Die Versorgung

Über die Versorgung von armen und hilflosen Personen im Raum Wien bis zur Eröffnung des Versorgungsheimes 1904. Darstellung aus Anlass eines Vortrages von Herrn Steinwandtner im Rahmen der Raiffeisen-Spaziergänge.
01.03.2005

Herr Steinwandtner erzählte von der Versorgung von arbeits- und erwerbsunfähigen Personen ab der Zeit der Babenberger. Natürlich waren im Mittelalter schuldhaft oder unverschuldet in Not geratene Menschen in erster Linie auf den Zusammenhalt von Familie oder Gemeinschaft und auf Almosen angewiesen. Aber schon diese Zeit kannte Spitäler, allerdings nicht nur zur Aufnahme armer Kranker, sondern auch hilfloser Fremder. Es fanden Arme, Sieche, Waisen aber auch arme Reisende und Pilger Zuflucht. Es ist daher bezeichnend, dass das älteste bekannte Spital in eine sehr reiseintensive Zeit fiel, nämlich in die Blütezeit der Kreuzzüge: Herzog Leopold stiftete am 27.5.1211 gemeinsam mit dem Arzt Meister Gerhard das Spital zum Heiligen Geist. Es wurde in der Gegend des heutigen Karlsplatzes (damals ein am Wienfluss gelegener Obstmarkt) erbaut und diente der Aufnahme gebrechlicher oder kranker Armer.

Dem Spital zum Heiligen Geist folgten bald weitere:
· „Der Burger Spital“, von der Gemeinde an der Brücke zum Kärntnertor gegründet. In Erfüllung einer Versorgungspflicht der Stadt diente es als Asyl für einheimische und fremde Arme und Kranke, egal ob Kind oder Greis und wurde laufend vergrößert.
· Ein Spital für Aussätzige, 1266 durch Gebhard, Pfarrer bei St. Stefan bei dem Klagbaum auf der Wieden gegründet (Kreuzzüge und reger Handelsverkehr brachten bösartige Krankheiten nach Mitteleuropa).
· Ein Spital für Kranke mit 13 Betten, 1327 durch Herzog Friedrich den Schönen vor dem Werdertor im oberen Wird gegründet. Es wurde schon bald mit dem
· Spital zu St. Martin (zur Aufnahme von 30 alten Männern und 10 alten Frauen), von Otto dem Fröhlichen vor dem Widmertor gegründet, zusammengelegt.
· Das Spital zu St. Theobald auf der Laimgrube, 1349 von Herzog Albrecht II. und seiner Gemahlin Johanna von Pfirt als Armenasyl für nicht mehr diensttaugliche Personen des herzoglichen Hofstaates gegründet.
· Weiters das Spital zu St. Marx (oder St. Lazar) für Aussätzige und das zu St. Johann in der Siechenals in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts.

Über die erste Türkenbelagerung hinaus erhielten sich nur das Bürgerspital, das Spital zu St. Marx und der Klagbaum. Um den Bedürfnissen gerecht zu werden, wurden diese Spitäler bald vergrößert und neue gegründet. Eine der zahlreichen Gründungen war das zwischen 1540 und 1545 gegründete Spital für „Arme, Kranke und dürftige verlassene Personen, die sonst nicht zu leben haben“ auf einem ehemaligen Gelände des Minoritenklosters. Aus diesem wurde das spätere Hofspital auf dem heutigen Ballhausplatz. Schließungen und Zusammenlegungen änderten die Struktur der Versorgung zusätzlich, wobei vor allem das Bürgerspital die Aufsicht über zahlreiche Betriebe erhielt. Auf alle Gründungen und Veränderungen im Detail einzugehen, würde den Rahmen dieser Darstellung sprengen. Deshalb werden in weiter Folge bisher nicht erwähnte Spitalsbezeichnungen auftauchen.

Eine Facette dieser Entwicklung waren drei Häuser in der ehemaligen Judenstadt im unteren Wird zur Errichtung eines Zucht- und Arbeitshauses. Das in Wien herumtreibende herrenlose Gesindel und Bettlervolk sollte vermindert und das allgemeine Laster der Unzucht gezügelt werden. Viele der Spitäler leisteten auch während der Pest- und anderer Epidemien gute Dienste. 1694 bis 1697 schließlich erfolgte der Bau des ersten großen Hofes des späteren Allgemeinen Krankenhauses, in erster Linie für Militärinvaliden, aber auch als Unterstand für „Zivilarme“, Studenten und Kinder. 1720 folgte der zweite Hof und wurde wegen der nach Wien gehörenden und vom Lande hereinströmenden Invaliden bald Großarmenhaus genannt. Die Abteilung für Kranke und Wöchnerinnen war damals noch klein. Ein dem Großarmenhause zugewiesener Lohnwagenbetrieb zur Gefälleregulierung scheiterte nach anfänglicher Prosperität. Als Maria Theresia die Invalidenversorgung zur Staatsangelegenheit machte, wurde der diesbezügliche Stiftungsanteil zum Nachteil des Großarmenhauses ausgeschieden.

