Weltmacht oder Auslaufmodell – Religionen im 21. Jahrhundert
Das neue Buch von Heiner Boberski und Josef Bruckmoser. Eine Rezension von hojos
08.04.2013
Zwei renommierte Journalisten, der Ober St. Veiter Dr. Heiner Boberski und Mag. Josef Bruckmoser, geben in diesem Buch einen fundierten Überblick über nahezu alles, was mit Religion umschrieben werden kann. In den Kapiteln I bis VI präsentiert Heiner Boberski viel statistisches Material zur Entwicklung der verschiedenen Religionen und zur Religiosität der Menschen und stellt Ansichten namhafter Personen gegenüber. Das daraus entstehende Gesamtbild ist natürlich wesentlich diffiziler, als es die plakativen Überschriften wie „die klassische Religiosität ist vorbei“ oder „Religion hat kaum noch politischen Einfluss“ suggerieren, doch war Heiner Boberski im Sinne einer Arbeitsteilung für das Szenario einer eher schwindenden oder zu Konflikten führenden Religiosität zuständig. Josef Bruckmoser konzentrierte sich in den Kapiteln VII bis XII auf das Szenario einer bedeutsamer werdenden beziehungsweise auch zur Versöhnung beitragenden Religiosität und beleuchtet weitere Aspekte: Was ist Religion, wie ist der Zugang zur Evolution, wie sind die heiligen Bücher zu lesen, wie sollen die Religionen miteinander umgehen, und welche Rolle sollen sie im Staat spielen.
Den interessierten Leserinnen und Lesern werden manche Daten oder Zitate vielleicht schon geläufig sein, dennoch erhalten sie einen profunden Überblick über den aktuellen Stand der Dinge. Wünschenswert wäre zu manchen Aspekten vielleicht eine weitergehende persönliche Einschätzungen der Autoren. Vielen Europäern wird es nicht reichen, wenn die Gefahr islamischer Mehrheiten zwar verneint, aber die grundsätzlich auch von intoleranten Minderheiten ausgehende Gefahr nicht näher diskutiert wird. Wie soll man sich gegenüber einem andrängenden Islam nun tatsächlich verhalten? Natürlich würde man sich auch eine intensivere Diskussion so mancher der zitierten Aussagen wünschen, zum Beispiel über die christlichen Grundwerte zahlreicher chinesischer Wirtschaftskapitäne. Welche Grundwerte sollen das sein?
Im letzten Kapitel XIII resümieren dann Boberski und Bruckmoser gemeinsam über die Zukunft der Religionen. Dank der fundierten Einschulung in den vorangegangenen Kapiteln wird sich so manche Leserin und so mancher Leser jetzt allerdings in die Lage versetzt sehen, „mitzuresümieren“, und es könnte sein, dass ihr oder ihm das „Jein“ zur dem Buch den Namen gebenden Frage „Weltmacht“ nicht reicht. Das „Ja“ bezieht sich auf eine bleibende aber eher abstrakte Macht, die Menschen im inneren prägt und sich das aufs Politische auswirkt. Und das „Nein“ ist Ausdruck der Hoffnung, dass die unheilvolle Verquickung von Politik und Religion kein Zukunftsmodell ist.
Die aktuell hohe öffentliche Aufmerksamkeit für die katholische Kirche und den am 13. März 2013 gewählten Papst Franzsikus kann aber als kräftiges Lebenszeichen der „klassischen Religiosität innerhalb großer Institutionen“ gewertet werden, und eine gesonderte Stellungnahme zur katholischen Kirche als eine der wichtigsten moralischen Instanzen auf dieser Welt wäre wünschenswert gewesen. Schließlich lässt der Name Franziskus auf eine Renaissance der in unserer Gesellschaft verloren gegangenen Begriffe „Demut“ und „Bescheidenheit“ hoffen, denn das ist eine Voraussetzung für die offensichtlich notwendige Rettung der Welt. Natürlich ist den Autoren zugute zu halten, dass sie sich schon oft mit der katholischen Kirche befasst haben und sie in dem aktuellen Werk nicht besonders hervorheben wollten. Außerdem wurde das Buchmanuskript schon im November 2012 abgegeben, und damals war der Rücktritt eines Papstes noch ausgeschlossen. Damit muss den Autoren sogar fast eine prophetische Ader zuerkannt werden, schließlich betonen sie auf den Seiten 217 und 218, dass eine charismatische und vorbildliche Persönlichkeit wieder eine Begeisterung für die Religion auslösen kann.
Religion ist und bleibt also ein spannendes Thema mit ständig neu zu beleuchtenden Aspekten. Es besteht die Hoffnung, dass diesem informativen und zum Nachdenken Anlass gebenden Buch – in einem Ö1-Morgenjournal wurde es sogar als Standardwerk bezeichnet – noch weitere Folgen werden.
Das Buch ist auch im Bücher & Geschenkeladen in der Passage im Haus Hietzinger Hauptstraße 147 erhältlich.