Der Wappenschmuck der Versorgungsheimkirche Lainz Zum hl. Karl Borromäus
Vortrag von Michael Göbl während der Kirchenführung am 3. März 2017
03.03.2017
Als der Wiener Gemeinderat 1901 die Erbauung eines neuen Altersheimes, damals Versorgungsheim und heute Geriatriezentrum genannt, in Lainz beschloss, war damit auch eine Kirche mitinbegriffen. Die Kirche wurde von 1902–1904 im neoromanischen Stil errichtet. Das Besondere an der zusätzlichen künstlerischen Ausstattung waren die Anbringung der damals neu entstandenen Bezirkswappen an der Außenseite und die Wappen der Zünfte, damals Genossenschaften und heute Innungen genannt, im Inneren der Kirche. Man könnte deshalb diese Kirche durchaus als Geburtskirche der modernen Wiener Bezirks- und Berufswappen bezeichnen, wurden doch diese Symbole hier zum ersten Mal öffentlich publiziert, sozusagen im christlichen Sinn – aus der Taufe gehoben.
Die Geschichte der Wiener Bezirkswappen ist eng verknüpft mit der Entwicklung der Stadt Wien zur Großstadt bzw. zur Reichshaupt- und Residenzstadt im 19. Jahrhundert. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts bestand die Stadt Wien praktisch nur aus einem Bezirk, das ist der heutige erste Bezirk, und das Wappen von Wien bezog sich nur auf dieses Bereich.
Mit der Schleifung der Basteien und der Errichtung der Ringstraße, ab 1857, begann die Stadt rasch zu wachsen, und die Vorstädte und Vororte wurden in mehreren Schritten in die Stadt, nunmehr als neue Bezirke zusammengefasst und integriert. Innerhalb von fünfzig Jahren hatte sich das Stadtgebiet mehrfach erweitert. Alle um Wien herum gelegenen Vorstädte und Vororte besaßen keine Wappen, sondern nur Siegel, sog. Grundgerichtssiegel. Diese reichten sogar teilweise bis ins 16. Jahrhundert zurück und wurden als sichtbare Zeichen ihrer Gemeindeautonomie verwendet. Durch die Eingemeindung in die Stadt konnten jedoch die ehemaligen Vororte, die nun zu Bezirken geworden waren, ihre Siegel nicht mehr gebrauchen. Ihre Siegel waren unter gegangen und nutzlos geworden, da sie ja ab jetzt mit dem Wiener Adler mit dem Kreuzschild auf der Brust siegeln mussten. Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei der Stadterweiterung eine gewisse Sättigung erreicht war, regte sich das Bedürfnis nach Bezirkswappen, um wenigstens hier Eigenständigkeit zu bekommen.
Der damals sehr bekannte Staatsheraldiker Hugo Gerard Ströhl (1851–1919) wurde beauftragt, die Wappen für die Bezirke zu entwerfen. Ströhl hatte sich als Illustrator von Zeitschriften und Verfasser von Wappenbüchern einen guten Namen gemacht, wie zum Beispiel bei der Österreichisch-Ungarischen Wappenrolle, den Städtewappen Österreich-Ungarns oder sogar bei einem Japanisches Wappenbuch. Ströhl sammelte die 70 monochromen, also einfarbigen Siegel der ehemaligen Vororte und setzte die Figuren farblich nach heraldischen Grundsätzen um, damit Wappen entstehen konnten. Dadurch wurden zusammengesetzte Schilde gebildet, deren Felder die ehemaligen Vororte bzw. Vorstädte, die nun einen Bezirk bildeten, repräsentieren.
Wenn wir also beispielsweise Hietzing nehmen, so hat das heutige Wappen fünf Felder, gebildet aus den ehemaligen Dörfern: Hacking, Ober- und Unter St. Veit, Speising, Lainz und in der Mitte: Hietzing. An der Kirchenfassade sind die Wappen der damaligen zwanzig Bezirke angebracht, je zehn auf jedem Turm. Da sie aber relativ weit oben befestigt sind und auch eine gewisse Größe nicht überschreiten durften, wurde nur der Schild verwendet, der dem Bezirk den Namen gab, sonst wären auf weite Sicht keine Einzelheiten mehr zu erkennen gewesen. Die Schilde wurden in Majolika Technik ausgeführt. Zusätzlich wurde das Wiener Wappen im Mittelgiebel der Kirche angebracht: Der goldene Doppeladler wurde mit einer Mauerkrone mit fünf Zinnen versehen.
