deutlich. Denn es wurden durch sie Grundteilungen und Umwidmungen als Basis für eine spätere Errichtung von Gemeindebauten auf dem Areal der Stiftung geplant.
Die damalige Hietzinger Bezirksvorsteherin Elfi Bischof wurde auf die dem Stiftungszweck widersprechenden Planungen aufmerksam. Um diese zu verhindern, stellte sie beim Bezirksgericht Hietzing einen Antrag auf Einsetzung eines Kurators als Vertreter der Begünstigten der Stiftung, da das ursprünglich geplante Kuratorium der Stiftung (noch immer) nicht bestand. Das Bezirksgericht kam diesem Antrag nach und ernannte am 29. Juli 1981 Rechtsanwalt Dr. Michael Graff zum Kurator. Dieser Beschluss wurde gegen die Einwände der Stadt Wien sowohl durch die Rekursentscheidung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien (zweite Instanz, 23. September 1981) und auch von der dritten Instanz (Oberster Gerichtshof) am 16. Dezember 1981 bestätigt. Damit war die Mitsprache des Kurators bei allen Entscheidungen über die Stiftung gewährleistet. Das statutarisch vorgesehene Kuratorium von 12 Persönlichkeiten wurde trotz der Anträge von Kurator Dr. Michael Graff und der Hietzinger Bezirksvertretung an den Bürgermeister der Stadt Wien nicht wieder installiert.
Vom Amtsführenden Stadtrat für Personal- und Rechtsangelegenheiten wurde am 21.4.1981 zur Forderung der Hietzinger Bezirksvertretung, keine Abtrennung eines Teiles des Stiftungsgrundes für eine Wohnhausanlage vorzunehmen, mit dem Hinweis ablehnend geantwortet, dass das Grundstück erst nach der Schaffung der Stiftung erworben worden sei. Das Stiftungsvermögen sei während der NS-Zeit verloren gegangen. Da 1956 bei der Wiederherstellung der Stiftung durch die Landesregierung vom ursprünglichen Stammvermögen nichts mehr vorhanden war, habe man die Auflösung der Stiftung erwogen. Durch den Beschluss der Landesregierung 1962 wurde die Weiterführung auf Rechnung der Stadt Wien ermöglicht. Da sich der Wille des Stifters nicht auf ein bestimmtes Areal bezog, wurde dem Antrag des Bezirkes nicht Folge geleistet.
Die ursprünglich geplante Transaktion wurde weiter vorbereitet, wie ein Aktenvermerk der MA 40 an die MA 69 vom 7.7.1981 zeigt. Dennoch musste die Stadt Wien nach der Bestätigung des Kurators Dr. Graff durch den Obersten Gerichtshof und wegen dessen Anträgen, keine Abtrennung von Flächen der Stiftung für einen Wohnbau vorzunehmen, auf die geplanten Maßnahmen verzichten.
Die Geschichte der Restitutionen (Rückvergütungen) in Österreich ist auf Wikipedia (de.wikipedia.org/wiki/Restitution_Österreich) nachzulesen. Sieben Rückstellungsgesetze auf Bundesebene und die Schwierigkeiten bei der Umsetzung sind anschaulich dargestellt.
1998 wurde von Bundeskanzler Viktor Klima, dem Vizekanzler Wolfgang Schüssel und den Präsidenten des Nationalrates und des Bundesrates eine Historikerkommission eingesetzt mit dem Auftrag zur Erforschung und Berichterstattung über den gesamten Komplex Vermögenseinzug auf dem Gebiet der Republik Österreich während der NS-Zeit sowie Rückstellungen bzw. Entschädigungen (sowie wirtschaftliche und soziale Leistungen) der Republik Österreich ab 1945. Im 2003 im Internet veröffentlichten Schlussbericht, der auch im Kapitel II.2.2.1 „Jüdisches Liegenschaftsvermögen in Wien“ umfasst, wird auf jüdische Stiftungen nur allgemein eingegangen. Auch Roman Sandgruber hat in seinem Buch über die Familie Rothschild auf die besonderen Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Restitutionen hingewiesen.
Durch viele Schwierigkeiten, die bei beantragten Restitutionen auftraten, wurde auf Initiative der damaligen Bildungsministerin Elisabeth Gehrer vom Parlament das Kunstrückgabegesetz 1998 beschlossen. Durch die Öffnung der Archive für die Provenienzforschung konnte bezüglich Kunstwerken Fortschritte erzielt werden. Aber vor allem bei der Rückgabe von „arisierten“ Immobilien gab es hinhaltenden Widerstand.
