Franz Spunda

Geboren 31. Dezember 1889 in Olmütz, gestorben am 1. Juli 1963 in Ober St. Veit, Matrasgasse 22, begraben am Ober St. Veiter Friedhof
12.02.2019

Im Folgenden die Biografie des Parapsychologen und Meyrink-Exegeten Eduard Frank aus Anlass des 10. Todestages im Jahr 1973: „Der magische Dichter Franz Spunda“. Eine umfangreiche Spunda-Biografie ist auf Wikipedia.

I

Im alten Österreich war es eine gute Tradition, dass viele seiner Beamten und Lehrer im „Nebenberuf" Poeten waren. Auch Spunda gehört in diese Reihe. Denn eigentlich war der am 1. Januar 1890 in Olmütz geborene Schriftsteller den größten Teil seines Lebens Gymnasialprofessor. Er studierte Germanistik, Romanistik und Philosophie in Wien, Berlin, München und Paris, wo er auch in Verbindung zu okkulten Kreisen stand, die seinen Interessen eine ganz bestimmte Richtung gaben. Im Jahre 1913 promovierte er zum Dr. phil. Von 1914 bis 1917 war er Kriegsteilnehmer. Anschließend fand er seine erste Anstellung in Mährisch-Ostrau, von wo er schließlich schon im September 1918 nach Wien übersiedelte. Dort wirkte er bis 1945 an einem Realgymnasium. 1924 unternahm er (mit Theodor Däubler) seine erste Reise nach Griechenland, der mehrere Reisen in den Orient folgten. In Wien ist er am 1. Juli 1963 gestorben.

Spunda hat ein umfangreiches Lebenswerk hinterlassen. Im wesentlichen entwickelte es sich auf drei Ebenen: Im Vordergrund standen die magischen Dichtungen. Dazu gehörten in erster Linie die Romane „Devachan“ (1921), „Der gelbe und der weiße Papst“ (1923), „Das ägyptische Totenbuch“ (1924) und „Baphomet“ (1927). Thematisch damit verbunden könnte man die „Hymnen“ (1919), „Astralis“ (1920) und „Gottesfeuer“ (1924) sehen. Ebenso die essayistische Arbeit „Der magische Dichter“ (1923) und die Monographien „Paracelsus“ (1925) und „Das Weltbild des Paracelsus“ (1941). Aber auch in seinen Reisebüchern („Griechische Reise“, 1926; „Griechische Mönche“, 1927; „Der heilige Berg Athos“, 1928; „Griechenland“, 1938; „Fahrt zu den alten Göttern“, 1956; „Legenden und Fresken vom Berg Athos“, 1962) sind die Züge des magischen Dichters Spunda oft sehr ausgeprägt zu erkennen.

Als zweite Gruppe könnte man die historisch profilierten Romane zusammenfassen: Von „Minos“ (1931), „Romulus“ (1933), „Wulfila“ (1936), „Alarich“ (1937), „Tyrann Gottes“ (1941), „Der Herr vom Hradschin“ (1942; neu aufgelegt), „Verbrannt von Gottes Feuer“ (1949), „Vergilius“ (1949) „Römischer Karneval“ (1954), „Giogiones Liebeslied“ (1955) bis „Herakleitos“ (1957). Auch der Roman „Griechisches Abenteuer“ (1932, neu aufgelegt unter dem Titel „Hellas Fackel leuchtet“) gehört in diese Reihe.

Schließlich hat sich Spunda auch noch als Übersetzer von Petrarca, Aretino, Leopardi und Ossian bewährt.

II

Geistesgeschichtlich gehört Spunda mit einem großen Teil seines Schaffens zur Gruppe jener Schriftsteller, die sich in Österreich um Gustav Meyrink, K. H. Strobl, Kubin, Paul Busson, Leo Perutz und Egmont Colerus scharten. Nicht zufällig hat Meyrink wesentliche Romane Spundas in seiner im Rikola Verlag in Wien erschienenen Reihe „Romane und Bücher der Magie“ seit 1923 herausgegeben. Im Vorwort, das Meyrink der ganzen Serie voranstellt, heißt es programmatisch:

Ich bin mir klar bewusst: Ich steche in ein Wespennest, indem ich mit diesem Vorwort eine Reihe Bücher eröffne, die ich unter dem Titel: „Romane und Bücher der Magie“ herausgeben werde. Nichts kann die Schulmeister so bald in Wut versetzen wie der Anblick des für sie roten Tuches: „Mystik, Magie, Okkultismus.“

Sie schützen dann immer Besorgnis ums Volkswohl vor. „Wir Deutschen“ – so rufen sie – „dürfen nicht – und heute erst recht! – den Boden der Wirklichkeit unter den Füßen verlieren. Nur ruhig, meine Herren! – Schauern Sie sich mal die Amerikaner und Engländer an; haben die vielleicht den Boden der Wirklichkeit unter den Füßen verloren? (Womit ich nicht etwa die Amerikaner und Engländer als leuchtende Vorbilder hinstellen will!)

So schrieb Meyrink vor etwa einem halben Jahrhundert. Die Geschichte hat ihm recht gegeben. Trotz der bedeutenden Aufgeschlossenheit für Probleme jenseits der Dreidimensionalität haben sie wahrhaftig nie den Blick für die Wirklichkeit und handfeste Realität verloren. Meyrink wollte auch in der deutschen Literatur eine Ahnung davon vermitteln, dass es nicht nur ein „Hüben“, sondern auch ein „Drüben“ gibt. Die Folge davon war, dass er Autoren wie Spunda nachdrücklich förderte. Denn auch diesem ging es darum, Undurchschaubares transparent zu machen. Theosophische, magische, buddhistische und sonstige orientalische Geheimwissenschaften prägten die Grundzüge dieser Romane. Interessant dabei ist vielleicht, dass Spunda alles auf Handlung, auf Aktion stellt und dadurch einen gewissen sensationsliterarischen Einschlag gibt. Man wird keine Sentenzen, keine zitierbaren Stellen finden, die das Hintergrundwissen griffig darstellen. Nur der Gesamtablauf, die – oft bloß angedeutete – Thematik, sind entscheidend für die Substanz.

