Vinzenz Jerabek

1875–1963. Eine kurze Biografie mit Materialien und Textbeispielen

Vinzenz J. oder Zenzl, wie er von seinen Freunden immer genannt wurde („I bi da Zenzl. Und du?“ war der übliche Du-Worttausch) hieß richtig und eigentlich Vinzenz Jerabek.

Geboren wurde er am 22. Jänner 1875 in Ober Sankt Veit im „Spitzerhaus“, Auhofstraße 120 Ecke Testarellogasse. Heute steht dort ein „blechernes Reh“ vor einem Neubau. Vinzenz war vier Jahre alt, als er seinen Vater verlor. Er lebte bei seiner Mutter, einer Weißnäherin, an verschiedenen Plätzen in Sankt Veit. Daselbst besuchte er auch die Volksschule. Obwohl von seinen Lehrern als guter Schüler bezeichnet, blieb ihm jede weitere Schulbildung versagt. Nach der Volksschulausbildung musste er bei einem Schuhmachermeister in der Stumpergasse eine ungeliebte Lehre antreten. Nach dieser dreijährigen Berufsausbildung trieb ihn das Heimweh wieder in sein geliebtes Sankt Veit zurück. Hier verdingte er sich zunächst als gering bezahlter Hilfsarbeiter und Gartenhelfer. Später nahm er eine besser bezahlte aber ungesunde Stelle als Färber in der Hackinger Stofffärberei „Seidl“ (ehemalige „Seidlfärberei“, heute Auslieferungslager der Firma „Morawa“) an. Bis zu seiner Verehelichung lebte er bei seiner Mutter.

Der Beruf des Färbers hatte den Vinzenz nie ganz ausgefüllt. Er trachtete nach besserem Leben und nach mehr Einkommen. Das bewog ihn, einen Brief mit dem Wunsche um eine bessere Stelle (Geschäftsdiener und so) an die Redaktion der „Volkszeitung“ zu richten. Dieser Brief fiel in die Hände des Redakteurs Rudolf Kraßnigg (Krassnig). Kraßnigg entnahm dem Brief, dass Vinzenz Jerabek seine Umgebung, die Zeitströmung, die Menschen in ihrem Walten, ihre Eigenheiten und Veranlagungen genau beobachtet haben musste. Der Redakteur lud ihn zu einem Gespräch. Das war dann der Beginn der schriftstellerischen Laufbahn des J. Vinzenz.

Vom Autodidakten J. Vinzenz wurde 1903 die erste Geschichte in der „Volkszeitung“ veröffentlicht. Nach und nach kamen dann in all den Jahren über 1200 Abhandlungen von J. Vinzenz in die „Volkszeitung“ und in „Das kleine Blatt“. Genau und mit hintergründigem Humor wurde alles Leben in der Vorstadt mitgeteilt. Ein Großteil der Erzählungen und Geschichten schrieb J. Vinzenz mit der Schreibmaschine, die auch die Nobelpreisträgerin Berta von Suttner zum Schreiben ihres Werkes „Die Waffen nieder“ verwendet hatte. Vinzenz hatte diese Schreibmaschine von Berta von Suttner erworben und hielt diese bis zu seinem Tode in Ehren. Heute kann sie im Hietzinger Bezirksmuseum besichtigt werden.

Mit dem Ober Sankt Veiter Männergesangsverein, dessen Mitglied Vinzenz war (Beitritt 1894, Schriftführer 1896, Archivar 1898-1900, Ehrenmitglied 1930), wurden in den 50er Jahren die humordurchleuchteten „Vinzenz-Jäger Abende“ gestaltet (Kammerschauspieler Richard Eybner, Rundfunksendungen). 1955 ehrte die Stadt Wien den Zenzl mit einer hohen Auszeichnung. 1956 wurde vom Ober Sankt Veiter Männergesangverein im Eigenverlag „Erlebtes und Erlauschtes aus Wiens Vorstadt“ von J. Vinzenz in Buchform aufgelegt.

Über Vinzenz’ Familienleben wurde wenig berichtet. Verheiratet war er mit Therese Jerabek, geborene Skopek (1878 – 1944), der Ehe entstammten drei Kinder: Anna Letz, geborene Jerabek (1899 – 1971, Verwaltungs-Oberkommissärin, verheiratet mit Franz Letz), Hans Jerabek (1906 – 1987, Postmonteur, verheiratet mit Margarete Jerabek, geborene Penkala) und eine Elisabeth (von ihr ist nur bekannt, dass sie als Caritasschwester gearbeitet haben soll). Mit Vinzenz’ Enkelin Christine Wessely, geborene Jerabek (1941) starb im Jahre 2004 die letzte Nachkommin. Sie hatte die sprachliche Begabung Vinzenz’ geerbt und eine Reihe von Büchern entweder selbst geschrieben oder auf den Weg gebracht.

Die letzten zehn Jahre – nach dem Tod seiner Gattin – lebte Vinzenz Jerabek im Sankt Veiter Schloss. Dieses war damals als Altersheim eingerichtet.

Vinzenz Jerabek ist am 7. Feber 1963 aus seinem vielgeliebten Ober Sankt Veit in die Ewigkeit fortgegangen. Die letzte Ruhe fand er auf dem Baumgartner Friedhof (U/107). Seine Tochter lehnte das Anbot eines „Ehrengrabes“ ab. Nach ihrem Tode kümmerte sich niemand mehr um die Grabstelle und sie war 1994 zum „Heimfall“ ausgeschrieben. Der Club 13 finanzierte eine Verlängerung um 10 Jahre. Derzeit wird eine Umbettung und die Widmung eines Grabes „ehrenhalber“ auf dem Ober St. Veiter Friedhof angestrebt.

hojos
im Juni 2005