Ein Architekturwettbewerb ist nun Grundlage für den Abriss des St.-Josefs-Heimes
Ein Beitrag von Christian Ender
12.12.2016
Wie so oft in heiklen Situationen wurde für die neuen Baulichkeiten des Pflegeheimes der Franziskanerinnen am Grundstück Stock im Weg / Josef-Kraft-Weg ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben. Das Siegerprojekt dient nunmehr als Grundlage und Bestätigung für die Baupläne eines neuen Pflegeheimes im Wohngebiet. Das ist sogar der grünen Stadtplanung eine Abänderung des Flächenwidmungsplanes wert: „… die ausnutzbare Fläche des Grundstückes wird vergrößert, die zulässige Gebäudehöhe mit höchstens 13.00 m fest gesetzt, die Stellplatzverpflichtung auf 50% herabgesetzt und die Widmung soll so geändert werden, dass die Errichtung eines zeitgemäßen Pflegeheimes möglich ist“.
Unbestritten ist, dass die geplanten Baulichkeiten architektonisch ansprechend sind und sicher einen zeitgemäßen Pflegebetrieb ermöglichen werden. Unbestritten ist aber auch, dass ein Projekt dieser Größe mit der geplanten Bauhöhe ein beachtlicher Eingriff in die Struktur des locker bebauten Siedlungsgebietes ist und dass dieses Projekt die vom Fachbeirat der Stadt Wien immer wieder positiv erwähnte Struktur des Bezirkes zumindest in diesem Grätzel nachhaltig verändern wird. Vielmehr damit zu rechnen ist, dass nach Fertigstellung die beiden anderen, sodann nicht mehr bespielten Heime in unmittelbarer Nähe, Wohnbauten in ähnlicher Kubatur weichen werden und dass der anlässlich der letzten Flächenwidmungsänderung bereits umgewidmete „Obstgarten“ zwischen Stock im Weg ONr. 3–11 und ONr. 19 ebenfalls verbaut werden wird. Dieses Gebiet wird somit in einem Ausmaß baulich verdichtet werden, das der typischen Struktur des Bezirkes grundsätzlich nicht entspricht. Isoliert betrachtet mag dieser Plan ein „Siegerprojekt“ sein, mit dieser Gebäudehöhe und in der Massivität wird der gesamt Stock im Weg künftig von einem riesigen Bauwerk dominiert werden.
Unverständlich, dass das alte Kloster und die Klosterkirche, in dem sich sogar ein eigener, alter Brunnen befinden soll, völlig geschliffen werden soll. Eine Erneuerung der landwirtschaftlichen Bauten war wohl längst nötig. Tatsache aber ist, dass das Kloster und die Klosterkirche seit sehr, sehr langer Zeit diesen Teil des Bezirkes geprägt haben, dem Grätzel eine Identität gegeben und Bestandteil des Lebens vieler der in der Umgebung lebenden Menschen war und ist. Es dürfte zumindest der entlang des Josef-Kraft-Weges gelegene Teil schützenswert sein. Wenn einerseits Teile der Schweizertalstraße und Bauten im Bereich des Ober St. Veiter Platzes sogar unter Denkmalschutz gestellt werden, ist es andererseits schwer vorstellbar, dass das Kloster der Franziskanerinnen ganz einfach geschliffen wird. Ein wahres Siegerprojekt hätte diesen Altbestand in den Neubau integriert, was aber sicher die gesamte Nutzfläche des mächtigen Neubaus reduziert hätte. Der bauliche Eingriff ist schwerwiegend.
Zur Reduktion der Stellplatzverpflichtung ist auszuführen, dass seit der erst kürzlich erfolgten, exzessiven Bebauung mit einer Wohnanlage in der Ghelengasse 36 (nur eine Hausnummer vor dem Grüngürtel!) ein wesentlich erhöhtes Verkehrsaufkommen zu verzeichnen ist, wobei die geltenden Geschwindigkeitsbeschränkungen kaum eingehalten werden. Obwohl dieses Projekt vermutlich der vollen Stellplatzverpflichtung nachgekommen ist, hat sich die Parksituation in der Ghelengasse und im Stock im Weg beachtlich verändert. Durch den 2017 fertig gestellten Wohnbau Ecke Ghelengasse/Stock im Weg wird sich die Situation weiter verschärfen. Und dann haben wir die künftig zu erwartenden Bauten an den Standorten der alten Heime. Somit wird spätestens dann keine Parkmöglichkeit mehr gegeben sein. Völlig unverständlich, dass beim Neubau eines Pflegeheimes mit 130 Betten die ohnedies knapp bemessenen Pflichtstellplätze auf die Hälfte reduziert werden sollen – im Hinblick auf Besucher und Mitarbeiter sollte die Anzahl eher verdoppelt werden. In den Sommermonaten, wenn dann auch noch viele Erholungssuchende und die Besucher der Gaststätten Lindwurm und Wildsau ihre Fahrzeuge parken werden, ist mit einer Eskalation der Parksituation zu rechnen. Und das auf einer Straße, die vom Linienbus – der einzigen Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel – befahren wird.
Ich erlaube mir zu erwähnen, dass ich über eine Garage verfüge und mich das Problem nicht betrifft, aber ich erlebe seit vielen Jahren die Entwicklung des Verkehrs in meiner Umgebung. Außerdem bin ich bei allen Bauten kein unmittelbarer Anrainer, jedoch verbringe ich bereits rund 50 Jahre meines Lebens in Ober St. Veit und muss zusehen, wie ein wunderschöner, schützenswerter Teil Wiens nach und nach zubetoniert wird. Mit Bauten auf umgewidmeten Flächen, maximal ausgenutzten Kubaturen und nachträglich genehmigten „geringfügigen Änderungen“ der den Bürgern präsentierten Einreichplänen, um eine zu Gunsten des maximalen Profites „vergewaltigte“ Architektur nachträglich zu sanktionieren. Die ständigen Bemühungen der Bezirksvertretung sind zumeist vergeblich und die städtebaulich meiner Meinung nach unvertretbaren Lösungen werden von der von einer grünen Vizebürgermeisterin geleiteten Stadtplanung genehmigt. Verabschieden Sie sich von der St. Josefs Statue im Vorgarten des alten Klosters, so lange es noch geht.
Einen Bericht über die Geschichte des St.-Josefs-Heim bzw. der Einsiedelei finden Sie HIER.