Godtinesfeld – die älteste topographische Bezeichnung im Wiental
Zusammenfassung des Vortrags von Dr. Klaus Lohrmann am 3. Dezember 2015 im Verein für Geschichte der Stadt Wien
07.02.2016
In einer mit dem 5. Juli 1015 datierten Schenkungsurkunde Kaiser Heinrichs II. lokalisierte ein an der Ausstellung des Diploms Beteiligter die 30 übergebenen Königshufen an einem Ort namens Godtinesfeld. Dieses Feld ist im Wiental im Gebiet von St. Veit zu suchen. Es handelt sich mit 1015 um die älteste überlieferte topographische Bezeichnung im Wiental. Die auffällig frühe Erwähnung – immerhin 15 Jahre vor dem missglückten Angriff König Konrads auf Ungarn, der mit der Gefangennahme seiner Ritter in Wien endete – provoziert die Frage nach ihren siedlungsgeschichtlichen und sozialen Rahmenbedingungen. Diese Fragestellung führt dann weit über das Jahr der Erstnennung hinaus, insofern einige Probleme der folgenden Herrschaftsgeschichte zur Sprache kommen sollen.
Im Sommer 1014 kehrte Heinrich II. als nun gekrönter Kaiser aus Italien nach Bayern zurück. Auf dem Weg von Regensburg nach Bamberg ließ er Anfang Juli eine Urkunde zugunsten Bischof Berengars von Passau ausstellen. Der Bischof erhielt in Herzogenburg, Krems, Tulln und zwei weiteren Orten Güter geschenkt, die als Grundlage für Niederkirchen (spätere Pfarrkirchen) gedacht waren. Damals trat auch der Bamberger Dompropst mit der Bitte um eine Güterschenkung für das Bamberger Domkapitel an den Kaiser heran. Poppo stand in einem sehr nahen Verhältnis zu Heinrich, denn in einer Art Narratio der Urkunde verwies der Kaiser auf bisher geleistete Dienste Poppos, die nun auch eine Zuwendung an das Domkapitel rechtfertigen sollten. Poppo war erst kurz davor zum Dompropst bestellt worden und bat gewissermaßen um „Vorschusslorbeeren” seine künftige Tätigkeit betreffend. Poppo stammte aus einer der mächtigen Familien des Reiches, die in der Forschung und heute im allgemeinen Sprachgebrauch als Babenberger bezeichnet werden. Er war ein Sohn des ersten Markgrafen Leopolds I. (gest. 994) und Bruder des 1014 „amtierenden” Markgrafen Heinrichs I. (994–1018). Auch Bamberg war noch eine junge Gründung, die unter beträchtlichen Schwierigkeiten 1007 gelungen war. Trotzdem gab es auch 1014 noch Widerstände von benachbarten Bischöfen, die Teile ihres Amtssprengels an das neue Bistum abtreten mussten. Die Schenkung an das Domkapitel von 1014 steht damit in dem bezeichnenden Kontext, dass dem Kaiser jede Förderung seiner Gründung, die er mit Aufmerksamkeit verfolgte, ein Anliegen war.
Heinrich kam Poppos Bitte nach und übergab den Brüdern, die in Bamberg nach den kanonischen Vorschriften lebten, 30 Königshufen aus seinem Besitz. Diese lagen an einem Ort (in loco), der Godtinesfeld genannt wurde im pagus Osterriche in der Grafschaft des Grafen Heinrich. Dass man Markgraf Heinrich in diesem Diplom als Grafen und seinen Herrschaftsbereich als Grafen bezeichnete, ist keine auffallende Besonderheit – wir kennen dafür viele Beispiele. Die Gegend, in der man die Grafschaft lokalisierte, bezeichnete man so wie in der berühmten ersten Erwähnung Ostarrichis in einer Urkunde Ottos III. vom Jahre 996.
Der Kaiser schenkte bereits besiedeltes Land, in dem es schon landwirtschaftliche und wahrscheinlich auch zugehörige handwerkliche Tätigkeit gab. Neben verschiedenen ökonomisch-kulturellen Einheiten wie Gewässer und Felder ist auch die Rede von Knechten und Mägden, die dort bereits arbeiteten und zur Schenkung dazugehörten. Damit stellt sich eine erste, bedeutsame Frage: Wer organisierte denn die Bearbeitung dieser Güter? Wie hat man sich die Bewirtschaftung von Land, das in königlichem Besitz war, vorzustellen? Dass es sich bei den 30 Hufen um Königsland handelte, ist vorauszusetzen – man unterschied damals nur in besonderen Fällen zwischen Herrscher- und Eigenbesitz des Königs, und auch die Maßeinheit der regales mansi deuten in diese Richtung. Weitere Hinweise liefert uns die gut erforschte Geschichte der Datierung der Urkunde.