In einem Kurier-Artikel vom 3. Jänner 2003 hieß es, die Stadt Wien würde die Quellen sämtlichen öffentlichen Eigentums untersuchen, die sie möglicherweise zu NS-Zeit illegal erworben hat. Der angekündigte Abschlussbericht sollte im Internet veröffentlicht werden, was bis jetzt offensichtlich nicht erfolgt ist. Im genannten Artikel über die Restitution in Österreich wird Kurt Scholz als Restitutionsbeauftragter der Stadt Wien zitiert, dass die Bilanz seiner Amtszeit von 2001 bis 2008 „durchwachsen“ war. Erfolgreich war die Rückgabe des Hakoah-Sportplatzes, bei anderen Fragen gab es keine Lösung. Die Rothschild-Stiftung war offenbar kein Thema.
2007 plante die Stadt Wien erneut Änderungen in der Struktur der Stiftung (weiterhin ohne Kontakt zur Familie), die auch diesmal zu heftigen Reaktionen und Diskussionen im Wiener Gemeinderat führten und auch in den Medien Niederschlag fanden. Im Gemeinderat kritisierte Abgeordneter Bernhard Dworak die Tendenzen der Stadt, sich an der Rothschildstiftung zu bereichern, da die zuständige Gesundheitsstadträtin schon von „beabsichtigten Nachnutzungen“ gesprochen habe. Infolge der medialen Diskussion wurden diese Absichten offenbar zurückgestellt.
2017 erfolgte vom Magistrat der Stadt Wien als „Stiftungsverwaltung“ eine wesentliche Änderung des Stiftbriefes, die zu weiterer medialer Aufmerksamkeit führte. Es bestand die Sorge, dass die Stiftung aufgelöst werden und die Grundflächen von der Stadt für andere als die von der Stiftung vorgesehenen Zwecke verwendet werden könnten. Immerhin war das Ausmaß der Stiftungsgründe am Rosenhügel von dem ursprünglichen Ausmaß von 24 ha durch die 1941 erfolgte Abtretung von 6,7 ha an die Wien-Film-Gesellschaft deutlich (um ein Drittel) reduziert worden.
Für die Nathaniel Freiherr von Rothschild´sche Stiftung für Nervenkranke gibt es im Grundbuch 01211 Rosenberg des Bezirksgerichtes Hietzing (Abfragedatum 1981-06-12) unter der Adresse Riedelgasse 5 bzw. 5–7 Eintragungen für die Grundstücke GST-NR 5/1 und mehrere kleinere Grundflächen im Gesamtausmaß von 151.511 m² (mit Vorverkaufsrecht für die Stadt Wien) und an der Speisinger Straße 115/Riedelgasse 9 (GST-NR 5/3) einen Bauplatz von 7.454 m² (mit Baurecht bis 2044 und mit Vorkaufsrecht für die Stadt Wien, EZ 20). Auf dem Gesamt-Areal der Stiftung hat die Stadt Wien seit dem Jahr 1969 Eigentumsrechte eingetragen an den Grundstücken 5/2 (26.376 m²), 5/5 (12.742 m²) und 5/4 (31.507 m² Baurechtseinlage EZ 23). Es handelt sich anscheinend um die Flächen, die 1941 an die Wien-Film-Gesellschaft abgetreten werden mussten.
Auf dem Freigelände wurden bis in die 1960er-Jahre Filme gedreht. Dort befand sich ein Filmlager, auf dessen Verpflichtung zur Abtragung im Grundbuchsauszug verwiesen wird.
Ob es zu weiteren Grundteilungen gekommen ist, kann nur aktuellen Grundbuchsauszügen entnommen werden. Nach Rechtsansicht des Magistrates haben Liegenschaftseigentümerinnen das Recht, ohne weiteres eine Grundabteilungsbewilligung zu beantragen. Ob dies aus Verwaltungsgründen erforderlich ist bzw. dem Stiftungszweck entspricht, seien allenfalls zivilrechtliche Fragestellungen.
Offensichtlich hat es kürzlich auf Antrag der Eigentümerin der EZ 1 der Kat. Gem. Rosenberg (also der durch den Magistrat vertretenen Nathaniel Freiherr von Rothschildsche Stiftung für Nervenkranke) als Grundabteilungswerberin eine neue Abteilungsbewilligung gegeben.