Es handelt sich dabei um eine sog. Rangkrone, die Ströhl erfunden hatte und propagierte, d.h. Landeshauptstädte sollten eine goldene Mauerkrone mit fünf Zinnen, Städte über 50.000 Einwohner sollten eine silberne Mauerkrone mit fünf Zinnen, Städte mit weniger als 50.000 Einwohnern sollten eine naturfarbene und Märkte sollten eine dreizinnige Mauerkrone verwenden. Damit sollte am Wappen erkennbar sein, welchen Rang die Stadt einnahm. Diese Regelung hat sich aber nicht durchgesetzt.
Die Heraldik hat in ihrer achthundertjährigen Geschichte eine bildhafte Sprache entwickelt, die auch bei den Gemeindewappen zum Ausdruck kommt. Grundsätzlich lassen sich die Wappenfiguren der Bezirkswappen in vier Bedeutungsmuster einteilen. Da die meisten Bezirkswappen aus mehreren Feldern bestehen, treten die verschiedenen Bedeutungswurzeln fast immer gleichzeitig und gleichmäßig auf: Namensableitung, der Kirchenpatron, ein Lokales Symbol und die Grundherrschaft. Die beliebteste davon sind zweifellos die Namensableitungen, d.h. die Darstellung des tatsächlichen oder vermeintlichen Bezirksnamens als Wappenfigur.
Ich nehme hier wieder das Beispiel von Hietzing: In Silber ein grüner Baum. In der Baumkrone die Gottesmutter mit dem Jesuskind, unter dem Baum vier betende Bauern. Nach der Volkssage habe ein im Baum verstecktes Marienbild vier an den Baum gekettete Bauern 1529 mit den Worten befreit: „hüats enk“ (Hütet euch), aus dem vermeintlich der Name Hietzing entstanden sein soll. Tatsächlich ist der Name erstmals 1120/30 als „Hietzingen“ urkundlich erwähnt und bedeutet eine Siedlung jener Leute, die zu Herzog Heinrich Hezo gehören. Besser getroffen ist das Wappen von Hacking, das auch ein redendes Wappen besitzt: In Rot ein silberner Balken darin drei Hacken in gewechselten Farben. Ebenso Speising: In Blau ein silberner Pelikan, der mit dem eigenen Blut seine Jungen ernährt, d.h. speist.
Als zweithäufigstes Motiv taucht der Schutzpatron der Ortskirche auf. Bei unserem Hietzinger Beispiel kann dafür das Feld von Ober- und Unter St. Veit dienen: In Blau die Figur des hl. Vitus aus einem braunen Kessel wachsend, der auf einer Feuerstelle steht. Der Legende nach wurde der hl. Vitus in einem Kessel mit siedendem Öl gemartert. Die Pfarrkirche ist dem hl. Vitus geweiht, der zugleich dem Bezirksteil seinen Namen gibt.
Die dritte Gruppe der Wappenfiguren, stellt die lokalen Symbole dar, die sich auf die spezifischen örtlichen Gegebenheiten beziehen und die verschiedenste Bedeutungen erlangen können. Darunter versteht man die Erwerbstätigkeit der ansässigen Bevölkerung ebenso, wie die Erinnerung an ein historisches Ereignis, das sich in das Bewusstsein der Bewohner einprägte. Wenn wir wieder unser Hietzinger Wappen hernehmen, das für den Bezirksteil Lainz den Hubertushirsch zeigt, so bezieht sich dieser eindeutig auf den Lainzer Tiergarten und die Jagd.
Das am weitesten verbreitete lokale Symbol ist in Wien der Weinbau, da nicht weniger als in acht Bezirkswappen Weinbaufiguren vorkommen, als Weintraube, mit oder ohne Blätter: Es wird verwendet vor allem in den Bezirken, die an den Hängen des Wienerwalds angesiedelt sind, also in Hernals, Reindorf, Weinhaus, Oberdöbling und Grinzing. Eine Ausnahme bildet Inzersdorf und Liesing, die im Süden von Wien gelegen sind.
Die vierte Bedeutung der Bezirkswappen bezieht sich auf die Übernahme von Symbolen der ehemaligen Grundherrschaft. Außer dem Landesfürsten konnten grundherrschaftliche Rechte sowohl von weltlichen Personen, meist von Adeligen, als auch von geistlichen Institutionen ausgeübt werden.
