Wolkenkuckucksheim
kurz und bündig
12.12.2016
Das Land war immer schon gespalten, und zwar in vielerlei Hinsicht. Doch der Hauptact hieß Rot gegen Schwarz. Die Polarisierung überlebte den Zweiten Weltkrieg, der Februar 1934 war ihr Brennpunkt: „Ihr habt auf uns geschossen!“ Unter Roten war die Abneigung fast körperlich spürbar. Und die Schwarzen waren sich einig: Die Roten sind leistungsfeindlich und verschwenderisch bis zum Untergang.
Der Aufschwung nach dem Krieg und die weltweite Ölverbrennung kaschierten diese Animositäten. Es war genug für alle da, die Sozialpartner reichten sich die Hände. Die roten Hütten standen in den Alpen einträchtig neben den schwarzen Hütten. Die Konjunktur boomte, sie beschäftigte die ganze Welt, und diese war stolz auf ihre vielen Kinder. Die Volkswirtschaftsprofessoren hatten es besonders gut. Konnten sie „Wirtschaftswachstum“ buchstabieren und die Stirn in Falten legen, dann war ihr Ansehen gesichert.
Doch der Lack war dünn. Die gegenseitige Abneigung stieg wieder, fühlbar ab 1997, als eine rote Bank eine schwarze Bank kaufte. Was sich später als Reverse Takeover entpuppte, war der Startschuss für die – von den Oppositionsparteien kaum aufgezeigte – Vernichtung des enormen Wertes der roten Sparkassenholding. Aber auch die globalen Probleme zeichneten sich immer deutlicher ab: Weder Wachstum noch Ressourcen sind unendlich. Die Menschen in Europa fühlten das, und die Kinder in Afrika und Asien bekamen das zu spüren. Sie machten sich auf den Weg. Und die hiesigen Landesführer? Statt zu regieren entschieden sie sich zu manipulieren. Und die Medien dieses Landes sekundierten eilfertig. Doch ach: „Die Allianz aus SPÖ, Teilen der ÖVP, NEOS, Grünen, Publikumslieblingen, Künstlern und Zivilgesellschaft, Trachtenvereinen und Popsängern, Wirtschafts- und Wissenschaftsgranden schafft gemeinsam gerade noch knapp 54 Prozent“ (O-Ton Profil). Sozialisten gegen Christlich-Soziale, das war gestern, heute kämpft Hell gegen Dunkel.
Und niemand aus der Allianz lässt einen Zweifel an der Zuordnung. Möge das Profil 50/2016 als Beispiel für die fast einhellige Stigmatisierung dienen. Am Cover: „Gutmenschen und Rechtspopulisten, Flüchtlingshelfer und Ausländerfeinde, friedliebend und feig, Van der Bellen und Hofer“. Oder im sogenannten Leitartikel über die Aufgaben eines Mediums wie Profil: „Wahrheit von Unsinn, Sinnvolles von Sinnentleertem, Van der Bellen von Hofer und Gut von Böse zu trennen“. Die Auflösung dieser Gleichungen ist einfach: Hofer (und wohl auch seine Wähler) sind sinnentleerte, böse und feige Ausländerfeinde. Nur: Schwarz und Weiß gibt es in den Naturwissenschaften, nicht aber in der Politik. Woher also diese Überzeugung? Und warum diese Spaltung? Und woher diese Chuzpe, alles Böse, wie zum Beispiel diese fortwährenden Spaltungsbemühungen, den anderen in die Schuhe zu schieben?
Kein Wort und schon gar keine hochstehende Diskussion über Dinge, die die Bürgerinnen und Bürger der Republik Österreich, zumindest die vermeintlich dunkeln, wirklich beunruhigen: ungewisse Sicherheit, unwirksame Grenzen, mangelhafte Integration, Missachtung europäischen und nationalen Rechtes, Rolle des Islam, Arbeitsmarkt, Einkommensschere, Belastungen aus der EZB-Politik und der Migration, offene Baustellen in fast allen Sachthemen. Brennende Umweltfragen geraten da in den Hintergrund. Insgesamt eine bedrohliche Lage, die nur mit einem nationalen und europaweiten Schulterschluss aller Kräfte gelöst werden kann, und zwar auf Basis rationalen Denkens.
Wenn Oliver Rathkolb meint: „Der Rechtspopulismus wird mit oder ohne Hofer als Präsident wirkungsmächtig bleiben!“, dann bezieht er sich auf das Symptom und nicht auf die wirkliche Gefahr: Ein seit langem in falschen Händen liegendes Europa, über das sich grenzenlose Anarchie ausbreitet.