Anders ist es bei den theoretischen Werken, z. B. dem „Weltbild des Paracelsus“. Hier formuliert Spunda Grundsätzliches. Etwa: „Die Allegorie beherrscht das ganze Mittelalter. Jedes Ding hat nicht bloß seine gegenständliche Bedeutung, sondern ist darüber hinaus noch Träger eines allgemeinen Gedankens.“ Für ihn ist „Mystik kein planloses Schwärmen einer verstiegenen Einbildungskraft, sondern das religiöse Bestreben, alles Erleben der Natur zurückzuführen zu Gott, und zwar zu dem Gott, der in der eigenen Seele wohnt.“ Als Gegensatz Magie. Sie „ist der umgekehrte Weg: Aus der Seele hinaus in die Natur und dort die in der Seele als lebendig wirkenden Kräfte als ebenso wirkend zu erkennen, wobei der Seele die Gewalt zugesprochen wird, über die Naturkräfte Macht zu erlangen.“ Man bewundert an diesem Buch Spundas, wie er im Jahre 1941 Fragen der Astrosophie, Alchemie und sogar der Kabbala mit in seine Untersuchungen einbezieht. Paracelsus wird in seinem Halbdunkel aus drei Richtungen anvisiert: aus der negativen seines abgefallenen Schülers Oporinus, der ihn zum Scharlatan, Betrüger und Gaukler degradierte; aus der theosophischen Franz Hartmanns, für den er ein Eingeweihter höchsten Grades war; und schließlich in einer dritten Sicht, die Paracelsus als Reformator der Naturwissenschaft, besonders der Medizin feiert (Karl Sudhoff, Franz Strunz). Spunda selbst sieht als Hauptaufgabe bei der Zeichnung dieses Paracelsusbildes: sämtliche Schriften als gleichwertig anzusehen und eine einheitliche Gestaltung seines Weltbildes zu versuchen. Was Spunda in seinen magischen Romanen oft mit flammend-grellen Farben darzustellen versucht, wird hier mit wissenschaftlicher Solidität fundiert vorgetragen. Dabei greift er oft in die Gebiete der Grenzwissenschaften aus und gibt der Schulwissenschaft manches ungelöste Problem auf.

III

Es ist indes vielleicht recht aufschlussreich zu wissen, wie Spunda in den letzten Jahren über seine Stellung zum Okkulten reflektierte. In einem Brief vom 14. August 1960, drei Jahre vor seinem Tode, schrieb er mir:

„ ... So unhöflich war ich noch nicht in meinem Leben, dass ich (ein) Jahr lang auf einen freundlichen Brief nicht antwortete, aber die letzten Monate prasselte es hageldicht auf mich. Meine liebe Frau erkrankte vor elf Monaten im Gallenbad Mergentheim ... ich brachte sie nach Wien zurück, wo sie sofort operiert wurde, und dabei stellte sich heraus, dass sie einen Krebstumor am Pankreas hatte. Ich bemühte mich nun mit meinem ältesten Sohn, der Facharzt für Neurologie ist, das Übel zu bekämpfen. Der Tumor wurde operiert, sie erholte sich soweit, dass wir gemeinsam ausgehen konnten, alles schien gerettet. Da kam Ende Mai der Zusammenbruch. Sie können sich denken, was ich da mitgemacht habe. Um nicht auch unterzugehen, machte ich mit meinem jüngsten Sohn eine längere Griechenlandreise, die mich wieder auf gleich brachte. So kam ich erst jetzt dazu, Ihr Meyrink-Buch zu lesen. Ihr Buch fesselte mich ungemein. Ich war einmal bei M. zu Besuch und erfuhr von seinem Freund Schmid Noerr wichtige Mitteilungen über ihn. Ich selber fange an, mich von allem, was als 'okkult' bezeichnet wird, zu distanzieren, denn die Beschäftigung damit hat mir nur Unglück gebracht, und wende mich dem Apollinischen Griechentum zu. Meinen letzten Roman 'Herakleitos' (Graz, Verlag Kienreich) kennen Sie vielleicht. Auch stelle ich einen neuen Band Gedichte zusammen, der im nächsten Jahr erscheinen soll ...“

Damit kehrt Spunda gegen Ende seines Lebens wieder bewusst auf den Boden einer apollinischen Antike zurück, einer Antike aber, „die er nicht mehr mit Winckelmannschen Augen betrachtet“ (Wilhelm Formann). Denn immer wieder drängt es ihn zu einer Tiefenschau, die über ein museal-statuarisches Griechentum hinaus noch das Dionysische durchschaut und sich an unheimliche barbarische Urkräfte herantastet.

Zehn Jahre sind seit Spundas Tod verstrichen. Manche seiner Bücher findet man nur noch in Antiquariaten, wo sie dann freilich willkommene Funde sind. Denn im Gesamtwerk des Autors eingeschlossen ist vieles Lebendige, das auch der Gegenwart Nachdenkliches zu bieten hat.

Quellen:
Frank, Eduard: Der magische Dichter Franz Spunda – zum 10 Todestag. In: Sudetenland, Vierteljahresschrift für Kunst, Literatur, Wissenschaft und Volkstum. Fünfzehnter Jahrgang, Heft III 1973, München: Bogen-Verlag

Übertragen und ergänzt von hojos
im Februar 2019