Bauwerke auf Stiftungsgrund
Bisher wurden auf Stiftungsgrund folgende späteren Bauwerke errichtet:
1968 wurde in der Riedelgasse 9 auf ca. 0,7 ha im Baurecht ein Personalwohnhaus mit 240 Wohneinheiten für Bedienstete der Gemeinde Wien errichtet. Nach der Schließung 2011 eröffnete in dem Gebäude eine Wohnungsloseneinrichtung des Samariterbundes.
1975 wurde im Areal des Neurologischen Krankenhauses in einem neuen Pavillon die Abteilung für entwicklungsgestörte Kinder eröffnet, die ursprünglich 1956 auf Initiative von Prim. Univ.-Prof. Dr. Andreas Rett im ehemaligen Rotlaufpavillon des Altersheimes Lainz eingerichtet worden war.
Auf der Kuppe des Areals wurden für den Bau des 1978 errichteten Pensionistenwohnhauses Rosenberg ca. 2,6 ha verwendet (nach MA 40 auf einer stadteigenen Liegenschaft EZ 15).
Die Errichtung des „Neurologischen Rehabilitationszentrums Rosenhügel in Wien“ durch die SVA im Jahr 2002 auf einer Fläche von ca. 1,3 ha fand weitgehend Zustimmung, da sie den schon den von der Stiftung ursprünglich geplanten Einrichtungen entspricht.
Problematisch bei der Änderung des Stiftbriefes 2017 war, dass der statutarisch durch die Stifterfamilie zu bestimmende Stiftungsrat formell beseitigt wurde. Er hätte alle genannten Entscheidungen beschließen müssen. Wie sich dieser Beschluss auf die Tätigkeit des gerichtlich bestellten Kurators (nach Dr. Michael Graff durch Beschluss des Bezirksgerichtes Hietzing vom 17.4.2007 Mag. Werner Suppan) auswirkt, ist unklar.
Aktuelle Entwicklung
Nunmehr hat sich 2019 überraschend ein Nachkomme der Familie Rothschild gemeldet. Geoffrey R. Hoguet ist ein Urenkel von Albert Rothschild, dem Bruder des Stifters Nathaniel Rothschild und dessen Nachlassverwalters. Er ist der Sohn von Gwendoline Charlotte Rothschild (1927 – 2012) und Roland Henry Hoguet (1920 – 1985) und lebt in den USA. Erst kürzlich hat er Informationen über die problematischen rechtlichen Umständen der Stiftung seines Vorfahren erhalten.
Anlass für seine Initiative ist auch der Umstand, dass von der Stadtverwaltung wieder Grundstücksteilungen geplant waren und auch Anträge für Baumfällungen vorliegen. Grundsätzlich kritisiert er namens der verbleibenden Erben von Albert und Nathaniel Rothschild, dass die Stadt Wien „so verfahre, als ob die nationalsozialistischen widerrechtlichen Enteignungsdekrete nach wie vor aufrecht wären“. Die Stifterfamilie sei nach Ende des 2. Weltkrieges und des Nationalsozialismus nicht für die Wiederherstellung des Kuratoriums konsultiert worden.
Sie beantragt nunmehr bei Gericht die Wiedereinsetzung des ursprünglich im Stiftbrief vorgesehenen Kuratoriums aus 12 Personen. Neun sollten von der Stifterfamilie, zwei vom Land Niederösterreich und eine von Wien benannt werden. Dagegen wehrt sich aber die Stadt Wien.
Den Wert des gesamten Stiftungsvermögens – einschließlich der inzwischen verkauften Grundstücke – beziffern die Antragssteller auf über 110 Mio. Euro.
Die erste Verhandlung am 20. Februar 2020 beim Bezirksgericht Hietzing war wohl der Start zu einem längeren Rechtsstreit.
Durch das Bundesdenkmalamt wurde die Gesamtanlage des Neurologischen Krankenhauses Rosenhügel (Objekt ID 130517) im Jahr 2019 unter Denkmalschutz gestellt, Standort Riedelgasse 5, KG Rosenberg. Im Text der Veröffentlichung des Denkmalamtes heißt es:
Das Krankenhaus ist ein System von Pavillons, die in einem parkartigen Areal fächerförmig um die Mittelachse des Direktionsgebäudes gruppiert sind. Gestiftet von Nathaniel Meyer von Rothschild, wurde es 1910–1912 teils nach Plänen von Fellner und Helmer, teils nach Plänen von Krauss und Tölk erbaut.