Ludwig Bowitsch
Geboren am 24. August 1818 in Döbling, gestorben am 22. September 1881 in Ober Sankt Veit. Er war ein Volkstümlicher Dichter der Spätromantik, Mitherausgeber des „Österreichischen Balladenbuchs". Zog sich im Ruhestand nach Ober St. Veit zurück und starb hier am 22.9.1881.
24.08.1818
Ludwig Bowitsch war der Sohn eines k. k. Staatsbeamten. Nach dem Gymasium begann er ein Rechtsstudium an der Universität Wien. Wegen der misslichen Verhältnisse im Elternhause musste er das Studium aufgeben und sich durch Sicherung einer Beamtenstellung selbständig machen. Im April 1839 trat er bei der Hofkammerprocuratur in den Kanzleidienst, wurde im November 1842 Registraturpraktikant bei der Hofkanzlei, zwei Jahre später Registratur-Accessist und 1850 mit der Leitung der Registratur der damals im Entstehen begriffenen Gendarmerieinspection betraut. 1851 wurde er Registrator und später Kanzleivorstand der Inspection. Er blieb in dieser Stellung, bis er 1879 mit dem Titel eines kaiserlichen Rats in den Ruhestand trat und sich nach Ober St. Veit bei Wien zurückzog. Hier starb er am 22. September 1881.
In die Literaturgeschichte ist er als volkstümlicher Dichter der Spätromantik eingegangen, er veröffentlichte Lyrik, Novellen, Sagen sowie Romanzen und wurde als Mitherausgeber des „Österreichischen Balladenbuchs" bekannt.
Bowitsch trat, kaum 20 Jahre alt, in Wiener Blättern und Taschenbüchern mit schriftstellerischen Arbeiten hervor, teils ohne Namen, teils unter dem Hehlnahmen Ludwig Bisthow. 1839 ließ er ein Bändchen Gedichte als „Poetische Versuche“ erscheinen, in zweiter Auflage als „Gedichte“ 1846. Der Grundton, der hier angestimmt und in den „Blumenromanzen“ 1855, den „Kinder-“, „Jäger-“ und „Volksliedern“ (1859 bis 1861) sowie im „Liederbuch“ 1866 beibehalten wird, ist der des Volksliedes. Ein sanfter, wehmütiger Hauch geht durch viele dieser Lieder, die vom Leid der Liebe und von unbestimmter Sehnsucht singen. Die Form ist fast durchweg die des volksliedmäßigen Vierzeilers. Bisweilen wird bei ihm tiefere Empfindung und die Unbewusstheit des Volksliedes vermisst. Die Sprache sei schlicht und einfach, verfalle wohl auch ins Alltägliche. Das verlassene Mägdlein oder der betrogenen Liebhaber sind stehende Gestalten („Mein Lieb hat mich verlassen“, „Zu dir bin ich gegangen“ u. a.), oder das Mägdlein erscheint als blühende Rose, der vom vorüberziehenden Wanderer oder vom Sturme Gefahr droht („Eine Rose“, „Das Röslein im Tale“).
Rose und Efeu
(Aus "Blumen-Romanzen", 1855)
Es stand eine Rose in heller Pracht,
entknospet vom Kusse der Maiennacht.
Ein Efeuränkchen, erfüllt vom Neid,
besah die liebliche Blumenmaid.
"Es dünkt micht fast, Erhabene mein,
du dürtest nicht zu beneiden sein!
Ich walte und lebe das ganze Jahr -
mit dir vielleicht ist's schon morgen gar!"
Die Rose schüttelt ihr Haupt und spricht:
"Dein langes Leben begehr ich nicht! -
Und scheid' ich morgen vom Blütenhag -
ich war doch Rose den einen Tag!"
Manches Erfreuliche ist Bowitsch gelungen, wo er Blumen redend einführt: „Rose und Rebe“, „Rosengespräch“. Echt romantisch ist seine Vorliebe für fahrendes Volk, für Spielleute, Wanderburschen, Pilger, Jäger, Reiter, Bergmannsleute. Manche dieser Gedichte haben geradezu den Anstrich von Burschenliedern, wie denn Bowitsch in Nachfolge Scheffels auch eine Reihe von Trinkliedern gedichtet hat, die in einem Bändchen „Beim Wein“ 1857 gesammelt erschienen.
Romantisches Gepräge zeigen auch die Sammlung der Märlein „Rübezahl“, der Märlein und Sagen „Vom Donaustrande“ und der „Volksmärchen und Sagen aus der Vorzeit Mährens“, die durch die Brüder Grimm angeregt sind; ferner die „Romantischen Dichtungen“, Epen in Lenaus Art: „Servet“ behandelt die Religionswirren in der Schweiz zur Zeit Calvins; „Ernst von Schwaben“ besingt die Empörung Ernst von Schwabens und Werners von Kiburg gegen Kaiser Konrad; „Fernando und Auly“ hat die Liebesgeschichte eines spanischen Eroberers mit einer schönen Insulanerin zum Inhalt.
Romanzen hat Bowitsch als „Heroiden“ 1864 erscheinen lassen. Hier wird fast die ganze Geschichte in versifizierten Episoden zur Darstellung gebracht: von Homer zu Hannibal und weiter zu Fingal, zu den Wikingern, den deutschen Kaisern, Götz von Berlichingen, Paul Gerhard und Napoleon. Arndt und A. Grün sind hier vorbildlich gewesen. Später haben Lissauer, Hohlbaum u. a. diese Richtung wieder aufgegriffen. Die „Legenden“ sind Versifikationen von ziemlich äußerlichen Lehren, die Christus in den Mund gelegt sind. In „Sindibad“, einer Sammlung orientalischer Verserzählungen, wirkt die orientalische Richtung Hammer-Burgstalls weiter.
Im Ganzen werden allen diese Arbeiten ein stark epigonenhafter Zug nachgesagt, es mangle Bowitsch an Eigenart. Dennoch wird ihm ein beachtenswertes Talent attestiert, das sich in allen Formen gewandt zeigt und in seinen Darbietungen ein Streben nach höchster Veredelung und einen Eifer für Wahrheit und Recht erkennen lässt.
Heute noch ist er als Herausgeber großer Anthologien bekannt. Deren bedeutendste ist das „Österreichische Balladenbuch“ 1856, das über 300 österreichische Balladendichter anführt.