Wie konnte das passieren?

Die Zerstörung des Gindreau-Mausoleums auf dem Hietzinger Friedhof
27.10.2017

Am Mittwoch, den 4. Oktober 2017, brach für so manchen Kenner des Hietzinger Friedhofes eine Welt zusammen: Beim gewohnten Spaziergang fehlte etwas, das den „Charme“ dieses Friedhofes ausmachte. Es fehlte das Gindreau-Mausoleum (Gruppe 13, Nr. 1). Quasi „über Nacht“ war es dem Erdboden gleichgemacht worden.

Wie konnte das passieren? Das Mausoleum war doch mehrfach geschützt: nach dem Denkmalschutzgesetz (nach § 2a „Gesamtanlage Hietzinger Friedhof“) und nach der Wiener Bauordnung (Schutzzone nach § 7). Es rauschte auch ein wenig durch den Medienwald. Die Initiative Denkmalschutz wies nach einem privaten Hinweis als erstes darauf hin, die Bezirkszeitung und die Presse folgten mit Beiträgen (online, Print später) vom 23. bzw. 24. Oktober 2017.

Diesen Beiträgen sind folgende Fakten zu entnehmen: Das seit 1907 zum Friedhofsensemble gehörende Grab von Alphons Gindreau war unbefristet vermietet. Die ursprünglichen Nutzungsberechtigten wollten das Nutzungsrecht nicht mehr, und ein anderer Nachmieter konnte nicht gefunden werden. Das Bauwerk war baufällig, die Gemeinde Wien für eine Renovierung zu arm, und der Abbruch die vermeintlich einzige Lösung, die Friedhofsbesucher vor Schaden zu bewahren. Und wir alle, die für winzige Gräber erstaunlich hohe Mieten zahlen müssen, fragen sich: Wohin fließt das ganze Geld? In diesem Fall in die Abbruchkosten und in die „pietätvolle Exhumierung“ der Familie Gindreau, die jetzt „kremiert“ in einer Grabstätte auf dem Friedhof Feuerhalle Simmering ruht.

Hochinteressant ist ein anderer Hinweis: Das Mausoleum falle gar nicht unter den Denkmalschutz. Was jetzt? Gehört ein historisches Mausoleum nicht zur „Gesamtanlage Hietzinger Friedhof“? Der Initiative Denkmalschutz wurde auf Nachfrage vom Bundesdenkmalamt mitgeteilt, dass dieser Schutz – entgegen der offiziellen Darstellung in der eigenen Denkmalliste – nur für einzelne Gebäude und Grabhaine gilt, nicht jedoch für dieses Grabmausoleum. Dies sei auf eine amtsinterne Erhebung zurückzuführen, die nur Teilbereiche des Hietzinger Friedhofes als denkmalschutzwürdig ausweist, aber der Öffentlichkeit (Denkmalliste) bis dato nicht bekannt gemacht wurde.

Das bringt das Rechtsempfinden des gemeinen Bürgers wohl ins Wanken: Findet der Denkmalschutz jetzt nur mehr „unter der Tuchent“ statt? Und warum genau ist dieses Mausoleum, das zweifelsohne wesentlicher Bestandteil des Gesamtkunstwerkes „Hietzinger Friedhof“ war, nicht auf dieser „Liste“? Sogar im „DEHIO“, dem Denkmälerinventar des Bundesdenkmalamtes, ist das Bauwerk als „übereckgestellter Tempietto mit toskanischen Säulen und Flachkuppel in Formen der Florentiner Frührenaissance“ hervorgehoben.