Eine weitere Form der öffentlich unterstützten Armenversorgung war zu Zeiten Maria Theresias die dörfliche Unterbringung bei Bauern. In Hietzing fanden 1742 bis zu 6 hilfsbedürftige Menschen bei Bauern Unterkunft. Als Ausgleich hatte die Bauern weniger Abgaben zu leisten oder erhielten diverse Zuwendungen.

1715 bekamen die Grundobrigkeiten der Stadt und der Vorstädte den Auftrag, für ihre Armen eigene „Grundspitäler“ zu errichten. Die Bevölkerung zahlreicher Vorstädte hatte die Armen-, Kranken- und Strafhäuser Wiens zu stark in Anspruch genommen, ohne dafür Erhaltungsbeiträge zu leisten. In diesen Grundspitälern wurden nur Arme verpflegt, die Kranken wurden an das Bürgerspital, das Großarmenhaus, St. Marx, Lazarett, den Kontumazhof etc. abgegeben. 1741 gab es 11 Grundspitäler. Eines davon, nämlich das in St. Ulrich bei Steyr zeigt das nachfolgende Bild. Vor dem Armenhaus ist eine Gruppe von Pfleglingen in den typischen Umhängen zu sehen. Diese Umhänge wurden ihnen vom Heim gegeben, um bei festlichen Anlässen entsprechend erscheinen zu können.

Das Grundspital St. Ulrich bei Steyr. Vor dem Armenhaus ist eine Gruppe von Pfleglingen in den typischen Umhängen zu sehen. Diese Umhänge wurden ihnen vom Heim gegeben, um bei festlichen Anlässen entsprechend erscheinen zu können. © Archiv 1133.at
<p><b>Das Grundspital St. Ulrich bei Steyr</b></p><p>Vor dem Armenhaus ist eine Gruppe von Pfleglingen in den typischen Umhängen zu sehen. Diese Umhänge wurden ihnen vom Heim gegeben, um bei festlichen Anlässen entsprechend erscheinen zu können.</p><p><i>&copy; Archiv 1133.at</i></p>

Im Jahre 1783 leitete Kaiser Josef II umfangreiche Reformen ein, die eine genauere Teilung der Zuständigkeiten vorsahen. Eine Kaserne in Ybbs, die aufgelassenen Karthäuserklöster zu Mauerbauch und Imbach, der Kollonitsgarten in der Leopoldstadt, der Langenkeller am Neubau, das Versorgungshaus am Alserbach, die Grundspitäler und der Sonnhof waren für Arme mit Anspruch auf gänzliche Verpflegung bestimmt, das Großarmenhaus, Lazarett und der Kontumazhof sollten arme, hilfsbedürftige Kranke aufnehmen. St. Marx war verarmten Bürgern und deren Witwen vorbehalten. Das Hofspital, das Bürgerspital bei St. Klara, der Klagbaum und das Johannesspital wurden aufgelassen. Zwei weitere zu dieser Zeit existierende Spitäler (das Spanische Spital und der Strudelhof) sollten der Erziehung von Waisen und Findelkindern dienen. Dem am 16. August 1784 eröffneten allgemeinen Krankenhaus wurden das zur Aufnahme von unheilbaren Kranken bestimmte Bäckenhäusl und das Alserbacherhaus und das zur Aufnahme von Geisteskranken bestimmte Lazarett zugeordnet.

Natürlich veränderte sich auch in weiterer Folge die „Versorgungslandschaft“ laufend, zunächst mit dem Ziel, die Zahl der Armenanstalten in Wien zu vermindern und später aus laufenden Anpassungserfordernissen und Projektierungen.

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts hatten Bürger und ihre Angehörigen bzw. Hinterbliebenen das Recht, von der für sie zuständigen Gemeinde erhalten zu werden. Es entstanden zahlreiche kleine Armenhäuser, die durch Sach- und Geldleistungen der Gemeinde und der Bürger erhalten wurden. Die Art des Unterhaltes in diesen Stätten war sehr unterschiedlich, umfasste in der Regel Kost und Quartier, manchmal wurde statt der Verköstigung auch Essensgeld ausgegeben. Zu oft wurde das Geld jedoch in Alkohol investiert und diese Variante wieder eingestellt. Die Armenhäuser hatten auch das Recht, zu bestimmten Zeiten sammeln zu gehen und sich dadurch ein kleines Taschengeld zu verdienen (siehe die Büchsenresl).