Der Schenkungsvorgang begann mit Poppos Bitte im Juli 1014 und endete mit der Datierung Regensburg, 5. Juli 1015, also ein Jahr später. Zu diesem Zeitpunkt kann Kaiser Heinrich nicht in Regenburg gewesen sein, da er gerade ein Heer gegen den polnischen Herzog Boleslaw Chrobry in Sachsen sammelte. An der Ausstellung der Urkunde waren mehrere Schreiber beteiligt. Der Herausgeber der Urkunden Heinrichs II., Harry Bresslau, machte die Beobachtung, dass zwischen den Worten XXX regales mansos nostrae proprietatis und in loco qui dicitur Godtinesfeld ein Wechsel des Schreibers zu erkennen ist. Zunächst stimmte der Kaiser der Schenkung von 30 Königshufen zu, ließ aber offen, wo dieselben gelegen waren. Der Empfänger durfte sie sich, wie dies häufig in Parallelfällen nachzuweisen ist, nach ihrer Lage aussuchen. Der Babenberger Poppo hatte sicher Beziehungen zu Leuten die ihm raten konnten, wo günstig gelegene landwirtschaftliche Einheiten in der Mark lagen.
Es wäre zu überlegen, ob die Bewirtschaftung des geschenkten Gebietes am Wienfluss nicht durch Leute des Markgrafen erfolgte. Der Umfang des Gebietes in der Mark, auf das der Markgraf zur Bewältigung seiner herrschaftlichen und strategischen Aufgaben zurückgreifen konnte, ist umstritten. Karl Lechners Vorstellung, dass Bischöfe und Äbte aber auch Dynasten wie Vornbacher, Sieghardinger oder Ebersberger weit größere Besitzungen kontrollierten als der Markgraf, wurde mit guten Gründen von Max Weltin kritisiert. Tatsächlich muss man ja abgesehen von dem nachzuweisenden Eigenbesitz der Babenberger mit einem gewissen Zugriffsrecht auf Königsgut von Seiten des Markgrafen rechnen. Ich stelle in unserem konkreten Fall die Hypothese auf, dass Godtinesfeld Königsgut in markgräflicher Verfügung war und mit einem gewissen taktischen Nutzen für Poppo und Bamberg eigesetzt wurde. Poppos Herkunft und Karriere waren die gewöhnlichen Vorausetzungen für eine Erhebung zum Erzbischof, wie sie der Babenberger mit seiner Berufung nach Trier im Jahre 1016 erlebte.
Zur Größe und Lage des Besitzes
Wie groß können wir uns die Ausdehnung der geschenkten Güter vorstellen? Über die Fläche einer Hufe und einer Königshufe wird seit anderthalb Jahrhunderten diskutiert. Heide Dienst trat neuerdings unter dem Eindruck vergleichender Methoden, die von Vermessungsingenieuren entwickelt wurden, und ihrer Anwendung in verschiedenen deutschen Landschaften dafür ein, dass eine Königshufe ein Flächenmaß sei, das sie mit einem halben Quadratkilometer oder 50 ha bezifferte. Dieses Maß entspricht auch der Fläche größerer Besitzungen heutigen Tages. Der Besitz an der Wien umfasste demnach 15 Quadratkilometer – ein gutes Drittel der heutigen Fläche des 13. Wiener Gemeindebezirkes von knapp 38 Quadratkilometern. Königsschenkungen konnten am Beginn des 11. Jahrhunderts im Bereiche der Mark bis zu 100 Hufen umfassen, später wurden noch größere Einheiten geschenkt.
Wir gingen aufgrund der bisherigen Forschungstradition davon aus, dass Godtinesfeld am Wienfluss gelegen war. Der Beweis dafür gelang allerdings erst in den achtziger und neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Den entscheidenden Hinweis liefern vor allem die Grundbücher der Dompropstei St. Stephan, wo erstmals 1585 von einer Mühle im Goteinsfeld die Rede ist.
Es handelt sich dabei um die spätere Feldmühle, die der Feldmühlgasse den Namen gab. Ihre genaue Lage ist auch durch den Brequin-Plan des Wienflusses aus dem 18. Jahrhundert genau bestimmt.