Eine für die soziale Geschichte Wiens wichtige Institution war das Bürgerspital, das in verschiedenen heutigen Bezirken Grundbesitz hatte und sich dadurch teilweise finanzierte. Deshalb weisen heute drei Bezirkswappen auf die Grundherrschaft des Bürgerspitals hin. Erstens das Wappen von Reinprechtsdorf im Bezirk Margareten: In Rot ein blauer Reichsapfel mit goldenem Kreuz. Der Bezirksteil Spittelberg im Bezirk Neubau lässt sogar in seinem Namen den Bezug zum Bürgerspital erkennen. Im Wappen führt er in Rot ein mit einem blauen Reichsapfel mit goldenem Kreuz belegten Felsenberg, überhöht vom hl. Geist in Gestalt einer silbernen Taube in einem goldenen Strahlenkranz. Den dritten Hinweis gibt das Wappen von Penzing: In Rot ein blauer Reichsapfel mit goldenem Kreuz.
Gewerbewappen
Auffälliger als an der Außenfassade sind jedoch die Wappen im Inneren der Kirche, die man in dieser großen Anzahl wohl nicht erwartet hätte und die es auch sonst in keiner Kirche gibt. Es handelt sich um die Wappen der Zünfte, Innungen, Bruderschaften, Gilden oder Genossenschaften, wie man damals die Berufsgruppen bezeichnete. 130 Schilde, 44cm breit und 57cm hoch, umspannen in Form eines fortlaufenden Frieses das Kirchenschiff zwischen den Bögen der Seitenschiffe und den Fenstern. Sie wurden von Hans Steidler nach Skizzen von Ströhl auf Holztafeln gemalt und der Kirche auf Kosten der Genossenschaften gespendet. Man wollte den Pfleglingen, heute würde man wohl sagen Klientinnen und Klienten des neuen Pflegeheims, eine Freude bereiten. Sie hatten ja meistens einen dieser Berufe ausgeübt und sollten in der Kirche nicht nur seelische Erbauung erhalten, sondern durch die bunten Wappen an ihre früheren Tätigkeiten erinnert werden.
Als Reminiszenz daran feierten bis vor wenigen Jahren einzelne Berufsgruppen noch Gottesdienste hier, beispielsweise die Malerinnung am 18. Oktober, dem Jahrestag ihres Schutzpatrons des hl. Lukas‘, oder die Tischler, die am 19. März, dem Tag ihres Patrons, des hl. Josephs, gedachten. (Eine freundliche Mitteilung von Pater Edmund Dorner, Rektor der Kirche zum Hl. Karl Borromäus). Die Wappen bieten einen breiten Querschnitt von allen damals ausgeübten Berufen, deren Werkzeugen und Erzeugnissen. Manche der Wappen erinnern auch an Handwerkerzeichen bzw. Zunftzeichen, wie z.B. bei den Bettwarenerzeugern. Dieses Zeichen war ursprünglich die Handelsmarke eines Produzenten, das dann auf die ganze Branche überging.
Die Zeit des Historismus versuchte die Kunst der Antike und des Mittelalters nachzuahmen. Dazu gehörte auch die Heraldik, die im Mittelalter ihre Blütezeit hatte und die man besonders im 19. Jahrhundert intensiv erforschte. Man könnte die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg auch die 2. Blütezeit der Heraldik nennen, dabei wollte man auch die Handwerkervereine, die aus den Zünften entstanden sind, mit Wappen versehen. Viele der Interessenvertretungen waren bereits im Besitz von Siegeln, die ihnen im Rahmen ihrer Privilegien verliehen wurden und die auch teilweise bis ins Mittelalter zurückreichten. Die ältesten Wiener Gewerbe, die Siegel führten, waren die Schildermaler, Juweliere, Gold- und Silberschmiede. Auch jene Gewerbe, die sich mit den elementarsten Dingen des menschlichen Lebens beschäftigten, wie Bäcker (Brezel), Fleischhauer (Beil), Schneider (Schere), Schmied (Hammer und Zange) oder Zimmerleute (Beil und Winkelmaß), kennzeichneten ihre Tätigkeit mit Figuren, die nicht immer als Wappen ausgeführt waren, sondern mehr Siegeln glichen. Man kann diese Zeichen in Zunftstuben, auf Handwerkerbriefen, auf ihren Häusern oder auf Grabsteinen antreffen.