1861 unter Bürgermeister Dr. Andreas Zelinka kam es abermals zu gründlichen Reformen. Sie bezogen sich auf die Trennung der Geschlechter, Regelungen der Ausgangstage, der Schlafenszeiten, Versetzungen in auswärtige Anstalten, das Verbot des Branntweintrinkens, die Brotregulierung, die Dienstzulage, den Speisetarif für Kranke und die probeweise Verköstigung. Von der Naturalverpflegung wurde bald wieder abgegangen. Es kamen 1863 noch Regelungen zum ärztlichen und administrativen Dienst und die Einrichtung besonderer Abteilungen für „Blödsinnige, Geisteskranke und Trunkenbolde“ hinzu. 1864 wurden die Reformen auch auf die Grundarmenhäuser ausgedehnt. Darüber hinaus wurden Neubauten in Ybbs, am Alserbach eröffnet und in weiterer Folge Adaptierungen und Neubauten in angekauften Realitäten in Klosterneuburg und Liesing und unter der Bezeichnung „Städtisches Asyl- und Werkhaus“ auch in der Leopoldstadt und in Favoriten vorgenommen.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts führte die Bevölkerungszunahme im Raum Wien und vor allem die Vereinigung der – mit Armenhäusern nur unzureichend versorgten – Vororte mit der Gemeinde Wien zu einem wachsenden Bedarf an geschlossener Armenpflege. Dieser Bedarf drohte durch die mit 1. Jänner 1901 bevorstehende Heimatgesetznovelle mit ihren ausgeweiteten Rechten in Bezug auf die Armenversorgung auszuufern. Zunächst wollte man Kapazitäten außerhalb Wiens erweitern. Der Stadtrat hatte aber mittlerweile umgedacht und fand es als Härte, arme alte Wiener fern ihrer Heimat und weit weg von ihren Verwandten, Freunden und bekannten ihren Lebensabend beschließen zu lassen.

Nach eher unglücklichen Zwischenlösungen (dichtere Belegung, Entlastung der geschlossenen Pflege durch höhere Pfründe, Verlagerung in Landesanstalten) begannen 1900 unter dem Vorsitz des Armenreferenten Dr. Weiskirchner die Beratungen über den Bau eines neuen Versorgungshauses. Auch die Überlassung der Versorgungseinrichtungen im 9. Bezirk an den Wiener k. k. Krankenanstaltenfonds zur Errichtung neuer Kliniken zeichnete sich ab. Es folgten mehrere Gemeinderatsbeschlüsse bis ins Jahr 1903, die ausgehend von einer ersten Ausbaustufe für 2000 Pfleglinge schließlich 14 Pavillons für nahezu 3500 Pfleglinge mit Kosten von über 9 Mio. Kronen vorsahen. Die rapide Steigerung des Bedarfes nicht zuletzt wegen der Heimatgesetznovelle und darauf aufbauende Wirtschaftlichkeitsüberlegungen ließen dies geboten erscheinen. Ein Großteil des Geldes stammte aus dem Verkauf der Versorgungshausrealität in der Spitalgasse im 9. Bezirk um 4,5 Mio. Kronen. Erbaut wurde das Neue Versorgungsheim auf einem 353.000m2 großen Teil eines Gemeindeareals in Lainz und Ober St. Veit inkl. zuletzt angekaufter Wimpissinger-Gründe.

Der am Jerusalemer Ölberg gebrochene Grundstein wurde unter Anwesenheit Kaiser Franz Josefs am 7. Oktober 1902 gelegt, der Schlussstein am 15. Juni 1904. Pförtnerhaus, Eiskeller und Gewächshaus mitgezählt wurden 31 Gebäude errichtet. Die wesentlichen Gebäude sind je 5 Frauen- und Männerpavillons und je 2 Pavillons als Ehepaarheime und Krankenstationen. Die restlichen Gebäude beherbergen alle weiteren notwendigen Einrichtungen für die Verwaltung und die Versorgung von Leib und Seele. Den Mittelpunkt bildet die im spät romanischen Stil erbaute Kirche zum hl. Borromäus . Ursprünglich war sie in sehr einfacher Ausführung geplant, zahlreiche und wertvolle Spenden der Bürger ermöglichten die heute noch gänzlich erhaltene üppige Ausstattung. Das folgende Bild zeigt ein Panaoramafoto des Versorgungsheimes unmittelbar nach der Ferigstellung (bitte anklicken):

<p><b>Das Versorgungsheim</b></p><p>Panorama unmittelbar nach der Fertigstellung</p><p><i>&copy; Archiv 1133.at</i></p>

Zu Beginn der Tätigkeit des neuen Versorgungsheimes kamen auf die über 3000 Heimbewohner rund 300 Ärzte und sonstiges Personal. Die Unterbringung mittelloser Bürger nahm den größten Raum ein, der Krankenpflege waren ja nur zwei Gebäude zugedacht. Neben Unterkunft, Verköstigung, Bekleidung und medizinischer Versorgung bekamen die Bewohner auch Taschengeld von umgerechnet 50 Cent pro Tag. Bis zu 500 Pfleglinge wurden aus therapeutischen Gründen und zur willkommenen Aufbesserung des Taschengeldes auch zu Arbeitsleistungen herangezogen. Natürlich musste die Konstitution des Pfleglings die 6-stündige Tagesarbeit zulassen.

Quellen:
Das Wiener Versorgungsheim, Gedenkschrift zur Eröffnung von Dr. Jakob Dont, Verlag der Gemeinde Wien, 1904.

hojos
im März 2005