Die grundherrschaftliche Situation provoziert natürlich die Frage, wie der Bamberger Besitz an das Domkapitel von St. Stephan gelangte. Dies führt in die komplexen Fragen der Geschichte von Gottinesfeld seit dem frühen 12. Jahrhundert und der Entstehung der Siedlung St. Veit.
Damals (1134/36) nannten sich ein Pabo und sein Bruder Erchinger nach Gottinesfeld. Es handelte sich um sogenannte Edelfreie ohne Grafenrang. Sie waren wohl jene adeligen Grundherren, welche die Bewirtschaftung von Gottinesfeld betrieben. Pabos herrschaftliche Bedeutung wird auch durch die Tatsache bestätigt, dass er einen Dienstmann hatte, der über Güter im heutigen Ort Gaweinstal verfügte. Die Brüder wurden als Zeugen einer Schenkung des Bruno von Bisamberg genannt, der einen Besitz, der als stabularis curtis bezeichnet wurde, an das Stift Vornbach am Inn schenkte. Er selbst hatte diese Herrschaftseinheit von Markgraf Leopold III. erhalten. Zunächst gehört Bruno zum Kreis der Mächtigen um den Vornbacher Grafen von Kreuzenstein Dietrich, am Ende der Regierungszeit Leopolds III. geriet er offensichtlich in das Umfeld des Markgrafen. Das geschenkte Gut wurde vielleicht als Wienencort, also Hof an der Wien bezeichnet. Es ist aber auch möglich, dass das Grundstück an einer Furt über den Wienfluss (Wienenvurt, so eine spätere Bezeichnung) lag.
Die Wienfurt war der Ursprung einer Siedlung, die man später als pomerium oder Baumgarten oberen Gutes bezeichnete (Zentrum war etwa die Kefergasse). Grundherr war bis 1803 das Kloster Vornbach, wie durch die einschlägigen Grundbücher zu beweisen ist.
Mit dem Begriff stabularis curtis meinte man wohl zentrale Wohngebäude im Verband eines Wirtschaftshofes, unter ihnen vielleicht auch ein oder mehrere Herbergen. Die Existenz solcher „Tavernen”, wo auch der Wechsel von Pferden möglich war, könnte insofern zur Wienfurt passen, als von dort möglicherweise der „Gebirgsrandweg”, der am Ostabhang des Wienerwaldes über Perchtoldsdorf und Mödling nach Süden führte, abzweigte. Dieser Weg ist für die Erschließung des Siedlungsgebietes im Süden Wiens von gewisser Bedeutung – die wenigen Urkunden des frühen 11. Jahrhunderts enthalten einige Nachrichten über diesen Raum. Wo dieser Gebirgsrandweg, den Peter Csendes beschrieben hat, seinen Ausgang nahm, ist nicht ganz klar. Die von Csendes erwähnte Kennedy-Brücke befindet sich schon in einer gewissen Distanz von der Wienfurt.
Immerhin wird das Wiental als ein Verkehrsweg erkennbar. Einige Jahre nach der ersten Erwähnung von Godtinesfeld reiste die Witwe des ungarischen Königs Stephan des Heiligen (+ 1038), Gisela, eine Schwester Kaiser Heinrichs II., zurück nach Baiern. Im heutigen Ort Mariabrunn fanden ihre Diener eine Marienstatue. Zu Ehren dieser Madonna wurde eine Kirche gegründet. Nachdem die Statue längere Zeit als verschollen galt, wurde sie im 15. Jahrhundert ausgerechnet von dem Ungarn Matthias Corvinus wiederentdeckt. Auch diese Geschichte unterstreicht die Bedeutung des Wientals und setzt voraus, dass die Entwicklung dieses Verkehrsweges etwas mit den Kontakten zu Ungarn zu tun haben könnte.
Pabo und Erchinger waren Neffen des Mödlinger Burggrafen Otto, der als ältester Vertreter der bekannten Dynastie der Maissauer gilt. Zur Familie gehört wahrscheinlich auch ein Dietmar, der Sohn eines Güterverwalters oder Jägers wohl im Dienste der steirischen Markgrafen namens Erchinger. Bedauerlich ist der negative Befund, dass wir keine Verbindungen der Brüder zu Bamberg feststellen können.