Die Aufgabe von Ströhl war es, diese Siegelbilder in Wappenbilder umzugestalten. Siegel sind in der Regel einfarbige Zeichensysteme, Wappen aber in der Regel polychrom. Ströhls Aufgabe war es nun, den Siegelfiguren nach dem Muster der Bezirkswappen Farbe zuzuordnen. Es gibt in der Heraldik nur bestimmte Farben: Rot, Blau, Schwarz und Grün, seltener Purpur und Naturfarbe; dazu kommen die Metallfarben Gold und Silber, um die Felder entsprechend zu kontrastieren. Wenn kein Siegel vorhanden war, versuchte Ströhl, in Zusammenarbeit mit den Genossenschaften ein entsprechendes Wappen zu erarbeiten, wobei er auch manchmal übergangen wurde und die Genossenschaft eigenständig ein Wappen erfand.
Besonders zwei Motive können dabei hervorgehoben werden, einerseits die für einen Beruf charakteristischen Werkzeuge, andererseits die Erzeugnisse, die Produkte, die der Beruf hervorbrachte. Ein drittes Symbol ist das Wiener Wappen als zusätzliches Beizeichen, das auf die lokale Herkunft hinweist und auf 22 Schilden vorkommt. Standortfragen waren für Handwerker von damals und noch mehr von heute von Bedeutung. Es war der Stolz der Wiener Handwerker, auf ihre Handwerkskunst hinzuweisen, dass sie aus Wien stammte, um nicht mit anderen gleichartigen Gewerben und Wappen in anderen Städten verwechselt zu werden.
Schwieriger war es für Berufsgruppen ein Wappen zu definieren, wenn sie eine gleichartige Geschäftstätigkeit ausübten, oder mit ähnlichen Waren handelten, wie z.B.: Fiaker, Stellfuhrinhaber, Land- und Stadtfuhrwerker, Klein- und Großfuhrwerker, Einspänner, deren Fuhrwerke nur durch die unterschiedliche Bespannung zum Ausdruck kommen. Dazu kommen dann noch die Pferdefleischhauer, Pferdehändler, Huf- und Wagenschmiede, die mit Pferden zu tun haben. Deshalb besitzen auch alle acht Wappen ein Pferd.
Eine andere Berufsgruppe sind die Maler und die mit ihnen verwandten Gewerbe, wie z.B. die Schilder- und Schriftenmaler, die Zimmer- und Dekorationsmaler, die Industriemaler, Vergolder und Bildhauer. Sie alle haben die charakteristischen drei Schildchen im Wappen, die vom mittelalterlichen Zunftzeichen der Schilter oder Schilderer abgeleitet werden. Sie stellten einstmals die Kampf- und Turnierschilde der Ritter her und wurden auch zur Anfertigung von kriegerischem Schmuck herangezogen. Die Schilter waren Maler, Bildhauer und Sattler in einer Person und mussten in allen technischen Verfahren dieser Art bewandert sein. In Wien ist eine Lukas-Zeche aus 1410 nachweisbar, in der die Schilderer, die geistlichen Maler, Glasmaler, Glaser, Goldschläger und Seidensticker zu einer Zunft vereinigt waren. Der hl. Lukas als Schutzpatron der Maler und der bildenden Kunst beruht auf einer Legende, nach der er angeblich Bilder, vor allem von Maria, Petrus und Paulus gemalt hätte. Im Siegel der Glaser-Genossenschaft ist ebenfalls das Brustbild des Evangelisten Lukas zu sehen.
Weitere Heilige als Schutzpatrone sind der hl. Florian, der als römischer Soldat mit Lanze, ein Haus löschend, in zwei Wappen zu sehen ist, und zwar bei den Hafnern und bei den Rauchfangkehrern. Der hl. Leopold ist bei den Stuckateuren und bei den Zuckerbäckern und Lebzeltern zu sehen. Der hl. Leonhard als Schutzpatron des Viehs und der Pferde ist im Wappen der Fiaker und der Milchhändler vertreten.
Eine bei uns relativ unbekannte Heilige ist die hl. Corona, die „Gekrönte“, die zugleich auch Namensgeberin von zwei Ortschaften in Niederösterreich ist, von St. Corona am Wechsel und St. Corona am Schöpfl. Die hl. Corona, eine frühchristliche Märtyrerin, wurde nach der Legende mit Händen und Füßen an vier gewaltsam zusammengebogenen Palmen gefesselt und durch das gleichzeitige Loslassen der Bäume in Stücke gerissen. Diese makabre Vierteilung war ausschlaggebend für die fahrenden Lebensmittelhändler ohne ständiges Verkaufsgeschäft, veraltet Viktualienhändler genannt, sie als Schutzpatronin zu erwählen.
