Dr. Josef Kraft

1879–1945. Er schrieb das Buch "Aus der Vergangenheit von Ober St. Veit"

Josef Kraft wurde am 16. Oktober 1879 in Unterstinkenbrunn, Bezirk Mistelbach, geboren. Als begabter Zögling des bischöflichen "Kleinen Seminars" besuchte er das humanistische Gymnasium in Hollabrunn. Nach der Matura begann er ein Theologiestudium am Wiener Priesterseminar, nach nicht ganz zwei Semestern reifte in ihm die Erkenntnis, für diese Aufgabe keine Berufung zu haben. Er wandte sich daher dem Studium der Geschichte, Geographie, Kunst- und Literaturgeschichte auf den Universitäten Wien und Innsbruck zu, der katholische Glaube blieb aber weiterhin die Wurzel seines Wesens. 1905 promovierte er in Innsbruck mit der Arbeit „Das historische Jahrzeitenbuch des Erzherzogtums Österreich ob der Enns von Richard Strein Freiherr von Schwarzenau. Eine quellenkritische Untersuchung.“ Schon frühzeitig hatte er sich für die historischen Hilfswissenschaften interessiert und war bereits 1903 dem Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien beigetreten, dessen Generalsekretär und langjähriges Ausschussmitglied er später werden sollte. Im März 1905 trat er als Praktikant in das Statthaltereiarchiv Innsbruck ein. 1907 bestand er in Wien die Staatsprüfung für den Archivdienst am „Institut für Österreichische Geschichtsforschung“ und erhielt im gleichen Jahr eine definitive Anstellung in Innsbruck. Dort brachte er es bis zum Staatsarchivar I. Klasse und wurde zudem mit der Führung der Geschäfte am Tiroler Landesarchiv (Ständischen Archiv) betraut.

Am 21. März 1921 heiratet der 42jährige Josef Kraft in Wien St. Stefan die aus Oberschoderlee stammende Lehrerstochter Rosa Roßmiller, die er bei einem Verwandtenbesuch in Innsbruck kennengelernt hatte. Im gleichen Jahr erlangte er seine Berufung nach Wien an das Archiv für Niederösterreich und übernahm zwei Jahre später dessen Leitung. Die Familie der Brauteltern war bereits 1912, nach der Pensionierung des Vaters Anton Roßmiller, nach Wien Ober St. Veit übersiedelt. Auch die Familie Kraft bezog nach ihrer Verehelichung eine Mietwohnung in Wien-Ober St. Veit, Auhofstraße 142a. In unmittelbarer Nähe, in der Hagenberggasse 10, besaßen sie einen Garten, in dem sich die Familie Kraft gerne aufhielt. Der Ehe entstammt eine Tochter - Elisabeth (verehelichte Dr. Klötzl, Mutter des vielen Ober St. Veitern aus Vorträgen im Bezirksmuseum Hietzing und anlässlich der „Raiffeisen-Spaziergänge“ bekannten Dr. Gebhard Klötzl).

Josef Kraft war leidenschaftlicher Landes- und Heimatkundler und ein geborener Archivar, der mit Sorgfalt und Hingabe die Quellen ordnete, inventarisierte, bereitstellte und natürlich auch ausschöpfte. Sein Bestreben war es stets, die Schätze seiner Archive einem größeren Kreis zugänglich zu machen. Ab dem Jahre 1908 erschien daher eine Fülle von Arbeiten zur Tiroler, Niederösterreichischen und Wiener Landes-, Stadt- und Ortskunde, sowohl kunstgeschichtlicher als auch heimatkundlicher Natur. Die Artikel erschienen vor allem in den landeskundlichen Zeitschriften der jeweiligen Regionen, aber auch in Tages- und Wochenzeitungen. Dabei ist es erstaunlich, wie der geborene Niederösterreicher sich auch in die Landschaft, die Geschichte und das Volkstum Tirols einleben konnte. Mit seiner Übersiedlung nach Wien wuchs natürlich die Zahl seiner Arbeiten über Niederösterreich und insbesondere seiner Weinviertler Heimat erheblich. Sein Interesse gehörte vor allem dem kleinen, unscheinbaren Geschehen, dem bäuerlichen Leben und er wurde vielleicht der beste Kenner der Geschichte des niederösterreichischen Bauerntums. Dabei verstand er es, aus den trockenen Quellen lebendiges Geschehen herauszulesen und anschaulich darzustellen. Er widmete sich Themen wie dem Verhältnis zwischen Herrschaft und Bauer, dem geistigen und kulturellen Leben der Bauern und seinen mannigfachen Verzweigungen und Ausprägungen und auch dem religiösen und pfarrlichen Leben. Die eigentliche Tätigkeit im Archiv für Niederösterreich umfasste die Benützerbetreuung, wo häufig Weinviertler Pfarrer und andere Heimatforscher zu seinem „Kundenkreis“ gehörten.

Wann immer es möglich war, zog es ihn in seine Heimatgemeinde Unterstinkenbrunn zurück. Eine herzliche Freundschaft verband ihn auch mit der Pfarre Mauer bei Wien. Hofrat Dr. Josef Kraft starb am 19. Mai 1945 an einer Embolie im Krankenhaus in Bad Hall in Oberösterreich, wohin sie von einer befreundeten Familie im Frühjahr 1945 eingeladen worden waren, um den häufigen Bombenangriffen in Wien zu entgehen. Am 4. Juni 1947 wurde er, seinem persönlichen Wunsche entsprechend, auf den Friedhof seines Geburtsortes Unterstinkenbrunn umgebettet. Dass bei dieser Gelegenheit ganz Unterstinkenbrunn „auf den Beinen war“, bestätigte seine Bekanntheit und Beliebtheit in dieser Region.

Die Bibliographie des Historikers und Heimatforschers Josef Kraft umfasst 136 Beiträge und das posthum erschienene Heimatbuch „Aus der Vergangenheit von Ober St. Veit“. Dieses ist bis zum heutigen Tage das einzige umfassende lokalhistorische Werk über Ober St. Veit geblieben und diente praktisch allen zur Zeit gängigen Hietzing-Büchern als Haupterkenntnisquelle zur Ober St. Veiter Lokalgeschichte. Wegen des plötzlichen Todes von Josef Kraft blieb sein Manuskript unvollendet und reicht nur bis etwa 1800 - eine bis heute nicht geschlossene Lücke. Seiner Witwe gelang es, einen Historiker (Dr. Rudolf Till) zu finden, der die hinterlassenen Aufzeichnungen in die Form eines Buches brachte, welches schließlich 1952 erschien. Heute ist das Buch nur mehr über Antiquariate erhältlich.

Wegen seiner Verdienste für die Ober St. Veiter Lokalgeschichtsforschung erfolgte mit Gemeinderatsbeschluss vom 5. März 1987 die Benennung eines Weges beim Ober St. Veiter Friedhof in „Josef Kraft-Weg“.

Quellen:
Eminger Erwin: Menschen aus dem östlichen Weinviertel, Heimat im Weinland, heimatkundliches Beiblatt zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach, Jahrgang 1995/1;
Klötzl, Gebhard, Privataufzeichnungen 1985;
Kraft, Josef: Aus der Vergangenheit von Ober-St. Veit. Wien: Europäischer Verlag, 1952;
Lechner, Karl: Josef Kraft, Sonderabdruck aus „Unsere Heimat“, Jahrgang 18, Nr. 7-12, 1947;

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2005