Als Mittelpunkt dieser Gegend trat allmählich St. Veit hervor. Schon in den neunziger Jahren des 12. Jahrhunderts nannten sich zwei Brüder, Albert und Ernst nach St. Veit. Sie bezeugten die Übergabe eines Weinberges an Vornbach, den das Kloster im Prozesswege dem Juden Schlom abgewonnen hatte. Unter den Zeugen befand sich auch ein Hermannus de pomerio, die erste Nennung nach Baumgarten und nicht nach der Wienfurt. Daneben begegnen bis ins 14. Jahrhundert Personen, die sich nach Goteinfeld nannten. Die herrschaftsgeschichtlichen Verbindungen zwischen St. Veit und Godtinesfeld sind noch nicht geklärt, den Herrn von Toppel kam als Grundherrn in St. Veit wohl eine Schlüsselrolle zu. Diese Entwicklung bis zu Rudolf IV. und der Entstehung der Grundherrschaft des Propstes von St. Stephan in den sechziger Jahren des 14. Jahrhunderts bedarf noch gründlicher Forschungen.
Eine letzte Frage bezieht sich auf die Suche nach den Zusammenhängen mit anderen Schenkungen König/Kaiser Heinrichs II. in der Mark. Lassen sich Grundlinien im Handeln des Herrschers erkennen und welche Rolle spielen die Babenberger und ihre Mark in seiner Sorge für Repräsentation lateinischer Herrschaft und Friedenswahrung?
Unserer Urkunde am nächsten steht die fast gleichzeitig erfolgte Schenkung von Grundstücken an fünf Orten als Basis Passauer Niederkirchen nahe der beiden Donauufer zwischen Krems und Tulln (Herzogenburg lag etwas weiter im Süden nicht direkt im Einzugsgebiet der Donau). Die Urkunde ist Zeugnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Kaiser und dem Passauer Bischof und ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung von Seelsorgezentren in einem Gebiet, das zum Teil schon organisiert war aber auch neu erschlossen wurde. Man kann aus dieser Aktivität schließen, dass schon in der Zeit der Schenkung Godtinesfelds an Bamberg die Zahl der Bevölkerung auch östlich der Traisen zunahm – Einwanderung und Herrschaftsorganisation also stattfand.
In das Jahr der Erhebung König Heinrichs II., nämlich 1002, führen uns zwei Urkunden. Markgraf Heinrich I. erhielt einen Besitz (predium) zwischen den Flüssen Dürrer Liesing und Triesting, das wir etwa mit im Raum Sulz, Heiligenkreuz und weiter südlich lokalisieren können. Die auf detailliertem topographischem Wissen beruhende Bezeichnung „Dürre Liesing” (so wortwörtlich in der Urkunde: Durran Liezniccham) legt nahe, dass in der Gegend des Baches schon vor 1002 Siedler am Werk waren. Wenn die Triesting tatsächlich die Südgrenze des Besitzes bildete, wären die Güter von außergewöhnlicher Ausdehnung gewesen. Der Bericht über einen Gerichtstag Herzog Heinrichs des Zänkers 985/991, die Schenkung an den Markgrafen Heinrich, unsere Schenkung von Godtinesfeld an Bamberg und schließlich eine in der Gegend des Lainzer Tiergartens zu lokalisierende Landschenkung Konrads II. an das Bistum Eichstädt von 1033 weist auf einen Schwerpunkt der Siedlungstätigkeit im Wienerwald hin.
Dazu konnte sich der Markgraf in dem weiten Gebiet zwischen Kamp und March 20 Hufen auswählen, ein gegenüber dem genannten predium kleinerer Besitz. Insgesamt scheinen die dem Markgrafen 1002 übergebenen Güter so ausgedehnt, dass Peter Csendes wohl recht zu geben ist, dass der König mit dieser Schenkung dem Markgrafen seinen Dank für dessen Unterstützung bei der Wahl abstattete.