Ein anderes Zeichen hat auch eine weite Verbreitung erfahren: ein Stab mit zwei Flügeln, der von zwei Schlangen mit sich zugewendeten Köpfen umschlungen ist: der Merkurstab, das Attribut des römischen Gottes Merkur bzw. griechischen Hermes. Dieser Stab hat bei zehn Wappen von Handelsgewerben Verbreitung gefunden: Bei der Wiener Kaufmannschaft, beim Gremium des Großhandels und bei Händlern mit Brennmaterialien, Geschirr, Papier, Holz, Kohle, Vieh und Pferden.
Im Wappen der Innung des Gastgewerbes tritt uns das Symbol des Heiligen Geistes entgegen. Im blauen Feld eine abwärts fliegende silberne Taube mit einem Heiligenschein aus Strahlen. Eine merkwürdige Symbolik dieses Wappens, die erst dann verständlich wird, wenn man weiß, dass die Genossenschaft der Gastwirte ihren Sitz auf dem Gebiet des ehemaligen Heiligen Geist-Spitals hatte.
Die Heraldik bzw. die Wappen entstanden im 12. Jahrhundert als Teil einer ritterlich-höfischen Kultur und waren Symbole einer bestimmten persönlichen Identität. Ursprünglich nur für Adelspersonen vorgesehen, erfasste in der weiteren Folge die Verwendung von Wappen immer breitere Schichten der Gesellschaft: geistliche Personen und Institutionen, Länder, Städte, Märkte und auch Zünfte.
Die Heraldik, Wappen- oder auch Heroldskunst hat bestimmte Grundsätze entwickelt, die bis heute gelten: Je einfacher ein Wappen gestaltet ist, desto schöner, klarer und einprägsamer ist es. Es gibt aber auch ein Sprichwort: „Je mehr einer im Wappen hat, desto weniger hat er zu bedeuten“, das kann auch auf das Zunftwappen angewendet werden. Gut ist ein Wappen nur dann, wenn es genau diejenigen Figuren enthält, die notwendig sind, eine Kunst, ein Handwerk, zu charakterisieren. Vielfach scheint man es hier übertrieben zu haben, indem man möglichst viele Werkzeuge in den Schild presste. Der Schild soll zwar gefüllt, aber nicht überfüllt werden. Zwei oder drei charakteristische Figuren wären besser, deutlicher und schöner gewesen. Zwar hat dies mit dem mittelalterlichen Wappenwesen nur wenig gemeinsam, Ströhl hat sich aber doch an heraldischen Grundsätzen orientiert und keine Logos produziert, wie dies heute oft der Fall ist.
Zusätzlich wurden einige Gewerbewappen auch in Glasfenstern reproduziert, die meistens zusammen mit ihrem Schutzpatron dargestellt sind. Für uns heutige Menschen sind es teilweise unverständliche Berufe, Materialien oder Werkzeuge, die hier abgebildet wurden. Das zeigt auch den ungeheuren Wandel, den die Berufe und ihre Werkzeuge seit den letzten hundert Jahren erfahren haben. Darum könnte man diese außergewöhnliche Wappendekoration wie ein Bilderbuch des Handwerkerwesens um 1900 ansehen.
Das umlaufende Wappenfries enthält die Wappen der Gewerbe. Die alphabetische Reihenfolge, die mit den Apothekern begonnen wurde (links vorne im Hauptschiff) konnte jedoch aus Gründen der Fertigstellung der Tafeln nicht lange eingehalten werden. Jedenfalls besitzen alle Tafeln durch ihre Unterschrift eine eindeutige Zuordnung, welches Wappen zu welchem Gewerbe gehört. Lediglich auf der Orgelempore sind dreizehn Schilde angebracht, die keine Beschriftung besitzen. Von links nach rechts sind folgende Gewerbewappen zu sehen: Kanal- und Senkgrubenräumer; Gremium der Wiener Kaufmannschaft; Zuckerbäcker, Kuchenbäcker und Lebzelter und Schokoladenmacher; Zimmerputzer und Reinigungsanstalten; Zimmermeister; Klavier- und Orgelbauer; Kunstblumenerzeuger, Kostgeber; Korbflechter; Kleinfuhrwerksbesitzer; Kleidermcher; Zimmer- und Dekorationsmaler und die Kammmacher, Fächermacher und Beinschneider.