Andererseits erscheint es unsinnig, einen Friedhof als Gesamtanlage unter Denkmalschutz zu stellen. Die überwiegende Mehrheit der Grabdenkmäler sind ja kunsthistorisch belanglose Massenprodukte. Folgerichtig ist der § 2a des Denkmalschutzgesetztes eine vorläufige verordnungsmäßige (siehe Dokument auf der bda-Internetseite) Unterschutzstellung auf Basis einer Schutzwürdigkeitsvermutung, der eigentlich eine bescheidmäßige Unterschutzstellung folgen sollte. Und diese Ungewissheit hatte auch schon Felix Steinwandtner, der verstorbene ehemalige Bezirksvorsteher-Stellvertreter und Direktor des Bezirksmuseums Hietzing, erkannt. Er hatte sich sehr darum bemüht, die Mausoleen (im seinerzeitigen Fall waren es die auf dem Ober St. Veiter Friedhof) speziell unter Schutz stellen zu lassen. Die inoffizielle Entgegnung des Denkmalamtes war: „Das tun wir uns nicht auch noch an“. Tatsächlich müsste für jedes Grabmal ein eigener Bescheid erlassen werden, dem die personelle Austrocknung des Bundesdenkmalamtes wohl entgegensteht. Aber eine Bewilligung zur Zerstörung des Mausoleums nach § 5 des Denkmalschutzgesetzes, wenn auch auf Basis dieser „internen Listen“, wäre trotzdem eine notwendige Voraussetzung für den Abbruch gewesen.

Bleibt noch die Schutzzone nach § 7 der Wiener Bauordnung. Ein Grabdenkmal in Form eines Tempels ist zweifellos ein „Bauwerk“ im Sinne dieser Bauordnung, und der Abbruch von Bauwerken in Schutzzonen bedarf einer Bewilligung der Baubehörde. Siehe dazu den § 60 Abs. 2 lit d), der den Abbruch in Schutzzonen regelt: „Einer Baubewilligung bedarf ... (d) Der Abbruch von Bauwerken in Schutzzonen und Gebieten mit Bausperre. In Schutzzonen darf die Abbruchbewilligung nur erteilt werden, wenn an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse besteht und es seiner Ausführung, seinem Charakter oder seinem Stil nach den benachbarten Bauwerken in derselben oder gegenüberliegenden Häuserzeile nicht angeglichen ist oder sein Bauzustand derart schlecht ist, dass die Instandsetzung seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild nach nicht gerechtfertigt erscheint oder das Bauwerk nach der Instandsetzung technisch als ein anderes angesehen werden muss.“

Es muss also eine Bewilligung der Baubehörde (MA 37) vorliegen, und wenn nicht, wäre eine Strafanzeige fällig. Der „gelernte Wiener“ zweifelt zwar nicht, dass sich ein Grund für eine Abbruchsbewilligung in der Bauordnung gefunden hätte, naheliegender Weise die technische Abbruchreife. Doch andererseits fällt ein im Rahmen eines Nutzungsrechtes errichtetes Gebäude (rechtlich ein Superädifikat im Eigentum der Grabstelleninhaber) nach Beendigung des Nutzungsrechtes wohl an den Grundeigentümer (= Gemeinde Wien) zurück, und sie wäre für die Renovierung des Bauwerkes zuständig und verantwortlich gewesen. Und dass dieses – technisch zeitlose – Grabdenkmal nicht leicht und ohne Identitätsverlust renovierbar gewesen sein soll, ist schwer zu verstehen.

Es liegt also die Vermutung nahe, dass hier Recht gebrochen wurde. Doch ohne dementsprechende Strafanzeige ist das weder zu bestätigen noch zu ahnden. Ein „Medienhype“, der auf die juristischen Unzulänglichkeiten des Denkmalschutzes für die Gesamtanlage eines Friedhofs hinweist, könnte auch etwas bewirken. Doch wie weit man davon entfernt ist, zeigt eine Google-Suche mit den Worten „Abriss Gindreau Grab“. Nicht nur die Behörden sind überfordert, auch die sogenannte Zivilgesellschaft wird angesichts der unzähligen „Bausünden“ wohl etwas müde.

Etwas Bewegung schein nunmehr in die Frage des Denkmalschutzes für Gräber aber doch zu kommen. In einem Telefonat von BV Mag. Silke Kobald mit dem Bundesdenkmalamt vom 15. November 2017 wurde eine Begehung des Hietzinger und des Ober St. Veiter Friedhofes in Aussicht gestellt. Dabei sollen die Mausoleen und kunsthistorisch wertvollen Grabdenkmäler auf ihre Denkmalwürdigkeit geprüft und diese dann gegebenenfalls bescheidmäßig festgestellt werden.

hojos
27. Oktober 2017