Direkt nach seiner Erhebung schenkte König Heinrich II. ebenfalls in bemerkenswerter Größe Güter an einen gewissen Pilgrim. Es handelte sich um den Mittelpunkt einer Grundherrschaft, einer villa, in Wizinesdorf, in der Gegend von Haag. Auch dort gab es bereits Bewirtschaftung, die wohl auf einem älteren Siedlungsunternehmen in der Karolingerzeit beruhte. In einem benachbarten Wald durfte Pilgrim bis zu hundert Hufen aus dem Wald gewinnen. Bei diesem Wald handelt es sich um den Sallaberger Wald, einer jener inselartig verteilten Kulturwälder im Mostviertel, die durch jahrhundertelange Kultivierung aus dem einstigen ausgedehnten (Ur)wald hervorgingen. Doch auch die Wälder der Zeit um 1000 waren nicht mehr völlig naturbelassen. Aus einer Schenkung Heinrichs II. für Tegernsee von 1011 wissen wir, dass durch den Ennswald die Königsstraße führte. Wir kennen keinen Intervenienten, der beim König für die Schenkung an Pilgrim vorstellig wurde. Es ist vom treuen Dienst, den Pilgrim leistete, die Rede – es scheint, dass der gerade erhobene König aktiv in die Landnutzung eingriff und die Urkunde ausschließlich den „Herrscherwillen” widerspiegelte.
In der erwähnten villa gab es Königsgut, und von diesem Mittelpunkt aus sollte die Rodung des Waldes im Umfang von 100 Hufen erfolgen. Zu dieser Zeit und in dieser Gegend ist eher damit zu rechnen, dass es teils um die Nutzung eines zu gewinnenden Kulturwaldes und um die Schaffung von Weideland ging.
Die Schenkung an Pilgrim vom 1. Juli 1002 hatte vermutlich siedlungspolitische Folgen. Zwischen 1057 und 1063 schenkte der damalige Bischof von Bamberg namens Gunter sein Eigengut, das im Raum Wouezesdorf und Haag lag, dem Bistum. Zu dem geschenkten allodium (predium) gehörten Ministeriale, deren Rechte anlässlich der Schenkung aufgezeichnet wurden. Scharf treten schon damals die von ihnen zu leistenden Kriegsdienste hervor. Aufgrund der Lage der Güter nimmt man an, dass Bischof Gunter ein Nachkomme des Pilgrim von 1002 war. Die Anwesenheit von Bamberger Ministerialen legt nahe, dass im Haager Gebiet vieles produziert wurde, das man für den Kriegsdienst brauchte. Ich denke in diesem Zusammenhang vor allem an Weideland und Pferdezucht. In einem größeren geographischen Zusammenhang betrachtet, handelte es sich um westlich gelegenes Hinterland des Landes östlich des Dunkelsteiner Waldes und jener Schenkungsgebiete, die der Donau und den Wegen durch den Wienerwald nach Osten folgten.
1014/15 zur Zeit der Schenkung von Godtinesfeld herrschte im Grenzgebiet nach Ungarn Ruhe. Der wirtschaftliche und verkehrsmäßige Ausbau des Wientals, das im Raum des heutigen 13. Bezirks auch einen Verkehrsknotenpunkt besaß (Wienfurt, Gebirgsrandweg) könnte mit dieser vorübergehenden friedlichen Situation zusammenhängen. Das Eingreifen Heinrichs II. in Böhmen gegen den polnischen Herzog Bolelaw Chrobry scheint in der Mark keine organisatorischen Aktivitäten hervorgerufen zu haben, denn Heinrich führte seine Ritterheere ausschließlich durch den bayerischen Wald, den Nordgau oder von Sachsen aus gegen Böhmen. Die Mark spielte erst später gegenüber Böhmen und Mähren eine Rolle.
Eine strategische Bedeutung des Wientals im Rahmen der als bedeutsam gewürdigten Politik Heinrichs II. gegenüber den östlichen Nachbarn lässt sich aus unserer Schenkung an Bamberg nicht erschließen – der Reiseweg der Witwe Stephans des Heiligen zeigt aber, dass es im entstehenden Verkehrsnetz eine frühe Route bildete.
Dr. Klaus Lohrmann
Studium der Geschichte, Byzantinistik und Romanistik – Promotion 1976. Mitglied des Instituts für Österr. Geschichtsforschung mit der Staatsprüfung 1977. 1976–1987 Archivar im Wiener Stadt- und Landesarchiv. Gründer des Instituts für Geschichte der Juden in Österreich und dessen Direktor von 1988 bis 2004. Seit 2004 an der Universität Wien am Institut f. Österr. Geschichtsforschung bis zur Pensionierung 2014. 1991 Habilitierung für Mittelalterliche Geschichte und 2001 a.o. Univ.Prof.
Dr. Klaus Lohrmann erstellte diese Zusammenfassung seines Vortrages vorab für 1133.at. Der Text berücksichtigt auch die in der anschließenden Diskussion angeschnittenen Themen (grundherrschaftliche Fragen). Für 2016 ist eine erweiterte Fassung des Vortrags im Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien geplant.